Eine Frau sucht Pfandflaschen in einem Mülleimer.
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Alles teurer: Sind wir alle von Armut bedroht? #Inflation | Possoch klärt | BR24

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Inflation macht alles teurer: Sind wir alle von Armut bedroht?

Die Inflation ist da: Die Energie- und Lebensmittelpreise in Deutschland sind enorm gestiegen. Steigen dafür auch die Löhne? Wen treffen die Preissteigerungen am härtesten? Und ist unser Wohlstand langfristig bedroht? Possoch klärt!

Ob bei Benzin- oder Brotpreisen – die aktuelle Inflation, die Geldentwertung des Euros, macht sich im Alltag vieler Menschen deutlich bemerkbar: Droht mit den steigenden Preisen bald steigende Armut? Dieser Frage geht das neue "Possoch klärt" (Video unten) nach. Dabei stellen sich folgende Fragen: Müssen mit steigenden Preisen nicht auch die Löhne steigen? Und bedeutet der Inflationsanstieg, dass der Lebensstandard für viele in Deutschland dauerhaft sinken kann?

Knappheit verursacht Inflation

Die aktuelle Teuerungsrate von 7,4 Prozent in Deutschland ist zunächst einmal auf Geschehnisse im Ausland zurückzuführen. Vor allem aufgrund des Ukraine-Kriegs werden viele Importgüter wie Getreide teurer. Doch auch die derzeitige Corona-Situation in China spielt eine entscheidende Rolle. Denn wegen des dort von der Regierung verordneten strengen Lockdowns kommt es zu Engpässen bei chinesischen Exportlieferungen. Die Folge sind teurere Rohstoffe und Produktionen, und "das bedeutet, dass wir als Volkswirtschaft ärmer werden", erklärt Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, bei "Possoch klärt".

"Das Blöde daran ist, dass die Politik auch relativ wenig tun kann, um diese Probleme aus der Welt zu schaffen. Es gibt also keine einfachen Rezepte dagegen." Clemens Fuest, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesfinanzministerium

Gleichzeitig lässt auch die plötzlich hohe Nachfrage nach Produkten wie Öl oder Mehl in Deutschland die Preise steigen. Die Angst, dass bestimmte Produkte aufgrund der aktuellen Weltkrisen bald noch teurer werden, treibt viele Menschen zu Hamsterkäufen. Die Folge sind oft leere Supermarkt-Regale. Das lässt wegen der kurzfristigen Knappheit wiederum auch die Preise steigen. Ein Beispiel dafür, welchen Einfluss die Psyche der Menschen auf die Geld-Entwertungs-Spirale hat.

Im Video: Alles teurer: Sind wir alle von Armut bedroht? #Inflation Possoch klärt!

Müssen die Löhne steigen?

Wegen der steigenden Lebensunterhaltpreise in Deutschland wurden bereits Tarifverhandlungen eingeleitet. Gewerkschaften wie die IG-Metall fordern acht Prozent mehr Lohn. Eine Forderung, die auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm unterstützt. "Die Reallöhne sind drastisch zurückgegangen aufgrund der hohen Inflation. Und es ist auch sinnvoll, dass die Gewerkschaften die Reallohneinbußen kompensieren", erklärt die Wirtschaftswissenschaftlerin im Gespräch mit BR24 für "Possoch klärt".

Gleichzeitig warnt Grimm jedoch auch davor, dass Reallohneinbußen überkompensiert werden könnten. Steigen Löhne zu hoch und zu schnell, müssten viele Unternehmen reagieren und die Preise für die eigenen Produkte nach oben anpassen. Die Folge: Eine Lohn-Preis-Spirale, die die Geldentwertung immer weiter eskalieren ließe. Das müsse laut Grimm vermieden werden, wobei dies in der Verantwortung der Geldpolitik liege.

Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner hat längst vor einer Lohn-Preis-Spirale gewarnt. "Die Gefahr ist real", so der FDP-Politiker. Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Unternehmensberatung McKinsey haben 40 Prozent der Deutschen Sorge, dass alles teurer werde. Um diesen "gefühlten Inflationsdruck" abzumildern, will die Bundesregierung nun gegensteuern. Helfen sollen hier bald zwei Entlastungspakete von der Ampel-Koalition für hohe Energiekosten.

