Ein öffentliches Pissoir in Berlin.
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Urin als Bioenergie nutzen. Damit könnte man Toiletten beleuchten.

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Mit Urin Strom erzeugen

Mit einem Toilettengang sein Mobiltelefon aufladen, das wäre praktisch und gleichzeitig umweltschonend. Forscher haben eine Brennstoffzelle entwickelt, die mit Urin Energie freisetzt. Diese Technologie hat in ersten Praxistests funktioniert.

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Angefangen hat alles mit einem Roboter, der ohne Batterien oder Solarzellen funktionieren sollte. Mit Biomasse machten ihm englische Forscher dann Beine. Den Strom dafür erzeugten Mikroorganismen, die durch Stoffwechselprozesse Nährstoffe zersetzen und Energie erzeugen können. An diesem Verfahren wurde 17 Jahre im englischen Bristol geforscht. Anfangs nutzten Professor Ioannis Ieropoulos und sein Team Zucker als Energiequelle, dann probierten sie Urin aus und stellten fest, dass sie damit noch mehr Energie gewinnen konnten als mit Zucker.

Warum man mit Urin Energie erzeugen kann

Urin besteht zu 95 Prozent aus Wasser. In den restlichen 5 Prozent sind unter anderem Kohlenhydrate enthalten, von denen sich Bakterien ernähren und so einen Stoffwechselprozess anregen. Urin ist deshalb optimal als Stoff zur Energieerzeugung. Sein niedriger Säuregehalt sorgt dafür, dass sich Bakterien wohlfühlen und schnell vermehren. Urin hat zudem eine gute Leitfähigkeit, die die elektrische Ladung in einer Brennstoffzelle optimal transportiert.

Stromerzeugung mit einer mikrobiellen Brennstoffzelle

Die Stromerzeugung mit Urin findet in einem Keramikzylinder statt. Das ist die sogenannte "mikrobielle Brennstoffzelle". An den Außen- und Innenseiten sind jeweils unterschiedliche Elektroden befestigt. Der Zylinder wird in eine Flasche oder Box mit Urin gestellt. Damit sind die äußeren Elektroden dem Urin ausgesetzt.

Die Mikroorganismen im Urin zersetzen die Kohlenhydrate, wodurch positiv geladene Teilchen, die Protonen, sowie negativ geladene Teilchen, die Elektronen, entstehen. Über eine Verbindung zum Pluspol wandern die Elektronen in die Brennstoffzelle und es entsteht ein Überschuss an negativen Teilchen. Angezogen durch die negativen Teilchen bewegen sich die Protonen durch die Keramikwand des Zylinders ins Innere der Brennstoffzelle. Durch den Ausgleich wird Energie frei und Strom erzeugt.

Grafik zur mikrobiellen Brennstoffzelle aus der Sendung: Gut zu wissen
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Wie funktioniert eine mikrobielle Brennstoffzelle?

Pinkeln für die Toilettenbeleuchtung

Die Forscher testeten ihre Entwicklung mehrmals auf dem berühmten Glastonbury-Festival, einem der größten Musikfestivals Europas mit jährlich knapp 180.000 Besuchern. Ausgestattet mit 440 Brennstoffzellen bauten die Forscher ein Urinal, dessen Beleuchtung über die Zufuhr von Urin funktionierte.

Mit jedem Pinkeln wurde Strom erzeugt und niemand stand im Dunkeln. Immerhin scheiden wir Menschen bei jedem Toilettengang bis zu 200 Milliliter Urin aus. Mit genügend Besuchern kann man ausreichend Strom erzeugen, dass Toilettenhäuser umweltfreundlich beleuchtet sind.

Urin-Strom in Entwicklungsländern

Die Forscher bauten ihre Anlage aus und setzten sie auch in einer Mädchenschule in Nairobi ein. Ihre Toiletten waren bis dahin nachts nicht beleuchtet und die Mädchen hatten Angst, überfallen zu werden. Durch Licht werden zudem gefährliche Insekten und Reptilien verscheucht. So kann man diese Bioenergie auch in netzfernen Regionen einsetzen.

Beim Pinkeln das Handy aufladen?

Für eine flächendeckende Installation solcher autonomen Toiletten sind die Kosten für Material, Bau und Transport bislang noch zu teuer. Die Wissenschaftler arbeiten daran, eine Anlage für maximal 600 Euro zu entwickeln. Ihre Vision ist, dass ihre Technologie nicht nur auf Festivals und in Entwicklungsländern zum Einsatz kommt, sondern in jedem Haushalt. So könnte jeder umweltfreundlich selbst Strom mithilfe von Urin erzeugen. Für eine Handyladung reicht ein Toilettengang mit 200 Millilitern Urin.