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Impfmüdigkeit nimmt zu

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Kinderkrankheiten: Warum der Impfschutz nachlässt

Das WHO-Motto zur Europäischen Impfwoche lautet: "Vorbeugen. Schützen. Impfen". Ziel ist es, bewusst zu machen, wie wichtig der Impfschutz ist. Denn auch bei jungen Erwachsenen sind Kinderkrankheiten wieder auf dem Vormarsch.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Die meisten Impfungen müssen im Laufe des Lebens immer wieder aufgefrischt werden, damit der Impfschutz noch greift. Tetanus, Diphterie und Keuchhusten brauchen mit fünf Jahren bzw. neun bis 14 Jahren eine solche Auffrischungsimpfung. Auch gegen Kinderlähmung müssen sich Teenager nochmal piksen lassen. Erwachsene brauchen alle zehn Jahre eine Auffrischung. Daran denken viele nicht.

Impfmüdigkeit betrifft vor allem Jugendliche

In den letzten Jahren häufen sich gerade an US-Universitäten Ausbrüche vermeintlicher Kinderkrankheiten. An der Harvard Universität in Boston sind Studenten an Mumps erkrankt. Erstaunlicherweise waren nicht nur diejenigen betroffen, die nicht vorgesorgt hatten, sondern auch die Geimpften. Der Epidemiologe Joseph Lewnard und seine Harvard-Kollegen sammelten und untersuchten die Daten aus mehreren Studien, um dem Rätsel auf den Grund zu gehen.

Mumps-Impfschutz viel kürzer als gedacht

Die US-Forscher fanden heraus, dass der Mumps-Impfschutz über die Jahre nachlässt und zwar viel schneller als vermutet. Das Wiederaufflammen von Mumps wird vorrangig bei jungen Erwachsen beobachtet, die als Kinder geimpft wurden. Dagegen bleiben bei Älteren Ausbrüche weiterhin selten, weil viele noch eine natürliche Infektion durchgemacht haben und deshalb geschützt sind.

"Wir schätzen, dass ungefähr die Hälfte der geimpften Personen den Schutz innerhalb der ersten 19 Jahre verliert und ein Viertel den Schutz sogar schon innerhalb von acht Jahren verliert." Joseph Lewnard, Epidemiologe an der Harvard University in Boston

Mumps wird nur bei Kleinkindern geimpft

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt bei Mumps nur zwei Grundimpfungen im Kleinkindalter. Bisher werden von Experten keine späteren Auffrischungen empfohlen, was aber bei anderen Kinderkrankheiten durchaus der Fall ist.

"Mumps ist eine Viruserkrankung, die durch eine Entzündung der Ohrspeicheldrüsen gekennzeichnet ist. Bei Kleinkindern verläuft die Erkrankung oft milde. Aber bei Erwachsenen kann es in einigen Fällen zu einer Entzündung des Hirngewebes kommen. Bei Männern besteht zusätzlich die Gefahr, dass es zu einer Hodenentzündung kommt, die dann in manchen Fällen bis hin zur Zeugungsunfähigkeit führen kann." Marianne Röbl-Mathieu, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO)

Keuchhusten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Vormarsch

Bei Keuchhusten empfiehlt die STIKO vier Impfungen im Kleinkindalter und später Auffrischungen. Bei der Analyse der Keuchhustenfälle ist ein US-Forscherteam zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Mumps gekommen: Auch der Schutz gegen Keuchhusten lässt schneller nach als vermutet. In den USA und auch in Deutschland häufen sich die Keuchhustenausbrüche - speziell bei Jugendlichen und Erwachsenen, die nur in der Kindheit geimpft wurden.

"Ein Husten ist vielleicht für Erwachsene nicht so furchtbar belastend. Trotzdem gibt es auch da in einem Viertel der Fälle Lungenentzündungen - im Einzelfall können durch die Hustenanfälle sogar Rippen brechen. Viel gravierender ist, dass hustende Erwachsene geschwächte Personen in ihrem Umfeld anstecken können. Säuglinge sind dadurch stark gefährdet. In Deutschland hatten wir im Jahr 2016 drei Todesfälle bei Babys durch Keuchhusten." Marianne Röbl-Mathieu, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO)

Erwachsene mit Keuchhusten können Babys anstecken

Neugeborene können noch nicht gegen Keuchhusten geimpft werden und sind deshalb besonders gefährdet. Aber auch bei chronisch kranken Menschen kann ein Impfschutz manchmal gar nicht oder nur teilweise aufgebaut werden. Erwachsene sollten ihren Impfschutz immer wieder vom Hausarzt prüfen lassen.

"Es ist wichtig, den Impfempfehlungen zu folgen. Außerdem sollten wir herausfinden, ob es sinnvoll wäre, im jungen Erwachsenenalter noch einmal zu impfen. Denn viele bewegen sich in Umgebungen wie einer Universität, wo das Ansteckungsrisiko hoch ist, weil man in engem Kontakt zueinander steht." Joseph Lewnard, Epidemiologe an der Harvard University in Boston

Bei einigen Krankheiten wie Röteln oder Masern reichen die derzeitigen Impfempfehlungen der STIKO wohl aus. Folgestudien werden zeigen, ob bei Mumps und Keuchhusten nachgebessert werden muss. Generell gilt: Wer seinen Impfpass auch als Erwachsener pflegt, der schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere.