Symbolbild einer Spritze zur Impfung.
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In Bayern werden weniger Kinder geimpft als im Rest von Deutschland. Das hat viele Gründe.

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Impfmuffel in Bayern: Warum hierzulande weniger geimpft wird

In Deutschland sind die meisten Menschen geimpft. Doch in manchen Regionen gibt es Ausreißer, einige davon im Süden von Bayern. Hier werden manche Kinder erst spät, unvollständig oder sogar gar nicht geimpft. Die Gründe dafür sind vielfältig.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Murnau in Oberbayern - ein malerisches Städtchen im Voralpenland. Es ist die Stadt mit der geringsten Impfquote Deutschlands: Laut dem Gesundheitsreport Bayern sind hier nur 84 Prozent der Schulkinder vollständig gegen Masern geimpft. Bayernweit sind es 92 Prozent. Auch der Landkreis Garmisch-Partenkirchen fällt auf: Dort sind nur rund 74 Prozent der Erstklässler mit sechs Jahren vollständig, also zweimal, gegen Masern geimpft.

Impfzögerlichkeit hat viele Gründe

Es gibt viele Gründe, die zu Impfmüdigkeit, Impfskepsis oder Impfzögerlichkeit führen können. So sind Eltern zum Beispiel misstrauisch gegenüber den offiziellen Impfempfehlungen oder verharmlosen das Risiko der Krankheiten. Darüber hinaus haben viele Impfskeptiker auch eine hohe Wahrnehmung gegenüber den Impfrisiken.

Überraschenderweise gibt es Skeptiker häufiger in Gegenden, in denen eher wohlhabende Menschen wohnen, also im Süden. Es gibt neben dem Nord-Süd-Gefälle aber auch einen ausgeprägten Ost-West-Unterschied, im Osten Deutschlands wird besser geimpft als im Westen.

"Häufig im Gespräch merkt man, dass es einfach die sind, die Dinge anders machen wollen und sich fragen: Es muss doch auch irgendwie noch besser gehen als der Rest der Menschen das macht." Dr. Nikolaus Frühwein, Allgemeinmediziner, München

Dazu kommt: Seit in Deutschland die klassischen "Kinderkrankheiten" selten geworden sind, verliert die Gesellschaft das Gefühl für das Risiko dieser Krankheiten, "Impfparadox" nennt die Fachwelt dieses Phänomen. So treten Nebenwirkungen der Impfung oder auch seltene Schäden durch die Impfung stark in den Vordergrund.

Persönliches Gespräch ist wichtig

Entscheidend für die Impfentscheidung ist die Beratung durch den Arzt oder die Ärztin. Denn klar ist: Bei Impfungen muss genau hingeschaut werden. Im Gegensatz zu Medikamenten, die man gibt, um einen kranken Menschen wieder gesund zu machen, impft man in der Regel gesunde Menschen.

"Ich muss also besonders sicher sein, dass die Maßnahme Impfung, die ich ergreife, höchsten Ansprüchen genügt." Dr. Steffen Rabe, Kinderarzt und Homöopath, München

Er spricht sich für eine "individuelle Impfberatung" aus, die er auch in seiner Praxis anbietet. Dabei will er die Eltern "ergebnisoffen" beraten. Das kann aber auch bedeuten, dass die sich vielleicht gegen eine Impfung ihres Kindes entscheiden.

Impfentscheidung einfach gemacht

Auch Aspekte wie Angst vor Spritzen und Bequemlichkeit sorgen dafür, dass Menschen nicht vollständig geimpft sind. Je einfacher es den Menschen gemacht wird, und je besser sie sich aufgeklärt fühlen, desto eher entscheiden sie sich für die Impfung.

Manchmal sind auch einzelne Personen entscheidend, um eine ganze Region zu prägen. Im ländlichen Raum gibt es weniger Ärztinnen und Ärzte als in der Stadt – wenn da ein Impfkritiker im weißen Kittel die Eltern berät, kann das lokal zu Impflücken führen, die auch lokal zu Krankheitsausbrüchen führen.

