Deutschlands höchster Berg mit immer weniger dauerhaftem Eis: die Zugspitze, Aufnahme aus dem September 2019.
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Die Zugspitze - in Deutschland das einzige Permafrost-Gebiet. Doch hier schwindet das Eis aufgrund des Klimawandels immer mehr (Archivbild).

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Auftauender Permafrost: Fakten zum schwindenden Dauer-Eis

Der Klimawandel hat nicht nur oberirdisch, sondern auch unterirdisch Folgen: So taut der sogenannte Permafrost aufgrund der steigenden Temperaturen immer schneller auf. Was Permafrost ist, wo es ihn gibt, und welche Folgen sein Auftauen haben könnte.

Vereinfacht gesagt handelt es sich bei Permafrost um Boden, der permanent gefroren bleibt. Für Wissenschaftler sind die Dauerfrostböden nur dann wirklich Permafrost, wenn der Untergrund mindestens zwei Jahre lang ununterbrochen gefroren ist, also eine Temperatur von unter 0 Grad Celsius hat. Das Eis im Bodeninneren stammt zum Großteil noch aus der letzten Eiszeit von vor etwa 100.000 bis 12.000 Jahren oder hat sich direkt danach gebildet.

Es kann bis zu eineinhalb Kilometer in die Tiefe reichen. Permafrost besteht aus Sedimenten, Gestein oder Erde und unterschiedliche Mengen Eis, das wie ein Kitt die Schichten zusammenhält. Ein Auftauen der Dauerfrostböden, wie es jetzt immer mehr geschieht, wird gravierende Folgen haben.

Wo es Permafrost gibt - in Deutschland nur auf der Zugspitze

In Deutschland gibt es Permafrost nur auf der Zugspitze. Denn Permafrost-Gebiete sind nur dort, wo der Boden auch im Sommer nicht vollständig auftaut: in den kalten Klimazonen der hohen Breitengrade und im Hochgebirge. In Europa betrifft das neben Zonen im Hochgebirge wie dem Mont Blanc und der Zugspitze auch Teile Skandinaviens. Weltweit gibt es den Dauerfrost in breiten Teilen Russlands, Chinas, Kanadas, Alaskas und Grönlands.

Wie schnell Permafrost immer wärmer wird und taut

Forscher der Technischen Universität München (TU) konnten an der Nordwand der Zugspitze anhand von dort angebrachten Thermometern feststellen, dass die Temperatur des Permafrosts in den vergangenen Jahren um etwa 0,1 Grad pro Jahr gestiegen ist. Der Schwund des ewigen Eises zeigt sich deutlich: Hatte die Permafrostlinse im Innern des Zugspitz-Massivs vor 15 Jahren noch eine maximale Ausbreitung von 70 Metern, ist sie jetzt nur noch 50 Meter breit, zeigte Riccardo Scandroglio, der die Hangbewegungen auf der Zugspitze erforscht und Teil des Forscherteams der TU ist, einem BR-Team im Herbst 2022.

Weltweit ist die Temperatur von Permafrost in mehr als zehn Metern Tiefe im Zeitraum von 2007 bis 2016 sogar um durchschnittlich knapp 0,3 Grad gestiegen. Zu diesem Ergebnis kamen Wissenschaftler des internationalen Permafrost-Netzwerks GTN-P (Global Terrestrial Network for Permafrost) in ihrer 2019 veröffentlichen Studie. Regionen mit Dauerfrostböden erwärmen sich rund viermal schneller als der weltweite Durchschnitt, sagen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (AWI).

Wie schnell das ewige Eis in Permafrostgebieten auftaut, zeigte auch eine in der kanadischen Hocharktis durchgeführte Studie: Der Permafrost dort ist - laut Messungen, die bis zum Jahr 2016 durchgeführt wurden - bereits so tief getaut, wie eigentlich erst für das Jahr 2090 vorausgesagt war. In Europa und Westsibirien sollen laut Wissenschaftlern bis zum Jahr 2100 große Teile des Permafrosts aufgetaut sein, so das Ergebnis einer im Jahr 2022 veröffentlichten Studie.

