Förderanlagen für Schiefergas bei Blackpool in Nordwestengland im Oktober 2018. Nach Erdbeben wurde die Schiefergasförderung dort gestoppt.
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Förderanlagen für Schiefergas bei Blackpool in Nordwestengland im Oktober 2018. Nach Erdbeben wurde die Schiefergasförderung dort gestoppt.

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#Faktenfuchs: Welche Risiken gibt es beim Fracking?

Wegen der Umweltrisiken ist Fracking von Schiefergas in Deutschland verboten. Seit aus Russland weniger Gas kommt, wird das Verbot neu diskutiert – häufig mit dem Argument, dass die Risiken beherrschbar seien. Was ist dran? Ein #Faktenfuchs.

Darum geht’s:

  • Fracking wird angesichts der drohenden Gasknappheit wieder diskutiert – obwohl Fracking von Schiefergas in Deutschland seit 2017 verboten ist.
  • Zwar könnte man hierzulande Schiefergas fördern, es würde aber mehrere Jahre dauern, die Voraussetzungen zu schaffen.
  • Beim Fracking gibt es gewisse Umweltrisiken. Einige davon seien beherrschbar, sagen Geowissenschaftler. Dafür seien vor allem Risikoanalysen, höchste technologische Standards und ein strenges Monitoring wichtig. Ein Restrisiko bleibe jedoch.

Das Gas aus Russland fließt zwar aktuell wieder durch die Pipelines, allerdings deutlich weniger als möglich wäre. Doch bis zum Winter sollen die Gasspeicher in Deutschland voll sein, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Die Bundesregierung setzt deshalb auf den Import von Flüssigerdgas.

Dabei gibt es auch hierzulande Gasreserven – nämlich Schiefergas. Das ist Gas, das in dichten Tongesteinen vorkommt, die auch als Schiefergesteine bezeichnet werden.

Mithilfe der Fracking-Technologie könnte das Gas gefördert werden. Allerdings: Das Fracking von Schiefergas ist in Deutschland seit 2017 verboten, wegen der Umweltrisiken. Die sind zum Beispiel eine erhöhte Erdbebengefahr, Methan-Emissionen und Grundwasserverschmutzung.

Trotzdem wird Fracking nun als mögliche Alternative zur Gasbeschaffung diskutiert. Prominent forderte unter anderem der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schon Anfang April, man solle Fracking in Deutschland ergebnisoffen prüfen. Mitte Juni stellte auch die FDP auf Bundesebene das Fracking-Verbot in Frage.

Das Thema erreichte den #Faktenfuchs auch per Mail. Ein Leser schrieb: "Gibt es in Deutschland noch genügend unerschlossene Erdgasquellen, die man mit Fracking ausbeuten könnte und die uns vielleicht über die Mangelsituation hinweghelfen können? Und wenn ja, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse über Umweltbelastungen?"

Könnte Fracking in Deutschland also eine Alternative sein? Wie ist der Stand der Forschung zu den Gefahren, die dadurch für die Umwelt entstehen? Der #Faktenfuchs hat recherchiert.

Was ist Fracking und welche Rolle spielt es in Deutschland?

Fracking ist ein spezielles Verfahren zur Öl- und Gasgewinnung. Es ist eine Abkürzung und steht für "Hydraulic Fracturing". Damit können Gasreserven erschlossen werden, die im Gestein festsitzen, indem dieses Gestein im tiefen Untergrund aufgebrochen wird. An die Seitenwände des Bohrlochs werden dafür zunächst kleine Löcher angebracht, bevor ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien – die sogenannte Fracking Flüssigkeit – mit hohem Druck in das Bohrloch gepumpt wird. Dadurch entstehen Risse im Gestein, die eine Verbindung zwischen den vielen kleinen Gasblasen schaffen. So kann das Gas zum Bohrloch strömen. Die Chemikalien verhindern zum Beispiel das Wachstum von Bakterien. Der Sand hilft bei der Stabilisierung, so werden die Risse offen gehalten.

