Bahnreisende, Menschen, Passanten, Personen in der Ankunftshalle am Hauptbahnhof München am 14.03.2022.
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Gerade erst eine Omikron-Infektion überstanden. Lauert dann schon wieder die nächste?

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Omikron: Kann ich mich nach BA.1-Infektion mit BA.2 anstecken?

Die Infektionszahlen waren noch nie so hoch wie bei der Omikron-Variante. Erst kam der Subtyp BA.1, jetzt breitet sich BA.2 immer weiter aus. Viele fragen sich: Wie wahrscheinlich ist eine Reinfektion, also sich nach BA.1 noch mit BA.2 anzustecken?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Die kurze Antwort vorweg: Ja, unter bestimmten Voraussetzungen kann man sich kurz nach BA.1 auch mit BA.2 anstecken. Die genauere Antwort ist aber etwas ausführlicher:

Neuinfektionen auf Rekordhoch und untererfasste Fälle

Während sich im Februar noch ein Ende der Coronavirus-Welle durch Omikron in Deutschland andeutete, bestimmt nun die Sublinie BA.2 das Infektionsgeschehen. Und diese Virus-Variante lässt die Infektionszahlen täglich auf neue Rekorde steigen. Erstmals wurden mehr als 300.000 Neuinfektionen an einem Tag gemeldet.

Dabei geht der Verband "Akkreditierte Labore in der Medizin" (ALM) davon aus, dass viele Infektionen derzeit gar nicht in den aktuellen Zahlen auftauchen. Denn nicht jeder mit einem positiven Schnelltest lässt das mit dem genaueren PCR-Test bestätigen. Und nicht jeder lässt sich überhaupt testen, wenn er Symptome hat. Manche isolieren sich zuhause und warten, bis die Symptome vorüber sind.

Subtyp BA.2 in Deutschland für meiste Infektionen verantwortlich

Gleichzeitig steigt die Positivrate, also der Anteil an positiven PCR-Tests an allen durchgeführten PCR-Tests, in der Woche bis zum 20. März auf ein Allzeithoch von über 56 Prozent. Laut dem ALM ein Zeichen dafür, dass das Infektionsgeschehen untererfasst wird, viele Infektionen nicht erkannt werden.

Ursache dafür sind zum einen die Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen, aber vor allem auch die Omikron-Untervariante BA.2, die sich sehr schnell ausbreitet. Laut dem aktuellen Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 24. März macht sie bereits 72 Prozent aller Neuinfektionen aus. Die gefährliche Delta-Variante spielt mit unter einem Prozent hingegen kaum noch eine Rolle und auch die Omikron-Variante BA.1 wird weiter zurückgedrängt.

Wie unterscheiden sich die Omikron-Subtypen BA.1 und BA.2?

Der Subtyp BA.2 ist laut Weltgesundheitsorganisation WHO nicht gefährlicher als BA.1, der bisher vorherrschend war. Studien zufolge verursacht BA.2 einen ähnlich schweren Krankheitsverlauf, der aber wesentlich milder als noch bei Alpha oder Delta ist. Aber BA.2 ist ansteckender. Das liegt daran, dass diese Untervariante noch leichter in die Zellen der oberen Atemwege eindringt und sich dort vermehrt.

Infizierte können damit leichter andere anstecken, weil sie allein schon beim Ein- und Ausatmen sehr viele Viren ausstoßen. Und wie schon BA.1 entgeht BA.2 auch gerne der Immunantwort des Körpers nach Impfung oder Genesung. Die Impfung schützt nicht mehr so gut vor Ansteckung wie noch bei Delta, aber immer noch gut vor einem schweren Verlauf oder Tod.

