In Europa hat die Zahl der Masernerkrankungen in diesem Jahr deutlich zugenommen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) registrierte in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits rund 90.000 Fälle. Damit hat sich die Zahl der Erkrankungen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 verdoppelt, teilte die WHO am Donnerstag in Genf mit: Im ersten Halbjahr 2018 waren es etwa 44.000 Fälle, im gesamten Jahr 2018 "nur" 84.500 Fälle.
Von Masern besonders betroffen: Ukraine, Kasachstan, Georgien, Russland
78 Prozent aller Masernfälle traten im ersten Halbjahr 2019 in der Ukraine, Kasachstan, Georgien und Russland auf. In Deutschland gab es nach Angaben des Robert-Koch-Instituts bis Ende Juli dieses Jahres mehr als 450 Masernfälle. Im gesamten Jahr 2018 waren es dagegen rund 540 Fälle, 2017 etwa 930.
In Europa haben vier Länder den Kampf gegen die Masern verloren
53 Länder zählt die WHO zur Europäischen Region. Seit der genauen Erfassung der Masernerkrankungen im Jahr 2012 haben aufgrund der Statistiken für das Jahr 2018 erstmals vier Länder wieder ihren Status als masernfrei verloren: Großbritannien, Griechenland, Tschechien und Albanien. Nur Österreich und die Schweiz haben den Status masernfrei auf der Datenbasis von 2018 neu erreicht, weil hier seit mindestens 36 Monaten keine Übertragung stattgefunden hat.
Nur 35 Länder gelten in Europa als masernfrei
Insgesamt galten damit Ende 2018 nur noch 35 Länder als masernfrei. In zwei Ländern gab es in den zwölf bis 35 Monaten zuvor keine Übertragung. In zwölf Ländern, darunter in Deutschland und Frankreich, waren Masern heimisch - und eben in vier Ländern wieder neu aufgetaucht.
"Die Rückkehr der Masern ist besorgniserregend." Günter Pfaff, Vorsitzender der Europäischen Verifizierungskommission für die Eliminierung von Masern und Röteln
Im ersten Halbjahr 2019 bereits 37 Masern-Todesfälle in Europa
Jahrelange Anstrengungen hätten die Masern fast ausgerottet. "Aber die Ausbrüche zeigen, dass noch mehr Mühe nötig ist", sagte Zsuzsanna Jakab, WHO-Regionaldirektorin für Europa. Zwar treten Masern in Wellen auf, doch laut WHO hat es eine solche Entwicklung seit dem genauen Beobachtungsbeginn 2012 nicht gegeben. Ohne eine verbreitet hohe Impfrate würden Kinder wie Erwachsene unnötig leiden und tragischerweise auch sterben. 74 tödliche Masernfälle wurden in Europa 2018 registriert, in der ersten Jahreshälfte 2019 waren es 37.
Video: Masern sind nicht zu unterschätzen. Wie die Krankheit verläuft, welche Nebenwirkungen sie haben kann und warum eine Impfung sinnvoll ist.
WHO macht geringen Impfschutz für Masern-Ausbreitung mitverantwortlich
Die WHO weist daraufhin, dass die Zahl der tatsächlichen Masernerkrankungen wesentlich höher sei als die Zahl der statistisch erfassten Fälle. Auch bei den Todesfällen werde eine wesentlich höhere Dunkelziffer vermutet. Die WHO macht einen geringen Impfschutz für die starke Ausbreitung der Masern mitverantwortlich. Auch das Vertrauen in die Impfung habe in vielen Ländern abgenommen. Die WHO spricht sich dafür aus, jede Gelegenheit zu nutzen, um Kindern die Routine-Impfung zu geben, Erwachsene über ihren Impfstatus aufzuklären und sie gegebenenfalls zu impfen.
Mit Masern kann man sich völlig unbemerkt anstecken
Masern sind eine Viruserkrankung. Tückisch daran ist, dass die Viren noch rund zwei Stunden aktiv bleiben, nachdem ein Infizierter sie durch Niesen oder Husten in seine Umgebung befördert hat. Anstecken kann man sich also auch dann, wenn sich gerade kein an Masern Erkrankter in der Nähe aufhält. Infizierte können das Masernvirus außerdem bereits rund vier Tage vor Ausbruch des typischen Hautausschlags übertragen.
An Masern erkranken Kinder, Jugendliche und Erwachsene
Masern sind keine reine Kinderkrankheit, auch Jugendliche und Erwachsene, die die Masern noch nicht hatten und nicht geimpft sind, können erkranken. Aktuell sind fast die Hälfte der Erkrankten in Deutschland junge Erwachsene.
Masern können zu weiteren schweren Erkrankungen führen
Bei Betroffenen kommt es zu Unwohlsein, Halsschmerzen, Schnupfen, Husten und hohem Fieber. Die charakteristischen rötlichen Flecken auf der Haut zeigen sich erst später. Weil Masern das Immunsystem angreifen, sind die Erkrankten dann auch anfälliger für andere Krankheiten. Bei ohnehin abwehrgeschwächten Menschen wie Säuglingen oder Senioren können lebensgefährliche Erkrankungen wie eine Lungenentzündung oder Hirnhautentzündung hinzukommen. Als seltene Komplikation kann noch viele Jahre nach der Erkrankung die sogenannte subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) auftreten. Durchschnittlich tritt sie sechs bis acht Jahre nach der Infektion auf. Sie beginnt mit psychischen und intellektuellen Veränderungen, führt zu neurologischen Störungen und Ausfällen und endet in jedem Fall tödlich.
Masernschutz umfasst zwei Impfungen
Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut empfiehlt die erste kombinierte Masern- und Rötelnimpfung im Alter von elf bis 14 Monaten, die zweite im zweiten Lebensjahr. Es ist das erklärte Ziel der WHO, die Masern weltweit auszurotten. Dafür müsste aber die Impfquote bei mindestens 95 Prozent liegen, um Ausbrüche in der Gesamtgesellschaft zu verhindern. Erst ab diesem Wert gelten sämtliche, auch ungeimpfte Menschen als umfassend geschützt. Nach Daten des RKI waren 2017 bundesweit zwar 97,1 Prozent der Schulanfänger einmal gegen Masern geimpft. Bei der entscheidenden zweiten Impfung lag die Impfquote nur bei 92,8 Prozent. Auch zahlreiche Erwachsene in Deutschland haben Impflücken.
Masern sind auch weltweit auf dem Vormarsch
Bereits Mitte August meldete die WHO, dass sich die Masern weltweit rasant ausbreiten. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2019 sind in 182 Ländern rund 365.000 Fälle der hochansteckenden Krankheit erfasst worden. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2018 hat sich die Zahl der weltweit registrierten Fälle verdreifacht. Für die WHO sind die Zahlen besorgniserregend: Sie geht von einer riesigen Dunkelziffer aus und schätzt, dass weltweit weniger als jeder zehnte Masernfall überhaupt gemeldet wird.
Ab März 2020 könnte Masern-Impfpflicht gelten
In Deutschland hat das Bundeskabinett Mitte Juli 2019 einen Gesetzesentwurf für eine Masern-Impfpflicht auf den Weg gebracht. Ab 1. März 2020 müssten Eltern dann vor der Aufnahme ihrer Kinder in eine Kita oder Schule nachweisen, dass diese geimpft sind. Gleiches gilt auch für das dortige Personal. Der Bundestag muss dem Entwurf noch zustimmen.