Man unterscheidet zwischen Fracking von konventionellen und unkonventionellen Lagerstätten. Beim Fracking konventioneller Lagerstätten wird Sandstein angebohrt – diese Methode wurde in Deutschland seit den 1960er Jahren angewendet, zuletzt im Jahr 2014.

Das "Fracking unkonventioneller Lagerstätten" bezeichnet die Förderung von Erdgas in Schiefergestein, das dort sehr fein verteilt ist. Deshalb geht der Bohrkopf hier nicht nur senkrecht in die Tiefe, sondern biegt auch waagrecht ab. Damit gibt es in Deutschland laut Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) bisher keine unmittelbare Erfahrung, man könne lediglich Know-how aus konventionellen Fracs übertragen.

Seit 2017 ist Fracking unkonventioneller Lagerstätten in Deutschland verboten, für das Fracking konventioneller Lagerstätten gibt es strenge Auflagen. Deutschland geht mit seinen Regelungen zum Fracking über das hinaus, was die EU-Kommission empfiehlt. Laut EU-Kommission wäre ein Verbot für keine Form des Frackings notwendig.

Wie oft wurde in Deutschland bislang gefrackt – und wo? Niedersachsen ist das Bundesland mit den größten Erdgasreserven. Während in den anderen 15 Bundesländern gerade einmal zwei Dutzend Fracs bekannt sind, wurde in Niedersachsen seit den 1960er Jahren 350 Mal gefrackt. Die Fracs waren "fast ausschließlich 'konventionelle'", schreibt der Pressesprecher des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in einer Mail an den #Faktenfuchs. Der Anteil "unkonventioneller" Fracs sei "verschwindend gering" – 2008 hat es laut einer Aufstellung des Umweltbundesamtes drei Fracs von Schiefergaslagerstätten gegeben.

Auf der Seite des BVEG heißt es, etwa ein Drittel der in Deutschland geförderten Erdgasmengen stamme aus Bohrungen, die "mit Fracking stimuliert" wurden. Das heißt: Einmal angewendet, kann aus dem Bohrloch bis zu mehrere Jahrzehnte lang Gas gefördert werden.

Wo gäbe es in Deutschland Potenzial für Fracking von Schiefergas?

Die bedeutendste Formation von Schiefergas in Deutschland gibt es laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Niedersächsischen Becken und entlang der vorpommerschen Ostseeküste. Auf der Grafik sind diese Gebiete rot markiert.

Bildrechte: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe / Montage: BR
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Schiefergasvorkommen in Deutschland

Allerdings stehe man mit der Erkundung von Schiefergasvorkommen erst am Anfang, heißt es in einem Bericht der BGR von 2016. Dabei handelt es sich um die aktuellste Schätzung zum Schiefergasvorkommen – und um eine sehr grobe Schätzung. Um eine genauere Schätzung abgeben zu können, wären "umfangreiche Untersuchungen" notwendig, sagt ein Sprecher der BGR auf #Faktenfuchs-Nachfrage.

Wie viel Schiefergas könnte in Deutschland gefördert werden?

So ganz genau weiß man also nicht, wie viel Potential in der Gasgewinnung durch Fracking steckt, da die Erkundung der Vorkommen in Deutschland eben erst am Anfang steht. Die BGR gibt eine Spanne zwischen 320 Milliarden Kubikmetern und 2,3 Billionen Kubikmetern an. Der deutsche Jahresverbrauch beträgt rund 90 Milliarden Kubikmeter. Die Schiefergasressourcen in Deutschland übersteigen den deutschen Jahresverbrauch laut BGR um das Zehnfache.

Wie lange würde es dauern, dieses Schiefergas zu fördern, wenn es die entsprechenden Voraussetzungen gäbe? Laut dem Bundesverband Erdgas, Erdöl, Geothermie könnten zehn Milliarden Kubikmeter Schiefergas pro Jahr mithilfe von Fracking in Deutschland generiert werden.