Reinfektionen bei anderen Virus-Varianten häufiger

Aber wie verhalten sich beide Subtypen zueinander? Reicht eine durchgemachte Infektion mit BA.1 aus, um einer weiteren durch BA.2 zu entgehen? Bei den vorherigen Varianten, die auf den Coronavirus-Wildtyp folgten - wie Alpha, Beta oder Delta - wurde häufiger beobachtet, dass eine erneute Ansteckung möglich ist. Das hängt vor allem mit den Antikörpern zusammen, die der Körper nach einer durchgemachten Infektion bildet und die das erneute Eindringen der Viren verhindern sollen.

Die Annahme: Je milder der Verlauf, desto weniger Antikörper bilden sich, beziehungsweise desto schneller nehmen diese auch wieder ab, wie auch eine aktuelle Studie aus den USA belegt. Durch die verschiedenen Varianten haben die Forscher gesehen, dass Genesene zwar eine Weile vor erneuter Infektion geschützt sind, aber eben nicht für immer. Infizierte bekommen eine Teilimmunität und können sich nach gewisser Zeit - einigen Monaten - auch wieder anstecken.

Deshalb sind Genesene auch vor Omikron nicht wesentlich besser geschützt, wenn Patienten zuvor eine Infektion mit einer anderen Variante wie Delta oder Alpha durchgemacht haben. Denn "genauso wie die Impfstoffe, die auf dem Spike-Protein des Wuhan-Virus beruhen, nur bedingt vor einer Infektion mit Omikron schützen, schützt auch eine Infektion mit Varianten vor Omikron nur bedingt vor einer Ansteckung mit Omikron", erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.

Immunantwort: Antikörper vs. T-Zellen

Eine Auswertung der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency in England hat gezeigt, dass sich tausende Menschen sogar schon drei Mal und einige sogar vier Mal mit dem Coronavirus infiziert haben. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Anzahl der Reinfektionen sogar noch höher ist, da besonders bei sehr milden Symptomen nicht jede Infektion erkannt wird. Hier spielen auch die T-Zellen eine Rolle, bestimmte Immunzellen, die das Virus wiedererkennen, es zerstören und damit die weitere Ausbreitung im Körper verhindern. Während die Antikörper nach durchgemachter Infektion mit der Zeit abnehmen, bleiben die T-Gedächtniszellen Studien zufolge offenbar länger erhalten und sorgen so für einen milderen Verlauf.

Milde Infektion bei Ungeimpften = geringe Immunität

Genau dieser milde Verlauf könnte bei einigen Menschen auch dazu führen, dass sie sich kurz nach einer BA.1-Infektion nochmal mit BA.2 anstecken könnten. Immunologe Watzl erklärt das so, dass "bei einer sehr leichten Infektion mit BA.1, gerade bei Ungeimpften, sich das Immunsystem oft gar nicht so richtig mit dem Virus auseinandergesetzt hat und dementsprechend die Immunität auch geringer ist." Daher könnten die geringen Unterschiede zwischen den zwei Subtypen schon ausreichen, damit die Immunantwort des Körpers nicht so breit ausfällt und man sich erneut infiziert.

Das belegt auch eine aktuelle Studie aus Österreich: Gerade bei Ungeimpften bildet der Körper nach einer Omikron-Infektion neutralisierende Antikörper nur gegen diese eine Variante und auch nur in geringem Ausmaß. Das Risiko, sich erneut anzustecken, sei damit erhöht. Bei Geimpften sei das sehr viel seltener der Fall, "da dort auch leichte Infektionen in der Lage sind, die bereits bestehenden Gedächtniszellen neu zu stimulieren," erläutert Carsten Watzl.

  • Zum Artikel: Omikron - wie schlimm ist ein milder Verlauf?

Dünne Studienlage zu Reinfektion mit BA.2 nach BA.1

Studien, die sich konkret damit beschäftigen, ob und wie gut eine BA.1-Infektion vor einer Ansteckung mit BA.2 schützt, sind bisher noch selten. Auch, weil der Subtyp BA.2 noch nicht allzu lange im Umlauf ist. Ein Land, in dem sich BA.2 schon Wochen vor Deutschland weit ausgebreitet hat, ist Dänemark. Und die Dänen untersuchen schon seit Beginn der Corona-Pandemie ihre Positiv-Tests sehr genau und sequenzieren sehr viel: nicht nur zwischen Omikron und Delta, sondern eben auch zwischen BA.1 und BA.2.

