Schüler sollen die Handschrift gründlich erlernen, sagen Didaktiker. Die bewusste Bewegung des Stifts fördere Kreativität und Konzentration.
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Schüler sollen die Handschrift gründlich erlernen, sagen Didaktiker. Die bewusste Bewegung des Stifts fördere Kreativität und Konzentration.

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Tag der Handschrift: Schreiben vs. Tippen

Tippen, chatten, posten: Von der Kulturtechnik des Handschreibens scheint im Zeitalter von Tablet und Textnachrichten nicht mehr viel übrig zu sein. Dabei ist die Frage "Schreiben oder Tippen?" vielleicht gar nicht die entscheidende.

Richtig mit der Hand zu schreiben, das lernen Kinder in der Grundschule: Bis zum Ende der vierten Klasse sollen ABC-Schützen eine lesbare und flüssige Handschrift entwickeln. So geben es die aktuellen Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz vor.

Doch die Realität an vielen Schulen sieht auch am 23. Januar, dem Internationalen Tag der Handschrift, anders aus. In der bundesweiten Studie "STEP 2019", im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), klagen drei Viertel der befragten Lehrkräfte über das mangelhafte Schriftbild ihrer Schüler. Mehr als ein Drittel der Grundschüler hätten demnach Probleme, eine gut lesbare, flüssige Handschrift zu entwickeln. Fast zwei Drittel der Jugendlichen in höheren Klassen könnten nicht länger als 30 Minuten beschwerdefrei schreiben. Zugleich fehlten die Kapazitäten, das Handschreiben in der Schule besser zu fördern.

"Wie sollen wir den Kindern das Schreibenlernen beibringen, wenn den Lehrkräften schlicht die Zeit fehlt, sie individuell zu unterstützen? Wenn Kinder dann noch motorische Defizite aufweisen, weil sie auch zu Hause nicht die notwendige Unterstützung bekommen können, geraten wir an die Grenze des Machbaren." Udo Beckmann, Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE)

Beide Techniken fördern und fordern

Die große Mehrheit der Lehrkräfte nimmt an, dass das Schreiben mit der Hand mehr Vorteile für ihre Schüler mit sich bringt als das Tastaturschreiben. Wissenschaftlich ist das allerdings nicht bewiesen. Beide Techniken haben ihre Vorteile. Neurowissenschaftler wissen, dass Handgeschriebenes auf mehreren Ebenen im Gehirn gespeichert wird. Es gibt Hinweise darauf, dass das Schreiben mit der Hand zu besseren Gedächtnisleistungen führt und sich positiv auf die Entwicklung feinmotorischer und kognitiver Fähigkeiten auswirkt. Kein Wunder: Beim Handschreiben sind zwölf Hirnareale aktiv, mehr als 30 Muskeln und 17 Gelenke arbeiten zusammen. Per Hand verschriftlichter Inhalt wird durch das langsamere Handschreiben stärker durchdrungen, als wenn der gleiche Inhalt mit der Tastatur getippt wird.

Faktencheck "Handschrift in der Digitalisierten Welt"

Geht es hingegen um schnelles Notieren, sind geübte Maschinenschreiber im Vorteil. Insbesondere schwache Handschreiber können vom Tastaturschreiben profitieren, sagt Professor Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln. Laut des Faktenchecks "Handschrift in der Digitalisierten Welt" des Mercator-Instituts hätten Schüler in Untersuchungen, die Computer und Programme zur Textverarbeitung einsetzten, längere, sprachlich richtige und inhaltlich sinnvollere Texte verfasst.

"Auf Grundlage der bisherigen Forschungsergebnisse ergibt es keinen Sinn, das Handschreiben und Tastaturschreiben gegeneinander auszuspielen. Anstatt die Entweder-oder-Frage zu stellen, sollten Lehrkräfte besser beide Techniken fördern und fordern." Michael Becker-Mrotzek, Direktor des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache der Universität zu Köln

Schreiben lernen - analog und digital zugleich

Kein Wunder also, dass viele Didaktiker heute davon ausgehen, dass beides geschult werden muss, um Kinder für die Zukunft zu wappnen - Handschreiben ebenso wie das Schreiben in Digitalmedien. Der Meinung ist auch Julia Knop. Die Inhaberin des Lehrstuhls für Fachdidaktik Deutsch an der Universität des Saarlandes erforscht digitaler Lehr- und Lernprozesse im Deutschunterricht. Dabei untersucht die Wissenschaftlerin, wie Schreiben und Lesen vernetzt gefördert werden kann, analog und digital zugleich.

"Schreiben ist eine unserer Kulturtechniken, die immer eine große Rolle im Deutschunterricht spielen wird." Julia Knopf, Professorin für Fachdidaktik Deutsch, Universität des Saarlandes

Der Recht-Schreibstift - Traum vieler Schüler

Beim Schreiben lernen gehe es zunächst um die Entwicklung schreibmotorischer Kompetenzen, so die Wissenschaftlerin. Das Schwingen des Stifts, das Zeichnen von Bögen, Linien und Punkten muss immer wieder eingeübt werden. Im zweiten Schritt komme dann der Erwerb der richtigen Rechtschreibung und Interpunktion dazu.

Um Grundschulkindern diesen Lernprozess zu erleichtern, hat die Saarbrücker Professorin in einem Verbundprojekt mit dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen einen mit Sensoren ausgestatteter Stift entwickelt, der sowohl Schrift als auch Rechtschreibfehler erkennen kann. Kinder sollen mit diesem Schreibwerkzeug lernen, entspannt, leserlich und zugleich fehlerfrei zu schreiben: Während sie mit dem Stift auf Papier schreiben, wird die Handschrift in Echtzeit auf ein Tablet übertragen und von der Sensorik ausgewertet. Ein Stift als intelligentes Hilfsmittel im Kampf gegen Rechtschreibfehler – der Traum vieler Schüler könnte hier wahr werden.

Schreib-Ausstellung in Marbach

Letztlich ist das Erlernen der Handschrift für alle Kinder zunächst aber ein Mühen, selbst für jene, die später einmal großen Autoren werden. Das zeigt die Ausstellung "Hands on! Schreiben lernen, Poesie machen", die noch bis 1. März 2020 im Deutschen Literaturarchiv Marbach zu sehen ist. Im Mittelpunkt der Schau stehen die kleinen Anfänge großer Autoren: Schreibübungen, Schulhefte, erste Gedichte, Briefe vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Ob mit Gänsekiel oder Kugelschreiber, ob Erich Kästner, Eduard Mörike oder Ilse Aichinger – sie alle schreiben am Anfang nicht in Schönschrift, sondern mit Gekritzel, wackelig und ungelenk.

So könnte das ein Hinweis sein im Streit um Hand- oder Maschinenschrift. Am Ende zählt der Inhalt, nicht die Form.

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