Reicht Schiefergas aus, um Deutschland sicher zu versorgen?

Aus technischer Sicht könnten Schiefergasvorkommen nicht kurzfristig erschlossen werden – die Erschließung, bis also gefracktes Schiefergas tatsächlich verbraucht werden könnte, würde sich laut BGR über Jahrzehnte ziehen. Als kurzfristige Lösung, um sich von russischem Gas unabhängig zu machen, ist Fracking von Schiefergas also nicht geeignet.

Der Industrieverband BVEG schreibt jedoch, man müsse auch langfristig planen, da Russland als Großversorger wegfalle. Deutschland müsse eine Versorgungsstrategie für die nächsten Dekaden entwickeln, so die Forderung.

Wie sind die Belastungen für die Umwelt?

Fracking unkonventioneller Lagerstätten steht im Fokus des Verbots, weil dafür in Deutschland laut Bundeswirtschaftsministerium bisher zu wenig Erfahrung vorliegt. In unkonventionellen Lagerstätten sei der Druck deutlich niedriger als in konventionellen Lagerstätten, heißt es außerdem in einem Bericht des Umweltbundesamtes, weshalb das Gas nicht frei ausströme. Die Konsequenz: Beim Fracking muss künstlich mehr Druck auf das Gestein ausgeübt werden, um das Gas aus dem Stein zu gewinnen.

Als wichtigste Umweltauswirkungen nennt die Bundesregierung in der Begründung des Verbots eine Gefährdung des Trinkwassers, ein erhöhtes Erdbebenrisiko und höhere Methan-Emissionen. Umweltverbände wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sehen noch weitere Risiken, beispielsweise den Flächenverbrauch.

Doch wie ist der aktuelle Stand der Forschung – und sind diese Umweltrisiken beherrschbar? Der #Faktenfuchs hat bei Geowissenschaftlern, Behörden und einem Umweltschützer nachgehakt.

Umweltrisiko 1: Grundwasserverschmutzung

Wer Erdgas fördern will, muss auch die Grundwasserschichten durchdringen. Dass dabei Grundwasser verunreinigt wird, ist eine große Sorge in der Bevölkerung.

Vor allem ein Bild prägte sich bei einigen Fracking-Kritikern ein: die brennenden Wasserhähne aus der amerikanischen Dokumentation "Gasland" aus dem Jahr 2012. Der angebliche Grund: Fracking. Dem widersprachen die Behörden – die brennenden Wasserhähne seien auf die schlechte Abdichtung von höher gelegenen Gasvorkommen zurückzuführen. Mit Fracking hätten sie nichts zu tun, berichtete die New York Times. Mehr dazu hat auch das ARD-Politmagazin "Panorama" hier in einem kurzen Faktencheck zusammengetragen.

Laut einer Studie aus dem Jahr 2016 kann Fracking aber durchaus negative Auswirkungen auf die Grundwasserqualität haben – zu diesem Ergebnis kamen die Forscher der amerikanischen Umweltbehörde EPA. Das Grundwasser kann demnach zum Beispiel dann gefährdet sein, wenn die Bohrlöcher nicht richtig abgedichtet sind.

Dieses Risiko gebe es grundsätzlich bei jeder Art von Bohrung ab einer bestimmten Tiefe, sagt Kai Zosseder vom Lehrstuhl für Hydrogeologie an der Technischen Universität München. Deshalb werde die sogenannte Bohrlochintegrität in Deutschland vor jeder Bohrung nach höchsten technischen Standards geprüft. "Das heißt, wie gut abgedichtet ist denn mein Bohrloch, dass ich hier auch keine Wegsamkeiten zu irgendeinem Grundwasserleiter habe?", sagt Zosseder im Gespräch mit dem #Faktenfuchs. Ein Risiko gebe es aber trotzdem. Wichtig sei die Geologie vor Ort und der Abstand zum Grundwasserhorizont: Wenn durch Fracking-Maßnahmen Risse entstehen oder Störungen im Untergrund reaktiviert werden, könne das Grundwasser gefährdet werden.

