Frau sitzt im Herbst auf einem Hügel und lässt sich die Sonne ins Gesicht scheinen.
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Studien legen immer wieder nah, dass ein Vitamin-D-Mangel zu einem schweren Covid-19-Verlauf führen kann. Aber so einfach ist es nicht.

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Kann Vitamin D vor einer schweren Covid-19-Erkrankung schützen?

Immer wieder hört oder liest man, dass ein Mangel an Vitamin D einen schweren Covid-19-Verlauf begünstigen kann. Darauf weisen einige Studien hin. So leicht lässt sich der Zusammenhang aber nicht ziehen.

Bereits zu Beginn der weltweiten Corona-Pandemie tauchten diverse Links und Videos auf, die nahelegten, man sei durch einen Vitamin-D-Mangel leichter anfällig für das Coronavirus und es bestehe die Gefahr, einen schweren Verlauf durchzumachen. Damals konnte man das gar nicht beantworten. Denn wir kannten das Virus noch nicht gut genug, Studien fehlten. Erst nach und nach werden mehr und mehr Studien zu den verschiedensten Aspekten durchgeführt, durch die wir das Virus besser einschätzen können. Doch wie schaut es bei Vitamin D aus?

Vitamin D nicht allein durch Nahrung gedeckt

Vitamin D ist der Definition nach eigentlich gar kein richtiges Vitamin, eher die Vorstufe eines Hormons. Vitamine werden hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen. Das ist bei Vitamin D nur zu zehn bis zwanzig Prozent der Fall. Wenige Nahrungsmittel enthalten so viel Vitamin D, dass sie den Bedarf decken könnten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat eine Tabelle veröffentlicht, in der der Vitamin-D-Gehalt einiger gängiger Lebensmittel aufgelistet ist.

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Raus in die Sonne!

Daher wird der Vitamin-D-Speicher am besten über die Sonne aufgefüllt. Durch die UVB-Einstrahlung bilden Leber und Niere das lebenswichtige Vitamin. Im Sommer reicht dafür ein Spaziergang an der frischen Luft: fünf bis 25 Minuten täglich Gesicht, Arme, Beine und Hände der Sonne aussetzen. Das füllt die Speicher und lässt uns über die Wintermonate kommen. Denn das bisschen Sonne hat im Winter laut Allgemeinarzt Oliver Abbushi keine Auswirkungen auf den Vitamin-D-Spiegel, wie er im BR-Interview erzählt. Generell können Menschen mit heller Haut leichter Vitamin D bilden, da der hohe Melatonin-Gehalt in dunkler Haut die Bildung erschwert.

Vitamin-D-Mangel vor allem bei Älteren

Bei älteren Menschen kann es schneller zu einem Vitamin-D-Mangel kommen, da die Bildung von Vitamin D im Alter extrem nachlässt. Zusätzlich kann die Bildung bei Menschen beeinträchtigt sein, die nicht regelmäßig in die Sonne gehen. Das gilt besonders für mobilitätseingeschränkte, chronisch kranke und pflegebedürftige Menschen - oft sind das ältere Personen. Dann können Präparate helfen, Nahrungsergänzungsmittel. Die Dosierung sollte aber unbedingt mit einem Arzt oder einer Ärztin abgesprochen werden.

Vorerkrankungen begünstigen schweren Covid-19-Verlauf

Genau das sind die Risikogruppen, die auch besonders anfällig für einen schweren Covid-19-Verlauf sind, da ihr Immunsystem sowieso schon geschwächt ist. Meistens haben sie bereits andere Vorerkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Krankheiten. Diese können einen schweren Covid-19-Verlauf begünstigen. So wissen Mediziner, dass kranke, ältere Menschen generell eher unter einem Vitamin-D-Mangel leiden. Der Vitamin-D-Spiegel kann also auch ein Indikator dafür sein, wie gesund ein Mensch ist.

Studien weisen erhöhtes Sterberisiko aus

Im Sommer konnte man von einer indonesischen Studie mit 780 Patienten lesen, nach der die Sterblichkeitsrate von Covid-19 durch einen Vitamin-D-Mangel um das 10-Fache erhöht wäre. Es wurde von einem “dramatisch erhöhten Sterberisiko” geschrieben. Die Studie ist mittlerweile nicht mehr abrufbar. Ähnlich verhält es sich mit einer Studie von den Philippinen, bei der bei 212 untersuchten Patienten ein lebensbedrohlicher Verlauf von Covid-19 23 mal häufiger sei bei niedrigen Vitamin-D-Werten als bei solchen Patienten mit normalen Werten.

