Ein Corona-Antigen-Schnelltest liegt auf einem Papier
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Ein Corona-Antigen-Schnelltest liegt auf einem Papier

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#Faktenfuchs: Nein, es gibt keine "Prämie" für Schnelltests

Die Anwendung von Corona-Schnelltests soll vor allem in Pflege- und Seniorenheimen das Risiko einer Verbreitung der Pandemie verringern. Doch diese Tests sind umstritten – und damit auch Gegenstand von Falschbehauptungen. Ein #Faktenfuchs.

Antigen-Schnelltests – auch PoC-Tests genannt (Point-of-Care-Tests, weil sie direkt vor Ort angewendet werden können) – bieten Chancen und Risiken zugleich. Nach Ansicht der Bundesregierung können sie dazu beitragen, Kranke und Alte besser vor einer Ansteckung durch das Coronavirus zu schützen. Deshalb können und sollen laut der Coronavirus-Testverordnung (TestV) von Mitte Oktober 2020 "Pflegeheime und Krankenhäuser (…) Antigen-Schnelltests großzügig nutzen, um Personal, Besucher, Patienten und Bewohner regelmäßig auf das Corona-Virus zu testen". Doch damit ein besserer Schutz gewährleistet ist, müssen die Schnelltests akkurat durch geschultes Personal angewendet werden – und nicht immer sind die Ergebnisse zuverlässig.

Wie genau Antigen-Schnelltests funktionieren können Sie hier nachlesen.

Gegner der Corona-Maßnahmen machen auf die tatsächlichen Schwächen der Schnelltests aufmerksam – und verknüpfen sie mit falschen oder aus dem Zusammenhang gerissenen Darstellungen. Der #Faktenfuchs nimmt einige der Behauptungen unter die Lupe.

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Wird in Heimen alle drei Tage getestet?

Über den Messengerdienst "Telegram" wird derzeit ein Video verbreitet, das vermeintlich über den Einsatz der Schnelltests aufklären soll. Zu sehen ist eine Frau, die am Steuer eines Autos sitzt und während des Fahrens in die Kamera spricht. Sie erzählt "von einer Freundin", die nun "nebenbei in einem Altenpflegeheim" arbeite. Der Name der "Freundin", die Stadt oder das Bundesland nennt die Frau ebenso wenig wie den Namen des Pflegeheims, von dem angeblich die Rede ist.

Diese "Freundin" solle nun in dem Pflegeheim testen – und zwar "alle, die ihre Omis und Opis im Altenheim besuchen wollen". Außerdem werde "alle drei Tage (…) das Pflegepersonal und die Bewohner getestet".

So weit, so richtig. Seit Mitte Oktober setzt die Bundesregierung bei ihrem Kampf gegen die Corona-Pandemie auch auf den Einsatz von Antigen-Schnelltests in Pflege- und Senioreneinrichtungen. Dies solle dazu beitragen, "eine vollständige soziale Isolation von Bewohnern und Patienten möglichst zu vermeiden", teilte die Bundesregierung mit, als die entsprechende Verordnung in Kraft trat.

Nach Ansicht des Bundesgesundheitsministeriums könne der Einsatz von Antigen-Schnelltests in den entsprechenden Einrichtungen "verhindern, dass sich mehr und vor allem alte und kranke Mitbürgerinnen und Mitbürger mit dem Coronavirus anstecken".

Test-Häufigkeit ist politisch definiert

Die Häufigkeit der Testungen orientiert sich an der Nationalen Teststrategie der Bundesregierung.

Diese definiert angesichts begrenzter Testkapazitäten, welche Personengruppen mit welcher Priorität und welcher Art von Test (PCR oder Antigen) getestet werden sollen. So wird beispielsweise für Patienten, Bewohner und Betreute in Pflegeeinrichtungen ohne Covid-19-Fall ein "regelmäßiger" Antigentest "empfohlen".

Das bayerische Gesundheitsministerium definiert das genauer: In einem Schreiben vom 21. Januar 2021, das dem BR24-#Faktenfuchs vorliegt, informiert das Ministerium die Verbände der Leistungserbringer - also unter anderem der Pflegeeinrichtungen - über eine Änderung der 11. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung.

Danach sei es "im Sinne eines dichteren Sicherheitsnetzes (…) angezeigt, die bisher vorgesehenen Testungen des Personals auf dreimal wöchentlich auszuweiten". Das Ministerium empfiehlt, dass eine der drei Testungen als PCR-Test durchgeführt wird.

Liefern die Schnelltests mehr falsche Ergebnisse als PCR-Tests?

Die Frau in dem auf Telegram verbreiteten Video schildert, wie in dem nicht näher genannten Pflegeheim die Corona-Schnelltests angeblich angewendet werden. Die Stäbchen mit dem Rachen-Abstrich müsse die testende Person "in eine Flüssigkeit tun (…) und dreißig Sekunden drinnen lassen." Das dürfe nicht länger als dreißig Sekunden drinnen bleiben, "weil sonst jeder Test positiv wäre – auch wenn man nicht positiv ist."

