"Mit Torf zu pflanzen ist wie mit Kohle zu heizen" - das hat Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vor dem EU-Agrarministertreffen im Mai gesagt. Er will sich dafür einsetzen, dass im Gartenbau in Zukunft so gut wie kein Torf mehr als Substrat eingesetzt wird. Der Hobby-Gartenbau soll bis 2026 torffrei sein.
Torf im Blumentopf heizt die Klimakrise an
Torf entsteht im Moor, wenn abgestorbene Torfmoose und die Überreste von Moorpflanzen nicht verrotten, weil der Wasserstand zu hoch ist. Denn dann fehlt der Sauerstoff, der für die Verrottung nötig wäre. Die Folge: Im Torf bleibt ein Großteil des Kohlenstoffs gespeichert, den die lebenden Pflanzen als Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, aus der Atmosphäre entnommen haben. Kommt Luft an den Torf, wird die Organische Substanz mikrobiell abgebaut. Das CO2, das jahrzehnte-, oft jahrhundertelang gespeichert war, geht wieder in die Atmosphäre und treibt als Treibhausgas die Klimakrise an. Das passiert, wenn Moore trockengelegt werden, damit der Torf abgebaut werden kann. Und es geht weiter, wenn sich der Torf im Blumentopf befindet.
Darüber hinaus zerstört der Torfabbau an vielen Stellen auch die Lebensräume von seltenen Pflanzen und Tieren, die auf nasse Moorböden angewiesen sind.
Ein Sechstel der Torfsubstrate landet im Hobbygarten
Im deutschen Gartenbau werden jährlich rund acht Millionen Kubikmeter Torf eingesetzt, ein Sechstel davon im Hobbygarten. Der Torf stammt aus den baltischen Staaten, Weißrussland und auch aus Deutschland. Torf als Gärtnersubstrat ist erst seit gut 60 Jahren verbreitet. Allerdings basieren die Produktionsstandards im Erwerbsgartenbau fast alle auf Torfsubstrat. Auch in der Züchtung wurden Pflanzen danach selektiert, wie gut sie in Torferde wachsen. Trotzdem: Die Bundesregierung hat das Ziel, "die Verwendung von Torf im Freizeitgartenbau bis 2026 vollständig und im Erwerbsgartenbau bis 2030 weitestgehend zu reduzieren". So steht es aktuell auf der Seite des Bundeslandwirtschaftsministerium. Und ganz ähnlich auch in der Nationalen Moorschutzstrategie von 2021.
Der Umwelt zuliebe: "torffrei" oder "ohne Torf"
Torf ist sehr saugfähig und gleichzeitig luftig, einfach in der Handhabung. Von daher ist es verständlich, dass neun von zehn Säcken Gartenerde, die von Hobbygärtnern gekauft wird, Torf enthält – so die Schätzung verschiedener Marktexperten. Steht "Torffrei" oder "ohne Torf" auf dem Sack, ist die Erde tatsächlich ohne Torf. Die Bezeichnungen "torfreduziert" oder "torfarm" haben keine verbindliche Bedeutung, so Frank Glante vom Umweltbundesamt. In diesen Säcken kann auch eine Erde mit bis zu 80 Prozent Torf stecken. Auch die Bezeichnung "Bio" heißt nicht in jedem Fall, dass die Erde torffrei ist.
Torffreie Erde ist nicht wie Torfsubstrat bloß ohne Torf
Torf ist von Haus aus ausgesprochen nährstoffarm und sauer. Deswegen wird er vor dem Abpacken gedüngt und in der Regel auch gekalkt, bis der Nährstoffgehalt und der pH-Wert den Ansprüchen des Gartenbaus entspricht. Er kann ein Vielfaches seines Eigengewichts an Wasser speichern, ist strukturstabil und hat gleichmäßige Poren. Torffreie Substrate bestehen aus Kompost, Holz- und Kokosfasern, manchmal auch aus Rindenmulch und anderen Zusatzstoffen. Der Preisunterschied zum Torfsubstrat ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Doch nicht jedes torffreie Produkt ist sein Geld wert. So hat zum Beispiel der Obst- und Gartenbauverein in Neu-Ulm/Steinheim schlechte Erfahrungen gemacht mit der torffreien Erde, die er an seine Mitglieder weiter verkauft hat. Plastikteile, Schimmelbefall und "auch Wolläuse an den Zimmerpflanzen", hätten die Mitglieder gefunden, so der stellvertretende Vorsitzende Ralph Unseld. Deswegen lohnt es sich, zu hochwertiger torffreier Erde zu greifen. Und einer Marke auch treu zu bleiben, wenn man damit zufrieden ist.
Torffrei garteln: Eine Herausforderung, die man bewältigen kann
Torffreie Substrate sind gröber strukturiert und nicht so lang lagerbar wie Torfsubstrate. Sie haben einen höheren pH-Gehalt, sind mehr alkalisch. Wenn die Erden alt werden, bilden sich im Sack oft Pilzgeflechte aus. Ein weiterer Unterschied: Die torffreien Substrate trocknen an der Oberfläche schneller ab, auch wenn die Erde darunter noch recht feucht ist. Deswegen sollte man vor dem Gießen sicherheitshalber ein bisschen mit dem Finger in die Erde bohren und prüfen, ob man wirklich gießen muss. Nicht dass sich Staunässe bildet. Weil die Umsetzung der Zellulose- und Lignin-Fasern aus Holz oder Kokos erst einmal Stickstoff benötigt, bevor er später wieder frei gesetzt wird, sollten torffreie Erden gleich am Anfang mit Hornspänen und Horngrieß gedüngt werden. Am besten auch noch mit Schafwolle, sie fördert die Wasserspeicherfähigkeit. So eine Empfehlung der Gartenakademie Rheinland-Pfalz.
Spielraum für eigene Versuche
Brennnesseln fein geschnitten – ohne Samen und ohne Wurzeln – liefern der Erde Stickstoff und Kieselsäure und zumindest die Stängelteile geben auch noch Struktur.
Kaffeesatz, der sorgfältig mit dem torffreien Substrat vermischt wird, senkt den pH-Wert der Erde ein wenig. Es lohnt sich mit offenen Augen durch den Garten und das Haus zu gehen, und mögliche Zusatzstoffe zu finden und auszuprobieren.
Wer als Hobbygärtner nicht dem Klima schaden will, kann seine Erde auch selbst mischen, aus Kompost, Sand und Gartenerde zum Beispiel. Und man sollte möglichst viel Pflanzen selbst aussäen und großziehen. Denn gekaufte Pflanzen wachsen in den meisten Fällen in Torfsubstraten.
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