Keine Kausalität zwischen Vitamin-D-Mangel und Covid-19

Das Problem an den Studien ist, dass dabei eine Kausalität herangezogen wird, die nicht so einfach herzuleiten ist. Denn die Studien stellen nur fest, dass bei Patienten mit schweren Verläufen der Vitamin-D-Spiegel zeitgleich ziemlich niedrig war. Damit ist er aber nicht die Ursache. Ein direkter Zusammenhang liegt nicht vor. Wenig Vitamin D kann einfach nur bedeuten, dass andere Vorerkrankungen vorliegen, durch die der Spiegel gesenkt wurde, die wiederum einen schweren Verlauf von Covid-19 begünstigen können. Oder aber, dass ein von vornherein niedriger Vitamin-D-Spiegel überhaupt erst zu den anderen Vorerkrankungen geführt hat. Denn für ein funktionierendes Immunsystem ist Vitamin D durchaus wichtig.

Vitamin-D allein nicht verantwortlich

Zu diesem Ergebnis kam die Metastudie des Teams um Ernährungsmediziner Hans-Konrad Biesalski von der Universität Hohenheim, das 30 Studien ausgewertet hat, die sich mit der Thematik befassen. Ihr Fazit: Das Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf ist für Patienten mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel höher als für solche mit normalen Werten. Das liege aber auch daran, dass ein Vitamin-D-Mangel häufig mit anderen Vorerkrankungen einhergeht. All diese können gemeinsam zu einem schweren Covid-19-Verlauf führen. Eine spanische Studie stellt daher nur nüchtern fest, dass 80 Prozent der Covid-19-Patienten im Krankenhaus einen Vitamin-D-Mangel aufweisen. Das ist wiederum insofern nicht überraschend, als dass die meisten Covid-19-Patienten im Krankenhaus eher älter sind oder bereits Vorerkrankungen und damit oft einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel haben.

Beobachtungen bei anderen Krankheiten

Ähnliches weiß man bereits über andere Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Krebs. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wurden zwar Auffälligkeiten in Zusammenhang mit einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel beobachtet, aber auch hier konnte bisher kein kausaler Zusammenhang gefunden werden. Bewiesen ist dagegen, dass Vitamin-D-Mangel bei Kindern zu Rachitis, bei Erwachsenen zu Entkalkung der Knochen, in schlimmen Fällen zu Osteoporose, führen kann.

Vergleichende Studie steht noch aus

Je länger uns das Virus begleitet, umso mehr Studien werden durchgeführt. Um einen Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D-Spiegel und einem schweren Covid-19-Verlauf herzustellen, müsste eine Studie durchgeführt werden, die die Krankheitsverläufe unter Zugabe von Vitamin D vergleicht. Eine Gruppe der Patienten müsste Vitamin D verabreicht bekommen, die andere nur ein Placebo - als Kontrollgruppe.

Methodische Unsauberkeit

Das wurde in Spanien versucht, die Studie sorgte aber für kontroverse Diskussionen in der Fachwelt: Von 50 Covid-19-Patienten, die Vitamin D bekamen, landete nur einer auf der Intensivstation. In der Kontrollgruppe - ohne Vitamin D - waren es 50 Prozent. Klingt erstmal gut, Experten kritisieren aber, dass die Patientengruppen nicht gleich ausgewählt wurden. In der Kontrollgruppe befanden sich von Anfang an wesentlich mehr Menschen mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck. Erkrankungen, von denen man bereits weiß, dass sie einen schweren Verlauf von Corona nach sich ziehen können. Dass diese dann auf der Intensivstation landen, sei daher nicht verwunderlich. Den Umkehrschluss auf Vitamin D zu ziehen, lässt sich auf Grund der Studie aber nicht.

Vitamin-D nicht vorbeugend einnehmen

Daher gibt es bisher auch keine Empfehlung von Medizinern, Vitamin D als Medikament vorbeugend für einen schwachen Corona-Verlauf einzunehmen. Schaden wird es nicht, seinen Vitamin-D-Mangel (wenn er denn vorhanden ist) durch Präparate auszugleichen - ganz im Gegenteil. Vitamin D gehört zu einem gesunden und starken Immunsystem dazu, unser Körper braucht Vitamin D. Dass das Vitamin aber explizit vor einem schweren Verlauf von Covid-19 schützt, konnte bisher nicht bewiesen werden.

Vorsicht bei Überdosierung

Des Weiteren warnt das RKI vor einer Überdosierung von Vitamin D. Die kann zu einem erhöhten Kalziumspiegel führen, der Magenkrämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Herzrhythmusstörungen mit sich bringen kann. In schweren Fällen können sogar die Nieren geschädigt werden.

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