Das stimmt so nicht. Zwar werden bei den meisten Herstellern der inzwischen mehr als 340 Schnelltests, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) als erstattungsfähig gelistet werden, die Stäbchen mit dem Abstrich in eine Flüssigkeit gesteckt. Darin verbleiben sie – je nach Hersteller – für einige Sekunden. In den Gebrauchsanweisungen verschiedener Hersteller gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Dauer Einfluss auf das Ergebnis hat.

Anders ist das bei der Wartezeit, die vergeht, bis man das Ergebnis ablesen soll - diese beträgt meist zwischen 15 und 30 Minuten. So heißt es beispielsweise in der Gebrauchsanleitung des "COVID-19 Speichel Antigen Rapid Test" des chinesischen Herstellers Joysbio Biotechnology: "Die Testergebnisse zwischen 15 und 20 Minuten ablesen. Die Ergebnisse nicht nach 20 Minuten ablesen." In der Gebrauchsanweisung des "COVID-19 Antigen Schnelltest" des deutschen Herstellers AXIOM Gesellschaft für Diagnostica und Biochemica steht: "Interpretieren Sie die Testergebnisse innerhalb von 10-15 Minuten. Lesen Sie die Ergebnisse nach 15 Minuten nicht mehr ab."

Ob diese Zeitspanne jedoch für alle auf dem Markt befindlichen Schnelltests gilt, lässt sich nicht sagen. Für Covid19-Schnelltests ist keine behördliche Zulassung notwendig.

Schnelltest-Ergebnis nicht so zuverlässig wie PCR-Tests

Das Robert Koch-Institut (RKI) hebt auf seiner Internetseite hervor, dass es "im Gegensatz zur PCR" vorkommen könne, "dass ein positives Ergebnis angezeigt wird, wenn die Person gar nicht infiziert ist". Deshalb sollte ein positives Ergebnis im Antigen-Test grundsätzlich mittels PCR-Test bestätigt werden.

Gleichzeitig warnt das RKI, dass bei der Anwendung eines Schnelltests "im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Virusmenge notwendig" sei. "Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt."

Michael Pflügner ist 2. Werkleiter des NürnbergStift und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen. Er bestätigt im Gespräch mit dem BR24-#Faktenfuchs: "Die Erfahrungen mit den Tests sind unterschiedlich." Bei asymptomatischen Personen – also Menschen, die keine Covid-19-Symptome zeigen – seien die Tests "nicht immer so genau" wie die PCR-Tests. Bei symptomatischen Personen aber werde das positive Ergebnis richtig nachgewiesen, sagt Pflügner. Ohnehin würde bei Schnelltests mit positivem Ergebnis noch ein PCR-Test durchgeführt.

Mitte Januar hat das Paul-Ehrlich-Institut, das für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zuständig ist, Mindestkriterien veröffentlicht. Danach sollen von 100 infizierten Proben 80 als positiv angezeigt werden müssen (man spricht dann von einer "Sensitivität" von 80); umgekehrt dürfen nicht mehr als drei von 100 negativen Proben ein falsch-positives Ergebnis anzeigen (hier spricht man von einer "Spezifität" von 97).

Die Frau aus dem Video hat also insofern recht, dass die Tests gewissenhaft durchgeführt werden müssen. Aber auch bei korrekter Handhabung sind die Antigen-Tests weniger zuverlässig als PCR-Tests.

Bekommen Heime "Prämien" für möglichst viele Testanwendungen?

Mit einer anderen Behauptung hat die Frau in dem Telegram-Video nicht recht: Dass Pflegeeinrichtungen eine Art "Prämie" bekämen, wenn sie Schnelltests durchführten. Die Frau behauptet: "Der Hammer ist, dass pro 100 Tests (…) bekommt jedes Mal das Heim 30.000 Euro". (…) Das ist ja unfassbar." Damit sei klar, so die Frau, "warum die so gerne testen".

Sie impliziert damit, dass der Einsatz von Antigen-Schnelltests in Pflege- und Senioreneinrichtungen aus wirtschaftlichem Gewinnstreben heraus geschehe und nicht, um die Bewohner der Heime vor einer Infektion zu schützen.

Wie die Frau zu dieser Behauptung kommt, bleibt unklar. Es ist allerdings typisch für die Verbreitung von Falschinformationen, dass diese ohne Angabe von Quellen geschieht, beziehungsweise unter Berufung auf Personen, "die namentlich nicht genannt werden wollen" oder eine nicht näher genannte "Freundin" oder "Bekannte" sind.

