Litt angesichts seiner zahlreichen Liebschaften wohl eher nicht an Erektionsstörungen: der griechische Gott Zeus (römisch: Jupiter).
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Litt angesichts seiner zahlreichen Liebschaften wohl eher nicht an Erektionsstörungen: der griechische Gott Zeus (römisch: Jupiter).

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Kann Corona Erektionsstörungen verursachen?

Ein Münchner Urologe berichtet von mehr als 50 Männern, die nach einer Corona-Infektion impotent seien. Sind das Einzelfälle oder lässt sich eine Verbindung belegen? Und wenn ja, woran liegt das? Ein #Faktenfuchs.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Als im März 2020 klar wurde, dass Covid-19 auch die Blutgefäße im Körper angreift, begann der Münchner Urologe Axel-Jürg Potempa sich Sorgen zu machen. Denn Gefäßentzündungen können auch Erektionsstörungen verursachen.

  • Dieser Artikel stammt aus 2021. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Potempa vermutete, dass bald mehr Männer in seine Praxis kommen würden, die nach einer Corona-Infektion Probleme mit der Potenz hatten. Und er sollte Recht behalten. Bis heute hat er über 50 Patienten behandelt, "die sechs Monate nach abgelaufener Corona-Erkrankung eine signifikante Erektionsstörung entwickelten", sagt Potempa dem BR24 #Faktenfuchs.

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Ein Twitter-User schildert ein Gespräch mit einem Freund, der seit einer Infektion an Impotenz leidet.

Auf Twitter finden sich ähnliche Erfahrungen. Ein Nutzer schildert ein Gespräch mit einem Bekannten:

"Ein Freund hatte im Frühjahr Corona. Ich habe ihn nach ein paar Wochen gefragt wie es ihm gehen würde? 'Fitness 90 Prozent und Männersachen' war seine Antwort. Die 'Männersachen' stellten sich auf Nachfrage als Potenzprobleme heraus, die er bis dato nicht kannte.“ (Twitter-User)

Bisher sind das nur Beobachtungen. Doch lässt sich ein Zusammenhang mit der Corona-Infektion auch wissenschaftlich belegen?

Ein Zusammenhang mit Covid-19 ist bisher nicht belegt

Dass Covid-19 auch Potenzprobleme verursacht, ist zwar wissenschaftlich durchaus plausibel – sicher belegt, ist es bislang aber nicht. Christoph Spinner, Infektiologe und Pandemiebeauftragter des Klinikums Rechts der Isar in München, sagt dazu: "Ob Erektionsstörungen im Zusammenhang mit Covid-19 wirklich robust belegbar sind, ich glaube, dafür ist es heute noch zu früh."

Um einen Zusammenhang zu belegen, müsste man zunächst mit geeigneten wissenschaftlichen Mitteln herausfinden, "ob es sich dabei um ein Auftreten von Beschwerden handelt, die auch ohne Covid-19 beobachtbar wären". Zudem müssten Forscher zeigen, dass die Beschwerden nicht nur im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gehäuft auftreten ("Korrelation"), sondern dass die Erektionsstörungen auch durch die Infektion verursacht werden ("Kausalität").

Eben diesen Beweis zu erbringen, sei aber schwierig, sagt Severin Rodler, Urologe am Klinikum der Universität München. Denn Patienten im Krankenhaus oder auf der Intensivstation seien oft zu krank, um an solchen Studien teilzunehmen. Zumal es für "stark gestresste Patienten, die auf einer Intensivstation sind und mit Steroiden behandelt werden" oft kaum möglich sei, eine Erektion zu bekommen.

Studien an Menschen, die eine Corona-Infektion bereits überstanden haben, seien zwar grundsätzlich denkbar. Hierbei konzentrierten sich Forscher aber meist auf die Funktionsfähigkeit der Lunge als hauptsächlich betroffenes Organ einer Corona-Erkrankung. All das führe dazu, "dass es keine gut publizierte Studie gibt, die zeigen würde, dass es einen signifikanten Anstieg an erektilen Dysfunktionsraten nach Covid-19 gibt", so Rodler.

Sehen Urologen in der Praxis ein verzerrtes Bild?

Und er vermutet: Urologen, die von solchen Häufungen berichten, sähen womöglich nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit - nämlich Männer, die einen eher schweren Verlauf hatten. Schließlich falle die Infektion bei symptomlosen Verläufen oft überhaupt nicht auf.