Der Naturschützer Sebastian Scholz vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) sieht das anders. Dem #Faktenfuchs sagt er: "Nur weil es beherrschbar ist, heißt das nicht, dass es auch immer so gemacht wird." In Niedersachsen beispielsweise, habe es in der Vergangenheit Verseuchungen im Zusammenhang mit Fracking gegeben. Die "tageszeitung" berichtete von erhöhten Quecksilberwerten im Boden – an der Stelle, an der die Bohrfirmen ihre Bohrgestänge gewaschen hatten.

Tatsächlich komme Verunreinigung am ehesten durch die Oberfläche rein. Das geschehe etwa am Bohrplatz oder beim Transport der Fracking-Flüssigkeit zur Entsorgung, sagt Charlotte Krawczyk. Sie ist Geophysikerin und Vorsitzende der Expertenkommission "Fracking", die von der Bundesregierung berufen wurde, und wissenschaftliche Beratung für den Bundestag leistet. Die Expertenkommission hat dafür verschiedene Gutachten ausgewertet. Das bestätigt auch eine Studie, die im Fachjournal "Science" erschienen ist: In der Nähe von Bohrlöchern, in denen gefrackt wurde, konnten erhöhte Salzwerte in Bächen, Flüssen und Seen nachgewiesen werden.

Die Fracking-Flüssigkeit (also Wasser, Chemikalien und Sand) mitsamt der teils giftigen Bestandteile aus dem tiefen Untergrund, wie eben Quecksilber, wird als "Flowback" bezeichnet. Um zu verhindern, dass dieser Flowback das Grundwasser verschmutzt, ist unter anderem ein Monitoring des Grundwassers unter Aufsicht der Behörde wichtig, sagt ein Sprecher vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Niedersachsen, der Landesbehörde, die Fracking-Vorhaben in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein genehmigen müsste.

Wie sieht so ein Monitoring aus – und wie kann es helfen? Das Umweltbundesamt empfiehlt in einem Gutachten von 2014, solch ein Monitoring schon vor dem Beginn des Fracking-Prozesses durchzuführen, um darzulegen, welche Stoffe im Grundwasser schon vorher vorhanden waren. Im Anschluss müsse ein Überwachungsmonitoring stattfinden – "insbesondere während des gesamten Frac-Vorgangs, aber auch während der Gewinnungsphase und des Rückbaus", heißt es in dem Gutachten. Sollte eine Verschmutzung des Grundwassers auftreten, sagt Kai Zosseder von der TU München, müsse das Fracking-Vorhaben sofort gestoppt werden.

Auch die Expertenkommission empfiehlt ein solches Monitoringkonzept. Sofern dies gemäß Stand der Forschung eingesetzt würde, schätzt die Expertenkommission das Risiko, Grundwasser, Flüsse und Seen durch Fracking in unkonventionellen Lagerstätten zu verschmutzen, in der aktuellsten Bewertung der Umweltrisiken aus dem Jahr 2021 als gering ein.

Umweltrisiko 2: Erhöhte Erdbebengefahr

Eine weitere Umweltgefahr, die mit Fracking unkonventioneller Lagerstätten in Verbindung gebracht wird, ist ein gesteigertes Erdbebenrisiko. In Großbritannien zum Beispiel wurde Fracking daher gestoppt, als Vorsichtsmaßnahme.

