Der Anteil der Omikron-Untervariante BA.5 des Coronavirus SARS-CoV-2 liegt in Deutschland inzwischen bei über 50 Prozent, meldet das Robert-Koch-Institut in seinem Wochenbericht vom 23. Juni 2022. Grundlage sind die Meldezahlen aus der Woche vom 6. bis 12. Juni. Seither dürfte der Anteil von BA.5 nochmals gestiegen, wie er das seit Wochen kontinuierlich tut. Auch der Anteil der Untervariante BA.4 wächst stetig und liegt inzwischen bei 5,8 Prozent. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch ein Münchner Laborunternehmen: Zwischen 23. Mai und 19. Juni waren zwei Drittel aller positiv auf SARS-CoV2-Getesteten aus dem süddeutschen Raum mit Omikron BA.4 oder BA.5 infiziert.
Die Gesundheitsbehörde der Europäischen Union ECDC sieht bisher jedoch keine Anzeichen dafür, dass BA.5 zu einem schwereren Krankheitsverlauf bei Covid-19 im Vergleich zu bisherigen Omikron-Linien führt. Gleiches gilt für auch für die Subvariante BA.4. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass die beiden Untervarianten möglicherweise wieder mehr Lungenzellen infizieren und damit schwerere Verläufe hervorrufen könnten. Anlass sind Mutationen an Schlüsselstellen im Spike-Protein, die schon von der Delta-Variante bekannt sind. Sicher ist das aber noch nicht. "Ich halte es für möglich, dass BA.5 wieder etwas pathogener sein könnte, aber das ist abschließend nicht geklärt", sagte die Virologin Sandra Ciesek im Corona-Podcast von NDR Info vom 17. Juni 2022.
Mutationen sorgen für höhere Übertragbarkeit
Am 12. Mai 2022 stufte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC die beiden Untervarianten BA.4 und BA.5 als besorgniserregende Varianten (VoC, Variants of Concern) ein. Entdeckt wurden sie Anfang des Jahres in Südafrika, wo sie rasch dominant wurden und bis Mitte Mai eine starken Anstieg der Neuinfektionen auslösten. Inzwischen sind die Zahlen dort aber wieder deutlich niedriger. In Europa breitete sich Omikron BA.5 zunächst in Portugal aus. Dort stieg aber, anders als in Südafrika, nicht nur die Zahl der Infektionen deutlich, sondern auch die der Krankenhauspatienten und die Sterblichkeit im Zusammenhang mit Covid-19.
BA.4 und BA.5 sind Untervarianten der Variante Omikron des Coronavirus SARS-CoV-2. Omikron konnte innerhalb kurzer Zeit die bis Ende 2021 in Deutschland vorherrschende Variante Delta verdrängen, weil sie deutlich ansteckender ist. Genauer: Zunächst setzte sich die Omikron-Untervariante BA.1 durch, wurde jedoch innerhalb weniger Wochen von der noch ansteckenderen Untervariante BA.2 abgelöst. In den letzten Monaten identifizierten Wissenschaftler weitere Omikron-Untervarianten wie BA.4, BA.5 und weitere, die noch infektiöser sind als BA.2. Diese können den Immunschutz, den eine Impfung, eine vorangegangene Coronavirus-Infektion oder eine Kombination aus beidem bietet, noch besser umgehen als Omikron BA.1 und BA.2. Das bedeutet: Auch wer erst vor einiger Zeit mit einer dieser beiden Untervarianten infiziert war, kann sich mit BA.4 oder BA.5 erneut anstecken. Ursache dafür sind vermutlich Mutationen im Spike-Protein des Virus, mit dem es an menschliche Zellen andockt.
Die Omikron-Untervarianten BA.1 bis BA.5 sind übrigens nicht eine aus der anderen hervorgegangen, sondern haben alle einen gemeinsamen Ursprung, aus dem sie sich getrennt entwickelt haben.
Tabelle: Anteile von Delta und der Omikron-Untervarianten
Anteile der Variante Delta und der Untervarianten von Omikron im wöchentlichen COVID-19-Lagebericht vom 20. Juni 2022
Corona-Prognosen für den Herbst unmöglich
An den derzeit kursierenden Varianten lässt sich nicht ablesen, was die Zukunft bringt. Im Herbst, wenn die Temperaturen sinken und die Infektionszahlen voraussichtlich wieder deutlich ansteigen, haben sich möglicherweise bereits andere Untervarianten von Omikron oder ganz andere, bisher unbekannte Virus-Varianten ausgebreitet.
Aber auch Varianten wie Delta, die scheinbar verschwunden sind, können bis dahin unbemerkt überdauern. Das zeigen beispielsweise Abwasseruntersuchungen in Israel. Möglicherweise herrscht im Herbst also eine Variante vor, die krankmachender und ansteckender ist als die derzeit vorherrschende Variante Omikron BA.2.
Es kann aber genauso sein, dass das Coronavirus nicht gefährlicher wird und im Herbst und Winter nur geringe oder keine Infektionsschutzmaßnahmen notwendig werden, weil inzwischen viele Menschen in Deutschland durch Impfung, eine vorausgegangene Infektion oder beides vor einem schweren Covid-19-Verlauf geschützt sind. Voraussichtlich wird es bis zum Herbst auch Impfstoffe geben, die an die zunächst verbreiteten Omikron-Untervarianten angepasst sind. Diese müssen dann aber erst zeigen, ob sie Vorteile gegenüber den bisherigen Vakzinen haben, also zum Beispiel wirksam gegen eine Infektion schützen.
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