Plastikmüll am Strand von Sarstangen auf der Insel Prince Carls Forland auf Spitzbergen (Norwegen).
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In der Arktis liegt Müll aus aller Welt - auch aus Deutschland. Das zeigt eine aktuelle Studie.

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Plastikmüll verschmutzt die Arktis

In der Arktis liegt Müll aus aller Welt. Das zeigt eine aktuelle Studie. Dafür haben Touristen fünf Jahre lang Müll an den Stränden von Spitzbergen gesammelt. Das Ergebnis: Ein verhältnismäßig großer Teil des Abfalls stammt aus deutscher Produktion.

Jedes Jahr landen laut WWF fünf Millionen bis 13 Millionen Tonnen Plastik in den Weltmeeren – nicht wenig davon endet in der Arktis, die lange als eines der letzten unberührten Gebiete dieses Planeten galt. Sie ist es schon lange nicht mehr. Im Gegenteil: Die Strände der Arktis sind eine Art "Endlager" für Plastikmüll geworden. "Wenn man da an Land geht, dann sieht man überall Müll", erzählt die Expeditionsleiterin Birgit Lutz, "Da ist so ein richtiger Streifen, wo dann die ganzen Netze und Plastikfolien und Taue und sogar Wasserkocher und alles, was man sich vorstellen kann, herumliegt." Wissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) aus Bremerhaven haben diesen Müll nun untersucht, um herauszufinden, woher er stammt. Die Ergebnisse der Studie, die im Fachmagazin "Frontiers in Marine Science" veröffentlicht wurden, könnten helfen, den Müll effektiver zu vermeiden.

Touristen sammelten über Jahre Müll

Demnach stammt ein Drittel des eindeutig identifizierbaren Plastikabfalls aus Europa. Die Studienleiterin Melanie Bergmann wundert das nicht wirklich. Schließlich werden derzeit in der EU jedes Jahr 26 Millionen Tonnen Plastikabfall produziert. Und auch wenn ein großer Teil davon im Mülleimer landet und verbrannt wird: Immerhin elf Prozent davon landeten schließlich doch im Wasser.

Für die Erhebung hatten Touristen bei Landgängen an 14 abgelegenen arktischen Stränden Abfall gesammelt. Von 2016 bis 2021 kamen demnach 23.000 Teile zusammen, die 1,62 Tonnen wogen. 80 Prozent davon waren Plastikmüll, der Rest beispielsweise Metall oder andere Materialien. Der größte Teil stammte aus der Fischerei: Reste von Fischernetzen zum Beispiel. Und die richten häufig großen Schaden an, erzählt Birgit Lutz, die mit ihren Reisegästen über Jahre hinweg Müll gesammelt hat: "Was man ganz oft findet, das sind Rentiergeweihe, die in Netzen hängen. Die liegen zum Teil auch weit im Hinterland. Da verheddern sich Rentiere in den Netzen und dann sind sie natürlich ein prima Fressen für die Eisbären, die die ja sonst nicht jagen können. Da findet man dann auch mal sieben oder acht Rentiere in einem Netz verheddert. Also wir finden dann nur noch die Geweihe und den Kopf. Der Rest ist dann weggefressen."

Acht Prozent stammt aus Deutschland

Die meisten Plastikteile ließen kaum Rückschlüsse auf die regionale Herkunft zu. "Aufgrund der Kälte und Sonneneinstrahlung zersetzt sich Plastik in polaren Gebieten wahrscheinlich noch schneller in kleinere Fragmente", so die AWI-Wissenschaftlerin Bergmann. Doch bei etwa einem Prozent des Mülls konnte man noch Aufschriften oder Einprägungen erkennen - mehrheitlich aus Anrainerstaaten der Arktis wie Russland (32 Prozent) und Norwegen (16 Prozent). Aber selbst aus fernen Ländern wie Brasilien, China und den USA wurden Müllstücke nachgewiesen.

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Bei etwa einem Prozent des Mülls konnte man noch Aufschriften oder Einprägungen erkennen - mehrheitlich aus Anrainerstaaten der Arktis.

Und auch aus Deutschland fanden Teile ihren Weg in die Arktis. Etwa acht Prozent des identifizierbaren Mülls stammten aus deutscher Produktion.

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Appell: Müll vermeiden und Abfallmanagement verbessern

"Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass selbst reiche und umweltbewusste Industrienationen wie Deutschland, die sich ein besseres Abfallmanagement leisten könnten, signifikant zur Verschmutzung ferner Ökosysteme wie der Arktis beitragen", erklärt die Forscherin. Um den vielen Müll von Fischerei und Schiffen zu vermeiden, müsste man das Abfallmanagement in den Häfen verbessern, sagt sie. "Zum Beispiel, indem Fischer überall nur eine Hafengebühr bezahlen, egal wie viel Müll sie anladen. Und das muss leicht sein, denn wenn Seeleute in den Hafen kommen, wollen die schnell nach Hause, und wollen nicht noch 2 Stunden nach dem Müllcontainer suchen, wo sie ihre Sachen hinbringen können."

Auch wichtig sei die massive Reduktion der globalen Plastikproduktion, sagt Bergmann und setzt große Hoffnungen in das UN-Plastikabkommen, das derzeit verhandelt wird: "Das muss ambitioniert sein und auch zu einer Drosselung der weltweiten Plastikproduktion führen. Denn Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass man dadurch etwa 45% Reduktion der Plastikverschmutzung erreichen kann."

Touristen halfen gern beim Sammeln

Expeditionsleiterin Birgit Lutz jedenfalls wird weiter mit ihren Gästen Plastikmüll an den Stränden der Arktis einsammeln: "Das ist bei vielen Gästen eigentlich ein natürlicher Reflex, dass die von selber anfangen, Sachen aufzuheben. Und wenn wir dann sagen, wir können auch eine wissenschaftliche Sammlung machen, dann sind 99% von denen begeistert und machen das gerne. Dabei ist das ziemlich anstrengend: Es ist immer windig, manchmal regnet‘s auch. Die Sachen sind auch oft schwer oder stecken im Sand fest. Das ist keine einfache Arbeit."

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