Die Dänemark-Studie: Jung und ungeimpft

In einer bereits viel zitierten Studie von Ende Februar wurden insgesamt 1,8 Millionen positive Fälle in Dänemark zwischen November 2021 und Februar 2022 ausgewertet. Dabei fanden die Forschenden 187 Fälle, in denen sich dieselbe Person im Abstand von 20 bis 60 Tagen zweimal mit dem Coronavirus infiziert hatte und beide Infektionen auf eine oder beide der Omikron-Subtypen zurückzuführen waren.

Von diesen 187 wurden 47 Fälle identifiziert, die sich kurz nach BA.1 mit BA.2 angesteckt hatten. Virologe Christian Drosten weist allerdings im Coronavirus-Update des NDR darauf hin, dass es durchaus auch mehr Fälle geben kann, auf die das zutrifft. Die Zahlen beziehen sich auf Fälle, in denen die Sequenzierung geklappt und die Varianten eindeutig zugewiesen werden konnten. Und es seien Anfangsdaten, bei denen sehr viele Eventualitäten aufeinander träfen, daher sollte man sie nicht überinterpretieren.

Was aber auffällig ist: Von den 47 Reinfektionen mit BA.2 nach BA.1 waren 89 Prozent ungeimpft. Ihr Körper hatte also vor BA.1 noch keinen Kontakt mit dem Coronavirus oder seinen Bestandteilen. 70 Prozent dieser Personen waren unter 20, meist also nicht komplett durchgeimpft mit drei Dosen. Keiner von diesen Fällen musste im Krankenhaus behandelt werden, alle hatten einen leichten Verlauf. Zusätzlich weist Drosten darauf hin, dass das Infektionsgeschehen in Dänemark um Weihnachten herum - damals war Omikron dort schon wesentlich verbreiteter als bei uns in Deutschland - ein ganz anderes war. Es gab kaum Beschränkungen, die jungen Leute hatten viele Kontakte. Das trieb die Infektionszahlen in die Höhe.

Katar-Studie: Hoher Schutz vor Reinfektion

Eine ähnliche Studie gibt es auch aus Katar. Dort wurde zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 geschaut, wie gut eine Infektion mit BA.1 vor Infektion mit BA.2 schützt und umgekehrt. Die Ergebnisse sind fast identisch, eine Infektion mit einer Untervariante schützt demzufolge gut vor einer Infektion mit der anderen. Dabei ist es egal, ob man zuerst BA.1 oder BA.2 hatte (95 Prozent Schutz gegenüber 90 Prozent Schutz). Zumindest konnten diese Zahlen für die ersten Wochen nach der ersten Infektion so erhoben werden. Eine erneute Infektion nach mehreren Monaten kann - wie bei anderen Varianten auch - mit einer nachlassenden Immunantwort allerdings nicht ausgeschlossen werden. Eine erneute Infektion würde nach Ansicht von Christian Drosten aber viel milder und kürzer ausfallen.

Geringe Sequenzierung von positiven Tests

Dass es solche Studien in Deutschland (noch) nicht gibt, liegt zum einen daran, dass uns die BA.2-Welle erst sehr viel später erreicht hat. Zum anderen aber auch daran, dass in Deutschland nicht so viel sequenziert wird wie beispielsweise in Dänemark oder Großbritannien. Anfang 2021 wurden gerade mal 0,7 Prozent der positiven Proben sequenziert. Deutschland war blind, als Alpha kam. Mittlerweile - ein Jahr später mit finanzieller Unterstützung und dem Ausbau der Labore - ist es noch immer weit weniger, als die Politik fordert - das wären zehn Prozent bei über 70.000 Neuinfektionen pro Tag. Tatsächlich sind es weniger als fünf Prozent, die sequenziert werden, aber wesentlich mehr als vor einem Jahr.