"Man hat dann eine gewisse Verzerrung, weil man Patienten untersucht, die ohnehin kränker sind und bei denen man natürlich - in der Theorie zumindest - eine erhöhte Rate an Erektionsstörungen finden wird." Severin Rodler, Urologe am Klinikum der Universität München

Dem widerspricht sein Kollege Axel-Jürg Potempa. Er sagt: Mehrere der über 50 Männer, die er in seiner Praxis wegen Erektionsstörungen behandelt habe, seien zwar positiv getestet worden – hätten aber gar keine Symptome gezeigt: "Es kristallisiert sich leider immer deutlicher heraus, dass ein milder Verlauf noch keine Garantie dafür ist, von Langzeitfolgen verschont zu bleiben."

Mehrere Erklärungen sind möglich

Auch wenn sich der Zusammenhang bisher noch nicht beweisen lässt - Experten halten die These für plausibel. Es gebe "sehr, sehr gute Gründe, warum das der Fall sein könnte", sagt Rodler. Denn "erektile Dysfunktionen" - wie Erektionsstörungen medizinisch korrekt heißen - würden häufig durch eine Gefäßschädigung entstehen, etwa durch Bluthochdruck oder Diabetes mellitus. "Und genau diese Gefäßschädigung gibt es eben bei Covid-19 auch", so Rodler.

Denn das Coronavirus greife die Gefäße und damit auch die Schwellkörper im Penis an. Wenn die Gefäße sich entzünden, schwellen sie an und werden starrer. Dadurch werde der Blutfluss behindert. Mögliche Folge: eine erektile Dysfunktion.

Doch auch andere Erklärungen seien möglich, betont Rodler. Viele Long-Covid-Patienten klagen etwa über psychische Belastungen. Und die sind wiederum einer der häufigsten Auslöser für Erektionsstörungen.

Axel-Jürg Potempa hat noch eine andere Vermutung: "Da sehr viele Patienten auch durch einen Testosteronmangel auffallen, gehe ich inzwischen von einer zusätzlichen Zellschädigung im Hoden - also dem Bildungsort des männlichen Testosterons - aus." Auch erste Studien deuten darauf hin, dass das Coronavirus Hodenzellen angreift. Und ausreichend Testosteron ist wichtig, um eine Erektion bekommen zu können.

Impfung führt nicht zu Erektionsstörungen

In sozialen Medien und einigen Telegramgruppen verbreitet sich derweil übrigens eine ganz andere Befürchtung: Nämlich, dass nicht die Corona-Infektion, sondern die Schutzimpfung Erektionsstörungen auslösen könnte.

Hier sei die Wissenschaft allerdings eindeutig, sagt Rodler: "Dazu gibt es wahrscheinlich die beste Evidenz, nämlich, dass es nicht so ist." Die Impfung würde weder "zu Veränderungen an den Spermien führen noch zu einer Veränderung der Erektionsfähigkeit."

Als Beleg zitiert Rodler zwei Studien: Den jüngsten Sicherheitsbericht der obersten deutschen Impfstoffbehörde, des Paul Ehrlich Instituts (PEI). Darin berichtet das PEI über alle seit Beginn der Impfkampagne gemeldeten "Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Impfkomplikationen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung". Es sind mehr als 100.00 Meldungen insgesamt.

Und die Zulassungsstudie für den Biontech-Impfstoff, an der mehr als 43.000 Probanden teilgenommen haben. In beiden tauchen Erektionsstörungen als Nebenwirkung nicht auf. "Erektile Dysfunktion ist damit in keiner relevanten Studie gezeigt worden", so Rodler.

Fazit: In Medienberichten und in den sozialen Medien liest man immer wieder, dass einige Männer nach einer Corona-Infektion von Erektionsstörungen berichten. Ein Zusammenhang ist bisher nicht sicher belegt. Urologen halten eine solche Folge aber für durchaus plausibel. Denn das Sars-CoV-2-Virus kann Gefäßentzündungen verursachen. Entzündete Gefäße schwellen an und werden starrer - der Blutfluss wird behindert. Und die Blutgefäße im Penis – in den sogenannten "Schwellkörpern" – sind entscheidend für eine stabile Erektion.

Zudem kann das Coronavirus auch Hodenzellen schädigen, die für die Testosteronproduktion zuständig sind und - im Fall von Long Covid - psychische Leiden wie Depressionen und chronische Erschöpfung auslösen. Psychische Beschwerden und ein niedriger Testosteronspiegel sind wiederum ein häufiger Auslöser für Erektionsstörungen.

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