Tauender Permafrost - Folgen für das Klima gar nicht abschätzbar

Umgekehrt beschleunigt das Verschwinden von Permafrost wiederum den Klimawandel: Modellierungen gehen davon aus, dass allein der auftauende Permafrost bis zum Jahr 2100 zu einer Erhöhung der globalen Temperatur von 0,04 bis 0,16 Grad Celsius führen wird. "Das Problem ist aber: Durch die Rückkoppelung mit anderen Klimaelementen der Erde, wie zum Beispiel dem arktischen Meereis, könnten die Effekte des tauenden Permafrosts noch viel größer sein, als bisher erwartet. Das können wir heute noch gar nicht abschätzen", sagt Susanne Liebner vom German Research Centre for Geosciences (GFZ) in Potsdam.

Ein Grund für die Erwärmung: Wenn die Dauerfrostböden auftauen, taut auch die darin vorhandene Biomasse auf, also Tier- und Pflanzenreste, die seit Jahrtausenden dort liegen. Die Ökomasse enthält Kohlenstoff, der beim Auftauen die klimaschädlichen Gase Kohlendioxid und Methan freisetzt. Auch Stickstoff entweicht beim Auftauen, und zwar - aufgrund des größeren Reservoirs in den Böden - viel mehr als erwartet, wie eine 2022 veröffentlichte Studie belegt: So sind im sogenannten Yedoma-Permafrost, eine vor allem in Ostsibirien und Alaska verbreitete Bodenvariante, etwa 41,2 Gigatonnen Stickstoff enthalten - deutlich mehr, als bisherige Schätzungen vermuten ließen, wie ein internationales Forscherteam herausfand. Rund 90 Prozent davon, nämlich 37 Gigatonnen, sind laut der Untersuchung noch gefroren.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Böden in den Permafrostgebieten insgesamt zwischen 1.300 und 1.600 Gigatonnen Kohlenstoff enthalten. Auch ein Großteil davon, nämlich 825 Gigatonnen, sind derzeit noch eingefroren. Zum Vergleich: Die gesamte Atmosphäre enthält derzeit laut AWI rund 870 Gigatonnen Kohlenstoff.

Auftauen des Permafrostes - was dadurch passieren kann

Der tauende Permafrost ist vor allem für die Bevölkerung in den kalten Klimazonen vor Ort ein Problem. Der weich gewordene Boden ist instabiler, führt zu Erdrutschen und zur Beschädigung der Infrastruktur und kann der Bevölkerung die Lebensgrundlage entziehen.

Wenn der in Deutschland einzige Permafrost auf der Zugspitze auftaut, ist das für die Bevölkerung nicht besonders gefährlich, beruhigen sowohl Riccardo Scandroglio von der TU wie auch Susanne Liebner vom GFZ. Weil die Fläche mit Permafrost so klein sei, würden keine großen Massen in Bewegung geraten. Was uns bei den weltweit tauenden Dauerfrostböden aber vermutlich trifft, ist der dadurch beschleunigte Klimawandel, mahnt die Wissenschaftlerin des GFZ.

Eher keine Zombie-Viren durch tauenden Permafrost

Dass durch den tauenden Permafrost aber Viren zutage kommen, die dem Menschen gefährlich werden können, glaubt die Permafrost-Expertin vom GFZ in Potsdam, Professor Liebner, eher nicht. "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Denn das setzt voraus, dass dort ein Tierkadaver auftaut, der Viren beherbergt. Die Viren müssten dann noch auf den Menschen überspringen und für ihn gefährlich sein. Das sind sehr viele Variablen."

Im Video: Deshalb kippt unser Klima, wenn die Permafrostböden auftauen

Deshalb kippt unser Klima, wenn die Permafrostböden auftauen.
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Deshalb kippt unser Klima, wenn die Permafrostböden auftauen.

Dieser Artikel ist erstmals am 27.03.2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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