Welche Bedeutung Moore für den Klimaschutz haben, wird leicht unterschätzt. Moorforscher Professor Matthias Drösler von der Hochschule Weihenstephan hat dazu neue Erkenntnisse. Demnach ist der Treibhausgasausstoß von trockenen Mooren höher als nach bisherigen Berechnungen. 6,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr entweicht aus Bayerns Moorflächen.
Denn in Mooren sind große Mengen an Kohlenstoff gespeichert. Wird ihnen jedoch das Wasser entzogen, gelangt Luft an den Torf. Dann werden Treibhausgase (CO2 und Lachgas) freigesetzt und belasten das Klima. Über Jahrhunderte hinweg wurden Moorflächen systematisch entwässert, um darauf Landwirtschaft zu betreiben. Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, müssen in Deutschland rund 50.000 Hektar Moore wiedervernässt werden, weltweit sind es sogar zwei Millionen Hektar pro Jahr.

Moore speichern viel CO2. Für Bayerns größtes Moor, das Donaumoos, will der Freistaat 200 Millionen Euro ausgeben.
Alternativen für Landwirte gesucht
Ist ein Moor erst einmal wiedervernässt, ist allerdings keine herkömmliche Landwirtschaft mehr darauf möglich. Statt Kartoffeln, Weizen und Co. wachsen dort höchstens Schilf und Rohrkolben. Pflanzen, die zwar im wassergesättigten Boden gut gedeihen, aber keinen wirtschaftlichen Ertrag einbringen.
Lässt sich damit dennoch ein finanzielles Standbein aufbauen? Daran arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf im Projekt "MOORUse". Sie bauen auf Versuchsflächen im Freisinger Moos Moorpflanzen als "Paludikulturen" an. "Paludikultur" - das ist der Fachbegriff für die landwirtschaftliche Nutzung nasser Moorstandorte.
Ella Papp ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei dem Projekt. Sie erklärt: "Das Besondere daran ist, dass wir hier den ganzen Bogen drin haben. Von der Etablierung der Paludikulturen, über die Klimawirkungen und andere Umwelteinwirkungen über die Verwertung, bis hin zur Ökonomie."
Moorpflanzen sind gut für den Klimaschutz
Die Pflanzen stehen in Parzellen mit unterschiedlichen Wasserständen. So will man herausfinden, unter welchen Bedingungen sie am meisten Ertrag liefern. Spezielle Messgeräte fahren das Forschungsfeld ab und messen den CO2-Gehalt im Boden.
Dabei konnte auch erstmalig nachwiesen werden, "dass Paludikulturen eine Netto-Treibhausgas-Senke sein können", berichtet Ella Papp. "Wir haben herausgefunden, dass man nicht nur Emissionen vermeiden, sondern auch aktiv wieder einbinden kann." Das Wachstum des Wurzelwerks der Moorpflanzen führt nämlich dazu, dass Kohlenstoff dauerhaft darin gespeichert wird. Paludikulturen sorgen also dafür, dass klimaschädliches CO2 aus der Luft langfristig unschädlich gemacht wird.
MOORuse prüft Verwertungsmöglichkeiten
Doch wer könnte Rohrglanzgras oder Schilf kaufen? Dazu hat man im "MOORuse"-Projekt verschiedene Verwertungsmöglichkeiten ausprobiert. Von Torfersatzstoffen über Pferdefutter bis hin zu Pferdeeinstreu wurde vieles getestet. Das größte Potenzial sei allerdings in der Baubranche, sagt die Wissenschaftlerin Ella Papp. "Bauplatten zum Beispiel – man kann damit vermutlich auch Rigips ersetzen."
Bauplatten aus Paludikulturen als umweltfreundliche Alternative
Solche Platten möchte beispielsweise eine Firma aus dem Landkreis Traunstein herstellen. Schon jetzt produziert die Firma "istraw" umweltfreundliche Baustoffe aus Stroh. Aber Material aus Paludikulturen einzusetzen, ist für Geschäftsführer Marcel Burgstaller noch attraktiver. Er steht in Kontakt mit dem Donaumoos-Zweckverband, der gemeinsam mit der Hochschule neue Absatzmärkte für Paludikulturen aufbaut.
Wer klimaschonend bauen will, müsse schauen, wo man CO2 reduzieren könne, betont Burgstaller. Wichtige Bestandteile für den Hausbau, wie Glasscheiben oder Beton, seien noch weit davon entfernt, CO2-neutral zu sein. Deswegen müsse man schauen, wo man an anderer Stelle wieder einsparen könne.
