Frau steht alleine an einem Steg und betrachtet den Sonnenuntergang
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Zu viel Einsamkeit kann krank machen.

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Macht Einsamkeit krank?

Wer alleine lebt und wenig Kontakt zu anderen Menschen hat, der fühlt sich meist einsam. Ist man deshalb anfälliger für psychische Erkrankungen? Eine Studie untersucht den Zusammenhang von Einsamkeit und dem Anstieg psychischer Erkrankungen.

Über dieses Thema berichtet: W wie Wissen am .

Sich einsam fühlen ist eine sehr subjektive Empfindung, denn es gibt Menschen, die leben gerne alleine und sind deshalb nicht einsam. Andere wiederum fühlen sich umgeben von vielen Menschen trotzdem einsam. Wie kann man also herausfinden, ob Einsamkeit wirklich anfälliger für psychische Erkrankungen macht? Forscher der französischen Universität Versailles Saint-Quentin-en-Yvelines wollten diesen möglichen Zusammenhang genauer betrachten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Mai 2019 im Fachblatt „PLOS ONE“. Der Mediziner Louis Jacob und sein Team nutzten dabei die Daten von 20.500 Menschen aus England, die in den Jahren 1993, 2000 und 2007 an einer Befragung teilnahmen. Die Teilnehmer im Alter von 16 bis 64 Jahren wurden zu ihrer psychischen Gesundheit befragt und ob sie sich einsam fühlen. Im Zeitraum der Untersuchungen stieg die Zahl der Einpersonenhaushalte von 8,8 auf 10,7 Prozent. Gleichzeitig erhöhten sich bei den Befragten die psychischen Erkrankungen. Bei ihren Auswertungen stellten die Forscher fest, dass Alleinlebende 1,5- bis 2,5-mal häufiger an einer psychischen Erkrankung leiden, als Menschen mit stabilen Beziehungen.

Ist Einsamkeit messbar?

Statistisch gesehen ergibt sich also ein Zusammenhang zwischen dem Alleineleben und der Zunahme von Depression, Angst- oder Zwangsstörungen. Aber es ist schwierig zu unterscheiden, ob Einsamkeit Wirkung oder Ursache einer psychischen Erkrankung ist. Führt die Einsamkeit zu einer Depression oder wird man einsam, wenn man an einer psychischen Erkrankung leidet? Das ist wissenschaftlich nicht eindeutig feststellbar.

Einsamkeitsgefühle sind nicht altersabhängig

In der Studie wurden alle Altersgruppen berücksichtigt. Unter Einsamkeit leidet schließlich nicht nur die ältere Generation, weil der Lebenspartner zum Beispiel verstorben ist. Junge Menschen können sich ebenso einsam fühlen, betont auch die Psychologin Maike Luhmann von der Ruhr-Uni Bochum. In ihren Studien hat sie festgestellt, dass 14,8 Prozent der jüngeren Erwachsenen im Alter von 26 bis 35 Jahren Probleme mit der Einsamkeit haben. Eine Langzeitstudie des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutsch­land (KiGGS) bestätigt sogar, dass bereits 11- bis 17-Jährige unter Einsamkeit leiden. 27,6 Prozent äußerten, dass sie sich selten oder manchmal einsam fühlen, Mädchen häufiger als Jungen.

Einsamkeit mitten in der Großstadt

Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2016 in Deutschland 41 Prozent Einpersonenhaushalte, deutlich mehr als im Vergleich zum EU Durchschnitt von 33 Prozent. Werden wir in Deutschland deshalb immer einsamer? Langzeitstudien des Deutschen Zentrums für Altersfragen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass die "Einsamkeitsrate" seit Mitte der 1990er-Jahren stabil ist. Hohe Lebenserwartungen, sinkende Geburten- und Heiratsraten führen dazu, dass immer mehr Menschen alleine leben. Doch viele wählen bewusst diese Lebensform. Allerdings leben in Großstädten immer mehr Menschen mit psychischen Erkrankungen, beobachtet auch Arno Deister, Chefarzt des Zentrums für Psychosoziale Medizin des Klinikums Itzehoe. Für den Psychiater ist die subjektive Empfindung von Einsamkeit ausschlaggebend: „Wenn man sich einsam fühlt, dann ist das Risiko einer psychischen Erkrankung höher.“

Sensibilisieren für ein soziales Miteinander

Es gibt Strategien zur Bekämpfung und Prävention von Einsamkeit wie innovative Wohnkonzepte oder Mehrgenerationenhäuser. Jürgen Margraf, Professor an der Universität Bonn betont, dass stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen der beste Schutz für die psychische und körperliche Gesundheit sind. Dass sich Einsamkeit auf die psychische Gesundheit auswirkt, ist für den Psychologen Margraf bereits hinlänglich erforscht. Er weist darauf hin, wie wichtig es ist, dass Menschen auch außerhalb der sozialen Medien miteinander ins Gespräch kommen. Deshalb fordert er, dass Räume der Begegnung ein fester Bestandteil in Unternehmen sein sollten. Außerdem ist es für ihn sehr notwendig, dass Menschen mehr darauf sensibilisiert werden aufeinander zu achten. Dieses soziale Miteinander kann und soll bereits in der Schule gelernt werden. Mit diesen unterschiedlichen Schritten könnte man psychischen Problemen besser entgegenwirken und Einsamkeit vorbeugen. Dann wäre in Deutschland auch keine Ministerin für Einsamkeit notwendig, wie sie in Großbritannien 2018 eingeführt wurde.

Einsamkeit gilt vielen Wissenschaftlern inzwischen als Massenphänomen unserer Gesellschaft und als unerkannte Krankheit.
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Einsamkeit gilt vielen Wissenschaftlern inzwischen als Massenphänomen unserer Gesellschaft und als unerkannte Krankheit.