Eine Flasche mit der Aufschrift «Klimaschutz könnte man Tanken - E-Fules for Future» steht vor einem Kanister während einer E-Fuels-Probefahrt im Rahmen der Stuttgarter Mobilitätswoche gehalten.
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E-Fuels: Seit Wochen wird über Vor- und Nachteile von synthetischen Kraftstoffen debattiert.

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E-Fuels: Unverzichtbar für klimaneutrale Zukunft?

Seit dem EU-Zugeständnis für Deutschland, E-Fuels beim Verbrenner-Aus auszunehmen, gibt es Diskussionen über synthetische Kraftstoffe. Brauchen wir sie für eine klimaneutrale Zukunft? Oder sind sie gerade im Pkw-Verkehr unnötig? Ein Expertengespräch.

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

"Ineffizient und teuer" – "Die Zukunft": Die Bewertungen von synthetischen Kraftstoffen, E-Fuels, könnten in der öffentlichen Debatte kaum weiter auseinander gehen. Für das neue "Possoch klärt" (Video oben, Link unten) hat Dominic Possoch jeweils mit Thomas Koch und Falko Ueckerdt gesprochen. Koch beschäftigt sich am Karlsruher Institut für Technologie mit E-Fuels, Ueckerdt tut das ebenfalls – am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

Trotz des ähnlichen Forschungsfeldes sind ihre Einschätzungen unterschiedlich.

Sind E-Fuels wichtig für eine klimaneutrale Zukunft?

Dominic Possoch: Wie wichtig sind E-Fuels für eine klimaneutrale Mobilität der Zukunft?

Thomas Koch: Alle Rechnungen zeigen auf, dass wir, wenn wir die CO2-Reduktionsziele ernst nehmen, sämtliche Technologiepfade parallel mit großen Anstrengungen beschreiten müssen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft eine Elektromobilität ausbauen werden, die für viele Anwendungen hochinteressant und wertvoll ist. Das eine wird aber nicht ausreichen, sodass wir eben einen Verbund aus Technologien benötigen werden.

Was die Investitionsentscheidungen der entsprechenden Industriezweige angeht, was die weltweiten Aktivitäten angeht, sind E-Fuels eine ganz, ganz wichtige Säule der Zukunft. Es wird im großen Stil hier Forschungsarbeit, Entwicklungsarbeit und Aufbauarbeit geleistet. Die entsprechenden Mineralölfirmen sagen ja ganz klar, sie machen das auf jeden Fall. Wenn Europa es nicht wünscht, dann liefern sie halt anderen Kontinenten den grünen Kraftstoff.

Falko Ueckerdt: E-Fuels sind unverzichtbar. Wir brauchen sie unbedingt im Flugverkehr und im Schiffsverkehr. Außerhalb der Mobilität brauchen wir sie noch im Chemiesektor. Für den Straßenverkehr und darum dreht sich ja die Diskussion, sieht die Sache ein bisschen anders aus. Sie sind dort nicht unverzichtbar. Das ist sehr wichtig, festzuhalten. Und dann hängt es sehr stark von den verfügbaren Mengen, von den Kosten und auch von Effizienzen ab, welche Rolle sie da spielen würden.

Grundsätzlich kann man sagen: Aller Voraussicht nach spielen sie für den Pkw eine untergeordnete Rolle. Es kann sogar sein, dass sie dort keine Rolle spielen. Insbesondere dann, wenn man sie aus systemischer Sicht und auch aus gesellschaftlicher und politischer Sicht da priorisiert, wo sie tatsächlich unverzichtbar sind und sie wirklich ihrer Klimafunktion entsprechend im Flugverkehr und im Schiffsverkehr einsetzt.

Im Video: E-Fuels – Retten synthetische Kraftstoffe die Zukunft? Possoch klärt!

E-Fuels: "viermal so teuer wie Benzin"

Possoch: E-Fuels werden in einem komplexen Verfahren mit Strom hergestellt, aus Wasserstoff und Kohlenstoff. Macht das E-Fuels zu teuer für den Massenmarkt?