Wirtschaftsweise: Ärmere bei Inflation am meisten betroffen

Für die meisten Menschen ist es nicht einfach, die hohen Preise zu umgehen. Schließlich sind Produkte wie Benzin oder Brot, aber auch das Heizen der eigenen Wohnung unmittelbarer Bestandteil des Alltags. Einkommensstärkere Haushalte können die schwer vermeidbaren Kosten noch mit eigenen Ersparnissen abfangen, erklärt Clemens Fuest. Ärmere Haushalte hätten im Gegensatz dazu seltener solche Reserven und könnten die Verteuerung von Lebensmitteln viel schlechter bewältigen.

"Einkommensstärkere Haushalte fahren mehr mit dem Auto. Dazu gehören dann vielleicht auch mehr Fahrten in der Freizeit, die man leichter weglassen kann. Also die Anpassungsmöglichkeiten von einkommensstärkeren Haushalten sind größer." Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts

Auch Veronika Grimm sieht ärmere Haushalte bei den aktuellen Preissteigerungen klar im Nachteil. Deshalb sei es nun wichtig, die unteren und mittleren Einkommensgruppen mit Kompensationsmaßnahmen zu unterstützen. Mittelfristig könnten zudem das Anpassen der Löhne im Zuge von Tarifverhandlungen helfen, so die Professorin.

Ifo-Präsident: Die Europäische Zentralbank muss handeln

Für einen langfristigen stabilen Wert des Euros ist am Ende die Europäische Zentralbank verantwortlich. Dabei soll der Inflationswert laut EZB normalerweise bei etwa zwei Prozent liegen. Dieser Wert wird aktuell jedoch europaweit deutlich überschritten, weshalb Veronika Grimm die Europäische Zentralbank in die Pflicht nimmt, zu handeln. Konkret bedeutet das: Zinsen für Anleihen müssen erhöht und Anleihekäufe schon davor zurückgefahren werden. Dabei müsse dies laut Grimm zeitnah geschehen, da es dauere, bis die Transmission der geldpolitischen Maßnahmen Wirkung zeige.

"Es ist wichtig, jetzt die Erwartungen der Menschen, so lange die Inflation hoch bleibt, im Griff zu behalten. Die Menschen müssen daran glauben, dass die Inflation wieder runtergeht." Veronika Grimm, Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Auch Clemens Fuest befürwortet ein Einschreiten der EZB. Denn eine Erhöhung der Zinsen und ein Einstellen der Staatsanleihenkäufe verändere den Wechselkurs, weshalb Importgüter wieder etwas billiger werden würden. Dies wirke sich auch sofort auf die Inflation aus. Auch Fuest betont, dass nicht der Eindruck entstehen dürfe, "dass man Inflation geschehen lässt und nicht so ernst nimmt". Am Ende sei das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger entscheidend.

Ist unser Wohlstand langfristig gefährdet?

Mit Blick auf die Zukunft glaubt Wirtschaftsweise Veronika Grimm, dass einige Preise hoch bleiben werden, insbesondere die Energiepreise. Dabei sei der Wechsel von russischem Gas hin zu Flüssiggas (LNG) von Lieferanten aus der ganzen Welt besonders teuer. Dies könnte wiederum Produktionskosten erhöhen und als Folge die deutsche Wettbewerbsfähigkeit in der Industrie einschränken. Gleichzeitig sieht Grimm darin aber auch einen Anreiz, in Deutschland die Klimaneutralität schneller voranzutreiben. Dies könne dazu führen, "dass erneuerbare Energien relativ günstiger werden und es dadurch attraktiver ist."

Clemens Fuest erwartet zudem ein langsameres Wirtschaftswachstum als bisher. Dies hänge damit zusammen, dass Deutschland besonders von billigem russischem Gas abhängig war. Daher würde man nun besonders hart getroffen, wenn "dieses Gas künftig nicht mehr - in der gleichen Menge jedenfalls - zur Verfügung stehen wird." Letztendlich müsse sich Deutschland gegen Russland energiepolitisch, aber auch verteidigungspolitisch besser schützen, was den Wohlstand beeinträchtigen werde. Fuest betont jedoch auch: "Die Botschaft, dass der Wohlstand jetzt wirklich heruntergeht, die ist vielleicht etwas überzogen."

Im Video oben erfahren Sie alles, was Sie zur Frage, ob durch den aktuellen Inflationsanstieg alle ärmer werden, wissen sollten. Diskutieren Sie gerne in den Kommentaren mit.

Bedroht die Inflation unseren Wohlstand?
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Monika Skolimowska

Bedroht die Inflation unseren Wohlstand?

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