Magnetospirillum
Bildrechte: M. Toro-Nahulepan/ J. Plitzko

Magnetospirillum gryphiswaldense in Teilung mit Magnetitkristallen (rot) und dem speziellen Cytoskelett (grün).

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Mikrobe des Jahres - Magnetospirillum wegweisend für die Medizin

Magnetospirillum ist ein magnetisches Bakterium, das Forscher für die Medizin nutzen wollen - zum Beispiel als Kontrastmittel oder in der Tumorbehandlung. Grund genug für den Titel "Mikrobe des Jahres 2019".

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Wer an einem Teich Lebewesen fischen will, kann es auch mal mit einem Magneten anstelle einer Angel versuchen. "Anbeißen" wird das Magnetospirillum gryphiswaldense, ein magnetisches Bakterium, das in Tümpeln und Meeren lebt. Sichtbar ist es allerdings nur mit dem Mikroskop. Damit kann man beobachten, wie sich die Magnetbakterien in einem Wassertropfen nach einem Stabmagneten ausrichten, je nachdem, wie dieser angelegt wird. Magnetospirillum wurde jetzt von der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM) zur Mikrobe des Jahres 2019 gewählt. Damit soll auf die bedeutsame Rolle der Mikroorganismen für die Ökologie, Gesundheit, Ernährung und Wirtschaft hingewiesen werden.

Magnetospirillum, das magnetische Bakterium

Magnetospirillum verdankt seinen Namen seinen magnetischen Eigenschaften und seiner gewundenen Gestalt. Der Namenszusatz “gryphiswaldense“ beruht darauf, dass bereits vor der Wiedervereinigung ein Labor der Universität Greifswald an Magnetospirillum geforscht hat. Das Bakterium eignet sich hervorragend für die Forschung, denn es ist im Labor kultivierbar und genetisch manipulierbar. So konnten grundlegende Erkenntnisse zur Biosynthese und Funktion der magnetischen Partikel gewonnen werden. Magnetospirillum gilt mittlerweile als Modellorganismus für die Bildung bakterieller Organellen.

Magnetische Bakterien eignen sich für die Medizin

Die Erforschung von Magnetospirillum eröffnet der Biotechnologie und Medizin zukunftsweisende Möglichkeiten. Die Bakterien haben eine einheitliche Größe, Form und hohe Magnetisierung, an die synthetische Nanopartikel nicht heranreichen. Diese Eigenschaften sollen genutzt werden: Fremde Moleküle können an die Magnetosomenpartikel gekoppelt werden, sodass sie für Medizin und Technik nutzbar sind.

Magnetospirillum als Kontrastmittel

So übersteigt die Wirksamkeit des Bakteriums in Laborversuchen deutlich die der herkömmlichen magnetischen Kontrastmittel. Damit werden sie für die Magnetresonanztomographie (MRT) oder Bildgebungsverfahren interessant.

Magnetische Bakterien zur Tumorbehandlung

Wenn man ein starkes Magnetfeld anlegt, erzeugen die Magnetosomen, also die magnetischen Partikel, in Zellen oder im Gewebe Wärme. Damit konnten in Tierversuchen Tumore verkleinert werden. Außerdem wird daran geforscht, Magnetbakterien als Mikroroboter einzusetzen, die mit Medikamenten beladen werden. Diese werden dann mithilfe magnetischer Steuerung an den Wirkungsort im Körper, etwa zu Tumoren, gebracht.

Die Entdeckung des Bakteriums

1963 entdeckte der Italiener Salvatore Bellini das magnetische Bakterium. Doch niemand wollte ihm so recht Glauben schenken. Erst der Amerikaner Richard Blakemore bestätigte zwölf Jahre später dessen Beobachtungen. Er konnte mithilfe eines Elektronenmikroskops in Schlammproben Mikroorganismen mit Ketten magnetischer Kristalle ausmachen, die sich wie eine Kompassnadel im magnetischen Feld ausrichteten.

Wie wird das Bakterium magnetisch?

Spezielle Enzyme transportieren Eisenionen aus der Umgebung in die Bakterienzelle. Es bilden sich Ketten aus Eisenoxid-Kristallen, die zusammen als Magnet wirken. Mit der Ausrichtung am Erdmagnetfeld können die Bakterien, die in tieferen sauerstoffarmen Sedimentschichten leben, so dem von oben nach unten verlaufenden Sauerstoff-Gefälle besonders leicht folgen, erklärt Magnetospirillum-Forscher Dirk Schüler von der Universität Bayreuth.

Der Magnetsinn der Tiere

Erkenntnisse zu Magnetospirillum helfen möglicherweise, den Magnetsinn von Zugvögeln, Lachsen oder Meeresschildkröten zu verstehen, die sich ebenfalls am Erdmagnetfeld orientieren. Denn der tierische Magnetfeldsensor ist immer noch unbekannt. Vielleicht spielen auch hier winzige Kristalle eines Eisenminerals eine Rolle - neben zusätzlichen, noch unerforschten Mechanismen.