Bauen ist besonders schädlich für das Klima
38 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes gehen auf Gebäude zurück. Vor allem Beton hat eine schlechte Klimabilanz. Für Marcel Burgstaller sind es vor allem die hohen CO2-Speicherwerte, die eine Bauplatte aus Paludikulturen so interessant macht.
"Beton stößt pro Kubikmeter zwischen 200 und 250 Kilogramm CO2 aus", rechnet er vor. Die Strohbauplatte speichere hingegen bis zu 80 Kilogramm CO2-Äquivalente. Eine Platte aus Paludikultur speichere sogar bis zu 200 Kilogramm CO2-Äquivalente. "Das heißt, ich kann mit einem Quadratmeter Trockenbauwand annähernd einen Kubikmeter Beton substituieren. Das ist gigantisch", schwärmt der Unternehmer.
Zusammenarbeit von Landwirten und Unternehmen der Baubranche
Noch ist das alles Zukunftsmusik. Bisher gibt es nur Prototypen. Michael Hafner vom Donaumoos-Zweckverband versucht den Unternehmer mit Landwirten aus der Region zusammenzubringen. Der Zweckverband möchte Landwirten, die trockengelegte Moorflächen bewirtschaften, alternative Nutzungsformen auf wiedervernässten Flächen aufzeigen. Bei einem ersten Treffen zwischen Landwirten und dem Unternehmer Marcel Burgstaller gab es schon erste Interessenten.
Michael Hafner vom Zweckverband sieht die Zusammenarbeit als Chance: "Wir haben noch keine Hunderte Hektar Paludikulturen, die wir für eine solche Produktionsanlage bräuchten. Aber wir können ja mit etwas anderem beginnen." Denn auch andere Pflanzenfasern, wie Stroh und Gras, können mit Material aus Paludikulturen vermischt werden, um die Produktion der umweltfreundlichen Platten anzuschieben.
Großes Potenzial auch bei Verpackungsmaterial- und Papierherstellung
Der Donaumoos-Zweckverband prüft aber auch andere Verwertungsmöglichkeiten für Paludikulturen, darunter Pflanzenkohle, aber auch Papier und Verpackungsmaterial. Mit speziellem Gerät wurden Schilf, Rohrglanzgras und ein Wiesenschnitt aus dem Moor Ende letzten Jahres geerntet, getrocknet, und an Fachfirmen verschickt. Das Start-up Fibres 365 in Lenningen bei Stuttgart testet, wie gut sich daraus Papier machen lässt – und zwar chemiefrei.
Die Firma betreibt dazu ein patentiertes Steam-Explosion-Verfahren, bei dem durch eine Dampfexplosion das Pflanzenmaterial zerfasert wird. Anschließend werden die Fasern mit Wasser homogenisiert und getrocknet. Dann kann man die Blätter zum Beispiel auf ihre Reißfestigkeit testen. "Und der Papiermacher weiß aus diesen Ergebnissen schon, ob ich daraus ein Verpackungspapier machen kann", erklärt Hermann Dauser vom Fibres 365. Die Versuchsreihen sind zwar noch nicht abgeschlossen, aber auch hier zeichnet sich Potenzial ab. "Mit dem Rohrglanzgras kann man im Verpackungsbereich Holzzellstoff eins zu eins ersetzen. Es hat qualitativ sehr gute Eigenschaften. Wir sehen es aber durchaus auch als Zusatz, also 30 oder 40 Prozent in höherwertige, feinere Papiere", so Dauser.
Produkte aus Moorpflanzen sollen künftig konkurrenzfähig sein
Die Paludi-Fasern sollen bald auch industriell getestet werden. Dann wird sich zeigen, ob sie preislich konkurrenzfähig sind. Michael Hafner vom Donaumoos-Zweckverband ist optimistisch. Ziel sei es, einen Partner zu finden, idealerweise eine Papierfabrik, die die Fasern aus Paludikulturen in die Produktion mit aufnimmt.
Schilf oder Rohrkolbenstängel sollen künftig für Landwirte genau so viel Gewinn bringen wie Kartoffeln oder Weizen. Doch noch fehlt es an wiedervernässten Moor-Flächen, um die entwickelten Produkte in großen Stückzahlen herzustellen. Aber das könnte sich bald ändern. Denn die Marktchancen für nachhaltige Produkte werden immer größer. Das könnte mehr Landwirte ermutigen, auf Paludikulturen umzusteigen.

Das altbayerische Donaumoos
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