Die BGR unterscheidet in ihrer Einschätzung der Umweltauswirkungen von Fracking zwischen Erdbeben, die durch menschliche Eingriffe entstehen (induzierte Erdbeben), und Erdbeben, die durch menschliche Eingriffe ausgelöst oder getriggert werden. Induzierte Erdbeben passieren beim Fracking laut dem Bericht der Expertenkommission vor allem, wenn Produktionswässer (oder "Flowback") in den Untergrund gepresst werden. Erfahrungen aus den USA, Kanada oder China, wo vielfach Schiefergas gefrackt wurde, hätten zwar gezeigt, dass induzierte Erdbeben selten gewesen seien. Lange ging man auch davon aus, dass sie unter der Spürbarkeitsgrenze verlaufen. Prominente Gegenbeispiele sind laut Expertenkommission jedoch Erdbeben in China, Kanada, Argentinien und den USA: "Erdbeben mit erheblicher Schadenswirkung" mit einer Stärke von 3,8 bis 5,8 seien dort mit Fracking in Verbindung gebracht worden.

Wenn es in einer Region schon natürliche Erdbebenaktivität gibt, können Erdbeben auch durch Fracking-Maßnahmen getriggert werden – das ist zum Beispiel in Großbritannien passiert. Steht das Gestein bereits bis zur Belastungsgrenze unter Spannung, kann Fracking ein Erdbeben, das ohnehin passiert wäre, schon früher auslösen.

In Deutschland sei das Risiko, ein Erdbeben "mit mehr als geringfügig schädigender Auswirkung" durch Fracking auszulösen, jedoch gering, schreibt die Expertenkommission im Bericht von 2021. Entscheidend für die Risikoeinschätzung sei die richtige Standortwahl, sagt Krawczyk, die Vorsitzende der Expertenkommission "Fracking". Da man in Deutschland die Gebiete mit erhöhtem Erdbebenrisiko aber kenne, schreibt auch die BGR, könne man diese bei der Standortauswahl für Fracking-Vorhaben meiden.

Wie sähe ein geeigneter Standort aus? "Da müssen wir genau hingucken", sagt die Geophysikerin Charlotte Krawczyk, "und sich Fragen stellen wie: Ist dort in der Nähe kritische Infrastruktur? Sind zum Beispiel Krankenhäuser mit hochsensiblen Messgeräten in der Nähe, die nicht durch leichteste Untergrunderschütterungen gestört werden dürfen?" In die Risikoabschätzung fließe auch mit ein, wie dicht ein Gebiet besiedelt ist. Zusätzlich sei auch hier ein engmaschiges Monitoring wichtig, um steuernd eingreifen zu können, ergänzt Krawczyk. Kommt es tatsächlich zu einem Erdbeben, dient dieses Monitoring auch zur Beweissicherung, sagt Kai Zosseder von der TU München. "Monitoring-Maßnahmen sind nicht nur da, um etwas zu verhindern, sondern auch, um überhaupt nachweisen zu können, wo kommt denn die Seismizität her? Wenn Schäden vorkommen, muss ich auch die heranziehen können, die die Schäden verursacht haben", sagt er im Interview mit dem #Faktenfuchs.

Ein Restrisiko bleibt laut der Expertenkommission – auch, wenn alle empfohlenen Maßnahmen zur Risikominderung eingehalten würden.

Umweltrisiko 3: Methan

Erdgas besteht größtenteils aus Methan. Wenn man es nicht verbrennt, entweicht es in die Atmosphäre. Methan ist ein Treibhausgas, das viel klimawirksamer ist als CO2. Bei der gleichen Menge richtet Methan 25-mal so viel Schaden über einen Zeitraum von 100 Jahren an und verstärkt den Treibhauseffekt.

Wissenschaftler der Cornell University im US-Bundesstaat New York veröffentlichten 2011 eine Studie, in der sie die erhöhten Methanwerte in der Atmosphäre mit dem Fracking von Schiefergas in Verbindung brachten. Die Methanwerte erhöhten sich laut den Wissenschaftlern genau zur Zeit des Fracking-Booms in den USA. Die Forscher zeigten, dass zwischen 3,6 und 7,9 Prozent des Methans, das im Schiefergas freigesetzt wurde, durch Lecks und Belüftung eines Gasbohrlochs entwichen.