Pia Lamberty ist Sozialpsychologin und forscht an der Johannes-Gutenberg-Uni Mainz zu Verschwörungstheorien. Sie sagt zu diesem Vorgehen auf Anfrage des #Faktenfuchs: "Bei Verschwörungsgläubigen werden alle mit Skepsis betrachtet, die von ihnen mit Macht assoziiert werden - seien es Ärzte, Wissenschaftler oder Politik." Wenn nun Bekannte, Freunde oder Mitarbeiter als Quelle benannt würden, solle das so wirken, als wären dies 'unverdächtige' Personen, die scheinbar nur das Gute und die Wahrheit im Sinn hätten, so Lamberty. "Dabei ist es dann egal, dass sich die Aussage in der Regel jeglicher Nachprüfbarkeit entzieht."

Einrichtungen bekommen Tests erstattet - aber nicht pauschal

Zurück zur Behauptung, Pflege- und Senioreneinrichtungen bekämen viel Geld, wenn sie viel testeten:

Die Einrichtungen bekommen die Beschaffungskosten der Schnelltests sowie deren Anwendung erstattet. Das bayerische Gesundheitsministerium weist in seinem Schreiben an die Verbände der Leistungserbringer darauf hin, dass die "Beschaffungskosten und Durchführungsaufwendungen (...) nach Maßgabe der Testverordnung des Bundes durch die Soziale Pflegeversicherung refinanziert" werde.

Voraussetzung für die Refinanzierung ist laut der Coronavirus-Testverordnung des Bundes, dass das zuständige Gesundheitsamt das Testkonzept der jeweiligen Einrichtung genehmigt hat. Auf dieser Grundlage wird "die Menge der PoC-Antigen-Tests unter Berücksichtigung der Anzahl der Personen" festgelegt, die "in oder von der jeweiligen Einrichtung oder dem jeweiligen Unternehmen behandelt, betreut, gepflegt oder untergebracht werden". Dabei könnten pro genannter Person und Monat bis zu 30 PoC-Antigen-Tests beschafft und genutzt werden.

Außerdem müssen die verwendeten Tests beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gelistet sein, nur dann erfüllen sie nach Herstellerangaben alle vom Paul-Ehrlich-Institut in Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut festgelegten Mindestkriterien für Antigen-Tests und sind erstattungsfähig.

Michael Pflügner vom NürnbergStift und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen, betont: Abgerechnet werden können nur durchgeführte Tests und nicht bereits die Bestellungen. Die tägliche Menge der Testungen werde festgehalten; diese dann mit den Pflegekassen abgerechnet.

Erstattet wird dabei der Preis des Schnelltests bis maximal neun Euro sowie eine Pauschale für die Personalkosten der Durchführung des Tests, nochmals neun Euro pro durchgeführtem Test. Pflügner ergänzt: "Aus diesen Erstattungen müssen Sie dann alle Personalkosten bestreiten."

Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KBV) teilt mit: "Wir rechnen nur die in der Bundesverordnung genannten Leistungen bzw. Schnelltests ab." In der Verordnung ist weder von einer bestimmten Anzahl an Tests die Rede, die gebündelt erstattet werden, noch von einer Prämie oder anderen Sonderleistungen nach Anzahl der Testungen.

Erstattung von 30.000 Euro "nicht nachvollziehbar"

Michael Pflügner vom NürnbergStift erklärt auf Anfrage des #Faktenfuchs: "Wir testen in Fünf-Minuten-Intervallen, d.h. ca. zehn bis zwölf Tests pro Stunde. Geübte machen das schneller und Ungeübte langsamer."

Eine Rechnung: Zwölf Tests pro Stunde, das sind in acht Stunden 96 Tests. Es werden also allein in den Einrichtungen des NürnbergStift pro Tag rund 100 Tests durchgeführt – für die es ja laut der Frau in dem Video angeblich 30.000 Euro geben soll.

Pro Test werden 18 Euro erstattet (neun Euro für den Test selbst und neun Euro für die Anwendung, für Personalkosten u.ä.). Macht also bei den rund 100 Tests am Tag 1.800,- Euro. "Wie man da auf 30.000 Euro kommen soll, ist für mich nicht nachvollziehbar", sagt Michael Pflügner. Und auch der Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, teilt mit: "Es gibt keine Prämie". Gezahlt werde nur der tatsächlich durchgeführte Test.

Fazit:

Schnelltests auch und vor allem in Pflege- und Senioreneinrichtungen sind Teil der Teststrategie der Bundesregierung. Danach wird empfohlen, Patienten, Bewohner und Betreute "regelmäßig" mit Antikörper-Schnelltests zu testen. Das bayerische Gesundheitsministerium beziffert diese Testungen auf drei pro Woche. Allerdings sind die Tests - etwa nach Darstellung des Robert Koch-Instituts – nicht immer zuverlässig und müssen durch geschultes Personal angewandt werden. Dass Einrichtungen, wie in sozialen Netzwerken behauptet wird, pro 100 durchgeführter Tests 30.000 Euro bekämen, lässt sich aus dem, was die Heime für die Anschaffung und Anwendung der Schnelltests bei den Pflege- und Krankenkassen abrechnen können, nicht nachvollziehen.

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