In Hessen haben unter besonderen Corona-Sicherheitsmaßnahmen die schriftlichen Abiturprüfungen begonnen. Regelunterricht findet nicht statt.
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In Hessen haben unter besonderen Corona-Sicherheitsmaßnahmen die schriftlichen Abiturprüfungen begonnen. Regelunterricht findet nicht statt.

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Kultusminister nach "Abi-Streit" einig: Prüfungen finden statt

Die Abiturprüfungen 2020 finden statt. Darauf hat sich die Kultusministerkonferenz geeinigt. Im Vorfeld hatte ein Streit zwischen den Ländern über Durchführung oder Absage der Reifeprüfung zu Unsicherheit bei Schülern und Lehrkräften geführt.

Bildung ist Ländersache und damit auch alle Entscheidungen rund ums Abitur. Dass die Reifeprüfung und andere Schulabschlüsse auch in der Corona-Krise bundesweit gegenseitig anerkannt werden, hatten sich die Länder in der Kultusministerkonferenz (KMK) angesichts der Krise erst kürzlich zugesichert.

Streit ums Abi 2020

Doch nun gab es Streit um die Abiturprüfungen 2020. Denn die Länder verfolgen unterschiedliche Strategien bei der Durchführung der Tests. Während Hessen und Rheinland-Pfalz bereits seit vergangenem Donnerstag Abiturprüfungen schreiben lassen, haben Bayern und Baden-Württemberg die Prüfungen zunächst auf nach Ostern oder in den Mai verschoben.

Telefonkonferenz der Kultusminister bringt Klarheit

In einer Telefonkonferenz einigten sich die Kultusminister jetzt auf ein einheitliches Vorgehen bei den Abiturprüfungen 2020. Demnach finden die schriftlichen Abiturprüfungen zum geplanten bzw. zu einem Nachholtermin bis Ende des Schuljahres statt - soweit dies aus Infektionsschutzgründen zulässig ist. Die Schüler müssten dabei ausreichend Zeit zur Vorbereitung erhalten. Prüfungen könnten dabei auch in geschlossenen Schulen stattfinden, sofern es keine entgegenstehenden Landesregelungen gibt.

Zentraler Aufgabenpool nicht mehr Pflicht

Eine Erleichterung wird einzelnen Ländern zugestanden: Auf zentrale Elemente des gemeinsamen Abitur-Aufgabenpools dürfe verzichtet und diese durch dezentrale Elemente ersetzt werden. Zugleich lassen sich die Kultusminister angesichts der Unwägbarkeiten in der Corona-Krise noch eine Hintertür offen: Zum heutigen Zeitpunkt wird festgestellt, dass eine Absage der Prüfungen nicht notwendig ist. Jedoch: Die Länder stimmen sich eng in der KMK über das weitere Vorgehen ab.

Kultusminister Piazolo begrüßt Entscheidung der KMK

Diese Flexibilität im Hinblick auf weitere Entwicklungen in der Corona-Krise betonte auch der bayerische Kultusminister Piazolo. Für den Fall, dass der Abitur-Fahrplan in Bayern aufgrund aktuell noch nicht absehbarer Entwicklungen nicht eingehalten werden könne, gäbe es verschiedene Alternativen. Diese müsse man abhängig von der weiteren Entwicklung sehr sorgfältig prüfen.

Grundsätzlich begrüßte der bayerische Kultusminister aber das gemeinsame Vorgehen der Kultusminister nach dem vorangegangenen Streit.

"Ich bin sehr froh, dass alle 16 Kultusminister sich heute auf das gemeinsame Ziel verständigt haben, dass die Abiturprüfungen in diesem Schuljahr stattfinden. Wir wollen, dass die Schülerinnen und Schüler ihre Abschlüsse unter fairen Bedingungen erwerben können." Bayerischer Kultusminister Piazolo am 25. März 2020

Schleswig-Holstein wollte Abi-Prüfungen ausfallen lassen

Für Unmut und zum Teil offenen Widerspruch der anderen Bundesländer hatte am Dienstag die Schleswig-Holsteinische Kultusministerin Karin Prien (CDU) gesorgt. Sie hatte sich für ein "Anerkennungsabitur" ohne Abschlussprüfungen ausgesprochen. Die Schüler im Norden sollten demnach zum Ende des Schuljahres Abschlusszeugnisse auf Basis bisheriger Noten erhalten.

