Je näher der Termin rückt, desto enger lässt sich das Zeitfenster für den Absturz definieren: Gestern, am 27. März 2018, meldete die Europäische Weltraumagentur ESA, dass Tiangong 1 zwischen dem 31. März und dem 2. April wieder in die Erdatmosphäre eintreten wird. Problematisch ist, dass einige Teile des Raumlabors beim Wiedereintritt in die Atmosphäre nicht verglühen werden, zum Beispiel Komponenten aus Titan und Edelstahl. Diese Materialien werden in der Raumfahrt für besonders stark belastete Tanks und Teile des Antriebssystems verwendet. Bruchstücke von Tiangong 1, die nicht verglühen, stürzen auf die Erde. Das Gebiet, in dem sie niedergehen können, ist riesig. Darin befinden sich auch die Länder China und Indien, die teilweise dicht besiedelt sind. Der größte Teil des potenziellen Absturzareals ist aber kaum oder gar nicht bewohnt.
"Die Wahrscheinlichkeit von einem Trümmerteil verletzt zu werden, ist so hoch wie die Möglichkeit von einem Blitz zweimal in einem Jahr getroffen zu werden." Holger Krag, Europäische Raumfahrtagentur ESA in Darmstadt
Kontrollverlust im Weltraum
Im Idealfall wird eine Raumstation, deren Nutzungszeit vorüber ist, nach einem genauen Plan über unbewohntem Gebiet zum Absturz gebracht. Bei Tiangong 1 brach aber Im März 2016 brach der Funkkontakt zwischen dem Weltraumlabor und der Bodenstation ab. Damit war es dem Kontrollteam nicht mehr möglich, die Umlaufbahn des zwölf Meter langen Moduls anzuheben oder es kontrolliert zum Absturz zu bringen.
Genaue Vorhersage des Wiedereintritts nur kurzfristig möglich
Tiangong 1 startete am 30. September 2011 von der Wüste Gobi aus ins All. Die Gesamtmasse des Raumfahrzeugs betrug beim Start 8,5 Tonnen einschließlich Treibstoff. Weltraumexperten gehen davon aus, dass rund 1,5 bis 3,5 Tonnen des "Himmelspalasts", so die deutsche Übersetzung von Tiangong, wohl den Wiedereintritt überstehen werden und unkontrolliert zu Boden fallen. Erst einen Tag vor dem eigentlichen Wiedereintritt wird es möglich sein, grob vorherzusagen, in welchen Regionen auf der Erde Trümmerteile niedergehen könnten.
ESA-Experte gibt Entwarnung für Deutschland
Holger Krag von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA spricht von "einem Gürtel von 43 Grad südlich bis 43 Grad nördlich des Äquators mit allen Längen". Damit können die Trümmer alle Kontinente - bis auf die Antarktis - und alle Ozeane treffen. Während Süditalien und Spanien als Randgebiete etwas mehr gefährdet sind, sei es ausgeschlossen, dass Teile des "Himmelspalasts" in Deutschland, Österreich oder der Schweiz herunter kommen, betont Krag.
Der Aufschlag der Raumstation sei nicht vergleichbar mit einem Meteoriteneinschlag, so Krag. Die Trümmerteile fallen ab 30 Kilometern Höhe mit der normalen Fallgeschwindigkeit. Daher werde es auch keine Einschlagkrater geben. Weil die mögliche Absturzregion viel Wasser, Wüsten und unbewohnte Gebiete umfasst, sei es fraglich, ob sich nach dem Absturz überhaupt Teile von Tiangong 1 finden ließen. "Es fällt nicht alles auf einen Fleck, sondern verteilt sich über eine Schleppe von 1.000 bis 1.200 Kilometern", sagt Krag.