In den meisten Laboren werden variantenspezifische PCR-Tests gemacht: Bis vor einigen Wochen wurde damit auf bestimmte Marker der Virusmutationen getestet, um herauszufinden, ob eine Infektion mit beispielsweise Delta oder Omikron vorliegt. Das geht wesentlich schneller und ist günstiger als eine Genomsequenzierung. Da mittlerweile aber fast nur noch Omikron vorherrschend ist, weisen viele Labore die Variante gar nicht mehr gesondert aus, wie Jürgen Durner vom Labor Becker, wo täglich mehrere tausend Proben aus Südbayern ausgewertet werden, im BR-Gespräch erklärt. Auch, weil die Regierung finanziell nicht mehr dafür aufkommt.

Daher wird in den Ergebnissen an die Getesteten nur noch positiv oder negativ ausgewiesen. Die variantenspezifischen PCR-Tests zeigen zwar auch an, ob es sich um BA.1 und BA.2 handelt. Reinfektionen könnten in den Laboren von Durner allerdings nicht ausfindig gemacht werden, weil sie nicht einzelnen Personen zugeordnet werden und die PCR-Tests eines Infizierten nicht immer im gleichen Labor landen.

Erneute Infektion oder noch infiziert?

Hat man nach nur kurzer Zeit der Genesung erneut Symptome oder einen positiven Test, kann das aber auch eine ganz andere Ursache haben: Man hat sich gar nicht erneut infiziert. Der Test schlägt lediglich noch bei der ersten Infektion an. Das ist wenige Wochen nach der vermeintlichen Genesung gar nicht unüblich oder sonderlich überraschend, meint auch der Leiter des Fachbereichs Immunologie an der TU Dortmund, Carsten Watzl.

"Bei Infektionen, die innerhalb von weniger als drei Wochen nach der ersten Infektion auftreten, ist es wahrscheinlich, dass es sich noch um die alte Infektion handelt." Leiter des Fachbereichs Immunologie, Carsten Watzl, TU Dortmund

Unterschiedliche Ergebnisse: Schnelltest oder sensibler PCR-Test

Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Testarten. Während die Schnelltests gerade bei Omikron eher bei hoher Viruslast anspringen, können die sehr sensitiven PCR-Tests unter Umständen auch wochenlang noch positiv sein - obwohl der Schnelltest schon längst wieder negativ ist. Bei manchen Infizierten dauert es länger, bis jegliche Bestandteile des Virus nicht mehr PCR-nachweisbar sind. Das fällt auch manchen Infizierten beim Freitesten nach Infektion auf: Der offizielle Schnelltest ist negativ, der PCR-Test aber noch positiv.

Zwar gibt es auch unterschiedliche PCR-Tests von unterschiedlichen Herstellern, die teilweise sensitiver sind als andere - also auch noch viel später anschlagen - nach Meinung von Labor-Arzt Jürgen Dorner sind die Unterschiede aber marginal und alle funktionieren gleich gut und erkennen das Virus auch bei geringer Viruslast und filtern so klinisch relevante Fälle heraus. Dass ein PCR mal negativ ausfällt und ein späterer doch wieder positiv, könnte dann auch an der Qualität des Abstrichs liegen.

Um herauszufinden, ob in diesem Fall tatsächlich eine Reinfektion vorliegt oder die erste Infektion noch nicht ganz vorüber ist, müssten bei beiden Erkrankungen die Viren sequenziert werden - was aber eben nur selten passiert, wie auch Carsten Watzl bestätigt. Und auch Labor-Leiter Durner merkt an, dass in solchen Fällen oft die Viruslast länger andauert. Das könne man in Familien beobachten, in denen mehrere Mitglieder eine Infektion durchlaufen.

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