Darüber hinaus sind Homöopathinnen und Homöopathen oft impfskeptisch, die alternativmedizinische Theorie deckt sich nicht mit dem Gedanken der Impfung. Auch Waldorfeinrichtungen sind überdurchschnittlich häufig betroffen, in den letzten Jahren konnten fast alle größeren Masernausbrüche in Deutschland auf sie zurück geführt werden.

Die meisten sind geimpft

Generell aber ist in Deutschland nur ein Bruchteil der Kinder gar nicht geimpft. Die meisten werden aber zu spät oder verzögert geimpft und haben den vollständigen Impfschutz dann erst bei der Einschulung. So wird aber die von der STIKO geforderte Impfquote nicht erreicht. Die ungeimpften Kinder können sich dann zum Beispiel mit den Masern anstecken. Auch für Risikogruppen ist das ein Problem. Denn Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder sehr kleine Kinder können (noch) nicht geimpft werden. Wenn dann der sogenannte "Herdenschutz" nicht hergestellt ist, sind sie gefährdet.

Corona-Impfung wird skeptisch gesehen

Auch in Bezug auf das SARS-Cov-2-Virus spielt Impfzögerlichkeit eine große Rolle. Zwar wird weltweit fieberhaft nach einem Impfstoff gesucht und Politikerinnen und Politiker versuchen, Millionen an Impfdosen für ihr jeweiliges Land zu sichern. Doch noch ist überhaupt nicht klar, ob die Bevölkerung sich auch flächendeckend impfen lassen würde.

Eine Studie der Universität Hamburg hat gezeigt, dass sich in Bayern nur rund die Hälfte gegen das Virus würde impfen lassen. In Norddeutschland sind das immerhin zwei Drittel, aber auch das wären zu wenige, um einen Herdenschutz zu gewährleisten. Für die Studie wurden 7.000 Menschen aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich befragt. Deutschland hatte insgesamt die geringste Zustimmung zur Impfung.

Ausschlaggebend hier sind wahrscheinlich: Mangelndes Vertrauen, Angst vor möglichen Nebenwirkungen und der Begriff "experimentell", der momentan im Zusammenhang mit der Impfung häufig fällt und der die Sorge verursacht, der Impfstoff sei nicht sicher.

Politisch aufgeladene Forschung

Der Umstand, dass das Thema auch hoch politisiert ist, nicht nur in Deutschland, auch in den USA, Russland oder China, weckt Zweifel, ob der Impfstoff auf den Markt gebracht wird, bevor er ausreichend getestet wurde. Zur Erinnerung: Bislang hat die schnellste Impfstoffentwicklung immer noch vier Jahre gedauert, ein Mittel gegen Mumps.

"Wir haben noch viel zu wenig Informationen. Die Studien, die angelegt sind im Moment, die sind wahnsinnig groß und die sind, glaube ich, auch gut. Aber man muss die Ergebnisse abwarten. Man kann jetzt nicht sagen: Hui, wir impfen jetzt einfach mal ganz Deutschland. Das wird nicht funktionieren." Dr. Nikolaus Frühwein, Allgemeinmediziner, München

Fachleute beobachten die Impfstoffversuche in Russland und China mit Skepsis. Denn nichts wäre schlimmer, als wenn übereilt Impfstoffe auf den Markt kommen, die sich im Nachhinein als schlecht wirksam herausstellen und dann auch noch schwere Nebenwirkungen haben. Wenn über sieben Milliarden Menschen mit einem möglichen Impfstoff geimpft werden sollen, muss das Mittel so sicher sein wie möglich.

"In Deutschland beziehungsweise Europa wird sich ein bisschen mehr Zeit gelassen. Ich finde es auch ganz beruhigend, dass man sieht, andere Länder bauen wahnsinnig viel Druck auf, da sind die Sachen vielleicht jetzt schon am Markt. Aber das zeigt auf der anderen Seite, dass die Firmen, die in Europa die Rolle spielen werden, sich auch die Zeit nehmen." Dr. Nikolaus Frühwein, Allgemeinmediziner, München

Das heißt, je transparenter die Forschung läuft, desto besser. Und es ist die Aufgabe der Politik, das zu überwachen und auch so zu kommunizieren.

Masern-Imfpung
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