Die Expertenkommission analysierte Studien wie diese für ihren Bericht aus dem Jahr 2021. Sie kritisiert: Es gebe wenig repräsentative Daten, was unter anderem daran liege, dass es kaum standardisierte Messverfahren gebe. Mit Messungen der Methankonzentration in der Atmosphäre – also so, wie die Forscher der Cornell University vorgingen – könne lediglich das globale Budget gut abgeschätzt werden. "Eine Zuordnung zu einzelnen Pfaden ist auf diese Weise jedoch nicht möglich", heißt es im Bericht.

Die Vorsitzende Charlotte Krawczyk merkt in einer E-Mail an den #Faktenfuchs noch ein weiteres Problem an: "Oftmals liegen konventionelle und unkonventionelle Erdgaslagerstätten dicht beieinander bzw. übereinander, so dass es schwierig bis unmöglich sein kann, Methanemissionen genau einer Lagerstätte zuzuordnen." Auf Basis der für das Jahr 2015 vorliegenden Daten für die USA kann man dem Bericht der Expertenkommission zufolge für die gesamte Erdgasproduktion – also sowohl konventionelle wie auch unkonventionelle Lagerstätten – eine Methanemissionsrate von zwei bis vier Prozent ableiten.

Massive und kurzfristige Methanfreisetzungen sind laut Kommissionsbericht in erster Linie auf Altbohrungen zurückzuführen, die nicht richtig abgedichtet sind, lecken oder defekte Anlagenteile haben. In der Studie von 2011 wurden diese und andere Punkte im operativen Geschäft angesprochen, bei denen man besonders aufpassen muss. Das sei ein Benefit der Studie, schreibt auch Charlotte Krawczyk in einer E-Mail an den #Faktenfuchs. Mittlerweile unternehmen einige US-Bundesstaaten wie Texas oder North Dakota laut Krawczyk große Anstrengungen, bislang nicht dokumentierte Altbohrungen aufzuspüren und zu sanieren. Die sind laut Medienberichten in den USA oftmals von den Firmen einfach verlassen worden, ohne richtig abgedichtet zu werden.

Expertenkommission: Ein gewisses Risiko bleibt, aber die lokalen Gegebenheiten sind wichtig

Auch wenn die Expertenkommission in ihrem Bericht verschiedene Maßnahmen vorschlägt, um Umweltgefahren durch Fracking zu minimieren, bleibe ein gewisses Risiko, sagt Charlotte Krawczyk von der Expertenkommission "Fracking". "Eine generelle Aussage, dass die Risiken beherrschbar sind und sie einfach loslegen können – die gibt es so nicht." Das Allerwichtigste sei, die lokalen Gegebenheiten genau anzugucken, "um da wirklich zu einer soliden Abschätzung kommen zu können".

Fazit:

Deutschland hat einen Schiefergasvorrat, der – je nach Schätzung – den jährlichen deutschen Gasbedarf etwa um das Zehnfache übersteigt. Fracking von Schiefergas wäre allerdings keine kurzfristige Lösung, um unabhängig von russischem Gas zu werden. Alleine technisch würde es mehrere Jahre dauern, bis Gas fließen würde.

Geowissenschaftler gehen davon aus, dass die Gefahr, Grundwasser durch Fracking zu verschmutzen, mithilfe eines strikten Monitorings und höchsten technologischen Standards beherrschbar, aber nicht ganz auszuschließen ist. Auch das Erdbebenrisiko schätzt die Expertenkommission für Deutschland als gering ein. Auch hier bleibt jedoch ein Restrisiko. Aus alten, schlecht abgedichteten Bohrlöchern kann außerdem Methan entweichen, ein sehr klimawirksames Treibhausgas und in der gleichen Menge deutlich schädlicher als CO2, das den Treibhauseffekt zusätzlich vorantreibt.

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