"Ich werde daher in der Kultusministerkonferenz vorschlagen, dass wir keine Abiturprüfungen mehr abnehmen, sondern das Abitur und seine Note anhand der bisher erbrachten Leistungen bewerten" Kultusministerin Karin Prien, Schleswig-Holstein, am 24. März 2020

Kritik aus anderen Ländern

Angesichts der geplanten Absage der Abiturprüfungen in Schleswig-Holstein kam aus Sachsen und Sachsen-Anhalt scharfe Kritik:

"Ich bin irritiert, dass hier ohne eine Abstimmung in der Kultusministerkonferenz Alleingänge unternommen werden. Wir werden weiterhin den Schulterschluss mit anderen Ländern suchen." Marco Tullner, Bildungsminister des Landes Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt hatte angekündigt, aufgrund der Corona-Krise seine Abitur-Prüfungstermine zu verschieben. Laut Bildungsministerium wird das Land jedem Schüler zwei Termine pro schriftlicher Prüfungen anbieten. So könnten Schüler sich einen Termin auswählen.

Auch der sächsische Kultusminister Christian Piwarz (CDU) kritisierte den Vorstoß seiner Amtskollegin aus Schleswig-Holstein:

"Wer ohne Abstimmung mit den anderen Bundesländern vorprescht, gräbt dem Bildungsföderalismus ein Grab und macht die Kultusministerkonferenz überflüssig." Christian Piwarz, Kultusminister des Landes Sachsen

Zustimmung aus Hamburg

Hamburg wollte hingegen seine Haltung in der Abitur-Frage neu überdenken. Durch die überraschende Ankündigung sei eine neue Lage entstanden, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Hamburg und das nordrhein-westfälische Schulministerium betonten, man setze auf ein gemeinsames Vorgehen und führe enge Abstimmungen mit den anderen Ländern.

Eltern wollen einheitliche Lösung

Der Bundeselternrat forderte unterdessen eine einheitliche Lösung der Bundesländer.

"Wir Eltern appellieren dringend an die Kultusminister: Einigt euch untereinander, damit in diesem Jahr trotz Corona das Abitur in den unterschiedlichen Bundesländern einigermaßen vergleichbar ist" Stephan Wassmuth, Vorsitzender des Bundeselternrats

Unterschiedliche Haltung der Lehrerverbände

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hielt hingegen ein "Anerkennungsabitur" für denkbar.

"Entscheidend ist, dass die Schülerinnen und Schüler keine Nachteile haben und die Schulzeit nicht verlängert wird. Ein sogenanntes Notabitur ist dabei eine Lösung" GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann

Der Deutsche Lehrerverband (DL) will die Abiturprüfungen in Zeiten von Corona hingegen nicht ausfallen lassen. DL-Präsident Heinz-Peter Meidinger forderte die Länder auf, alles zu tun, damit die Abiturprüfungen stattfinden. Ein Ausfallen der Prüfungen würde neue Probleme schaffen:

"Wenn jedes Bundesland eine eigene Lösung macht – einer schreibt‘s, der andere nicht - dann bekommen wir Wettbewerbs- und Nachteilsregelungen, die zu mehr Ungerechtigkeit führen. Das Abi entscheidet, ob ich einen bestimmten Studiengang antreten kann mit NC oder nicht. Wenn es da einen Flickenteppich gibt in Deutschland, werden wir auch große Klagewellen haben und sehen, dass einzelne Länder benachteiligt werden."

Bei einem Ausfallen der Abiprüfungen und dem Errechnen eines Notendurchschnitts der bisher abgelegten Prüfungen würden Schüler benachteiligt werden, die sich auf die Abiprüfungen vorbereitet haben, so Meidinger.

Streit ums Abi 2020
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Streit ums Abi 2020

Bei Prüfungs-Absage „bester Abi-Jahrgang seit langem“

Auch der Kieler Bildungsforscher Olaf Köller kritisierte die Abitur-Absage in Schleswig-Holstein. Bei einer Absage der Abiturprüfungen erwarte er einen „Jahrgang mit dem besten Abi-Schnitt seit Langem“. Man könne dann lediglich die Leistungen aus den letzten vier Halbjahren der Oberstufe zum Maßstab nehmen. Diese Vornoten fielen in der Regel aber besser aus als die Noten in der Abiturprüfung selbst. Köller plädierte dafür, digitale Medien für die Abiturprüfungen zu nutzen. So sei es durchaus möglich, mündliche Onlineprüfungen durchzuführen.

„Wir haben in den vergangenen Jahren viel über die digitale Schule geredet, aber wenig dafür getan. Das rächt sich nun. Was mich allerdings mehr schockiert, ist die Fantasie- und Mutlosigkeit. Die Politik kapituliert vor der fraglos schwierigen Situation, ohne nach konstruktiven Lösungen zu suchen.“ Bildungsforscher Olaf Köller, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, Kiel

Laufendes Schuljahr wird nicht wiederholt

Bereits zuvor hatte die KMK-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig eine Wiederholung des laufenden Schuljahrs ausgeschlossen. Das Schuljahr 2019/2020 werde auf jeden Fall gewertet. Für den Fall, dass die Abschlussprüfungen nicht möglich sein sollten, werde es eine entsprechende Regelung zur wechselseitigen Anerkennung geben.

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