Das Wärmebild zeigt, wo das Horn beim Musizieren besonders beansprucht und entsprechend warm wird.
Bildrechte: Heribert Schindler / Fraunhofer-IFAM Dresden

Das Wärmebild zeigt, wo das Horn beim Musizieren besonders beansprucht und entsprechend warm wird.

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Musik trifft Forschung: Fotos zeigen, wie Instrumente heißlaufen

Wissenschaftler des Fraunhofer IFAM Dresden haben Instrumente der Berliner Philharmoniker nach dem Spielen mit einer Wärmebildkamera aufgenommen. Heraus kamen eindrucksvolle Bilder und überraschende Einsichten über die Intensität des Musizierens.

Dass André Schlott einmal mit Pauken und Trompeten vor seinen Messinstrumenten stehen würde, hätte der Leiter Geschäftsfeld Energie und Thermisches Management am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Dresden wohl eher nicht gedacht. Normalerweise beschäftigt sich der Wissenschaftler mit Technologien für die Energiewende in Deutschland, etwa damit, die thermischen Eigenschaften von Anlagen oder elektronischen Komponenten zu optimieren.

Anfrage aus der Welt der Musik

Umso überraschender kam die Anfrage der Berliner Philharmoniker, ob Ingenieur Schlott die Instrumente der Spitzenmusiker für das Bildkonzept der Saisonvorschau 2020/21 ablichten könnte – mit einer Wärmebildkamera:

"Natürlich war dieses Projekt für uns Neuland. Normalerweise untersuchen wir in unserem wärmetechnischen Labor die thermosphysikalischen Eigenschaften von Materialien." André Schlott, Fraunhofer-IFAM Dresden
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Das Thermogramm einer frisch gespielten Pauke.

Energie sichtbar machen

Die Idee der Bilderstrecke: die musikalische Energie der Berliner Philharmoniker zu visualisieren. Die Kraft, die sich zwischen den Musikern und ihren Instrumenten beim Musizieren entfaltet, sollte sichtbar werden.

"Die besondere Ästhetik der Wärmebildkamera soll eine neue Perspektive auf die Musik ermöglichen. Sie soll zeigen, wie die Energie beim Musizieren entsteht und wo sie sich besonders entfaltet." Natalie Schwarz, Leitung Marketing, Berliner Philharmoniker

Probeaufnahmen mit Infrarotstrahlung

Ob die Wärmebildkamera, die mittels Infrarotstrahlung die Oberflächentemperatur der Instrumente sichtbar macht, überhaupt bemerkenswerte Aufnahmen liefern würde – da war sich Forscher André Schlott anfangs durchaus nicht sicher. Nach einem ersten Treffen und Probeaufnahmen bei einem Gastspiel der Berliner Philharmoniker im Kulturpalast Dresden trafen sich Schlott und sein Wissenschaftler-Team, Philharmoniker-Fotograf Heribert Schindler und einige Orchestermusiker Anfang März in Berlin für das Wärmebild-Fotoshooting, mit – nicht nur in ästhetischer Hinsicht – erstaunlichen Ergebnissen.

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Geige und Bratsche - gerade erst nach dem Musizieren abgelegt.

Veränderung durch Druck und Luft

Die entstandenen Thermogramme spiegeln, welche Temperaturen an welchen Stellen der Instrumente entstehen. Temperaturveränderungen kommen dabei durch die Berührung des Instruments mit dem Körper (beispielsweise durch Auflegen einer Violine auf die Schulter), durch Druck (auf dem Griffbrett eines Cellos) oder die Atemluft eines Blechbläsers zustande.

Schnelles Blech, langsames Holz

Überrascht waren IFAM-Forscher André Schlott und sein Team davon, dass die Temperatur der Musikinstrumente sich beim Spielen um bis zu 10 Grad Kelvin veränderte. Trompete, Bratsche und Co. waren nach dem Spielen also um bis zu 10 Grad Celsius wärmer als zuvor. Je nach Material veränderte sich die Temperatur unterschiedlich stark: Blechblasinstrumente nahmen Wärme schneller auf, gaben sie aber auch rascher wieder ab. Holzblasinstrumente dagegen nahmen Wärme langsamer auf, hielten diese dafür aber länger.

"Das Mundstück einer Trompete erhitzte sich auf bis zu 30 Grad Celsius, das Griffbrett einer Violine nur auf bis zu 25 Grad Celsius im Verhältnis zur Raumtemperatur von 20 Grad Celsius. Je heller die orangen und gelben Farbtöne auf den Thermogrammen wiedergegeben sind, desto wärmer war das jeweilige Teil des Instruments im Augenblick der Aufnahme." André Schlott, Fraunhofer-IFAM Dresden
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Beanspruchter Kontrabass mit heiß gesessenem Stuhl

Kurzes Einspiel, große Wirkung

Auch die Orchestermusiker waren begeistert von der besonderen Ästhetik der entstandenen thermographischen Aufnahmen, die eine neue Perspektive auf die Musik ermöglicht.

"Es war wichtig, dass wir die Instrumente unmittelbar nach dem Musizieren fotografierten, denn sie kühlen sofort aus. Also haben wir gleich nach dem Einspielen der Musiker fotografiert. Viele waren perplex, was sich für faszinierende Bilder nach einer nur 15-minütigen Einspielphase ergeben haben." Natalie Schwarz, Leitung Marketing, Berliner Philharmoniker
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Heiß getrommelte Congas

Perspektive für die Forschung?

Die sogenannte Heat-Bilder-Serie soll im Laufe des Jahres als Saison-Bildkonzept der Berliner Philharmoniker auch auf Plakaten, in Anzeigen und Video-Clips für das Spitzenorchester aus der Hauptstadt werben. Und langfristig könnte sich vielleicht sogar eine Forschungskooperation zwischen Philharmonikern und dem Fraunhofer IFAM Dresden ergeben:

"Ein spannender Forschungsansatz wäre sicherlich zu untersuchen, wie sich Klangbilder einzelner Instrumente durch die Erwärmung verschieben." André Schlott, Fraunhofer-IFAM Dresden