Ueckerdt: Weil es so viele Prozessschritte sind und man Effizienzverluste hat und an jedem Prozessschritt wirklich eine Investition hat, ist das Produkt, was am Ende rauskommt, relativ teuer. Also heute noch unbezahlbar. Das liegt aber daran, dass wir noch keine kommerziellen Anlagen im industriellen Maßstab haben. Aber auch in den nächsten Jahren, wenn es industrielle Anlagen gibt, ist es etwa zum Beispiel viermal so teuer wie der Rohölpreis oder ein Großhandelspreis von Benzin.

Koch: Wenn Sie zum Bäcker gehen und ein Brötchen kaufen, dann sind die Kosten des Brötchens im Wesentlichen abhängig vom Mehlpreis und von den Energiekosten. Günstigere Energiekosten, günstigere Mehl-Kosten bedeuten günstigere Brötchen. Genau das Gleiche ist bei den E-Fuels der Fall.

Entscheidende Eingangsgröße ist der Preis für den elektrischen Strom, den man in der Tat braucht. Und wenn Sie natürlich an teuren Standorten das machen, wie in Deutschland, wo der Strom sehr teuer ist, macht es keinen Sinn. Aber sie bauen ja auch nicht in Spitzbergen Zitronen an oder in Alaska Orangen. Sondern sie gehen an die Gunststandorte, wo es günstig ist.

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Thomas Koch, Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie

Wie klimaneutral sind E-Fuels wirklich?

Possoch: Schauen wir auf das Schlagwort Klimaneutralität: Sind E-Fuels wirklich klimaneutral?

Ueckerdt: Das kann man so sagen. Die wichtigen Projekte schielen auch genau auf diese Route, also die nutzen 100 Prozent erneuerbaren Strom, zum Beispiel in Chile bei der Haru-Oni-Anlage und die möchten auch das CO2 tatsächlich aus der Atmosphäre ziehen. Das ist der "best case".

Ich will aber noch eins sagen zu dieser Klimawirkung: Es ist schon wichtig, dass E-Fuels im Prinzip die ineffizienteste Nutzung von erneuerbarem Strom sind. Das ist okay, wenn man nicht dran vorbeikommt. Aber es hat natürlich Implikationen. Nicht nur auf die Kosten, sondern auch auf den CO2-Abdruck des gesamten Lebenszyklus. Denn alles, was da im Strom an CO2 drinsteckt, multipliziert sich über die schlechte Effizienz und steckt dann am Ende fünf- bis sechsfach drin im Fuel.

Das heißt einerseits, wenn wir noch ein bisschen fossilen Strom da hineinmischen, dann kippt die Klimabilanz und es ist gar keine Klimaschutzwirkung mehr da. Aber andererseits, auch wenn wir 100 Prozent Solar- und Windstrom reinpacken, die haben auch einen CO2-Fußabdruck und der ist gar nicht mal so klein.

Es ist das Beste, was wir machen können, aber auch dieser Fußabdruck multipliziert sich, sodass da eigentlich immer noch ein Sockel an Emissionen drin ist im E-Fuel – zumindest so lange wie wir nicht die Industrieprozesse, die zur Herstellung der Anlagen notwendig sind, auch vollständig dekarbonisiert haben.

Possoch: Der Transport von Chile oder sonst wo nach zum Beispiel Deutschland müsste dann auch klimaneutral sein, damit die Rechnung aufgeht, oder?

Koch: Wenn Sie heute fossile Rohöl-Transporte haben von den entsprechenden Rohöl-Quellen dieser Erde, das transportieren wir nach Europa und da ist der Transport extrem energieeffizient, obgleich auf der Basis von fossiler Energie beruhend, keine Frage. Aber die Schiffe sind hoch effizient und transportieren das mit geringen Geschwindigkeiten und großem Volumen sehr, sehr effizient über die Weltmeere.

Die Transportverluste sind aber gegeben, da haben Sie recht. Das muss mit eingerechnet werden. Und trotzdem haben sie aber einen derartigen Nutzen, weil an den Gunststandorten eben der Erntefaktor der Photovoltaik und Windkraftanlagen so viel besser ist als bei uns im Schwarzwald oder in Hamburg, weil eben bei uns nicht immer die Sonne scheint und nicht immer der Wind bläst.

Hauptkritikpunkt an synthetischen Kraftstoffen: der Wirkungsgrad

Possoch: Ein Hauptkritikpunkt an E-Fuels ist der Wirkungsgrad. Da gibt es verschiedene Rechnungen, zum Beispiel vom "VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik": Der Strom einer 3-Megawatt-Windturbine reicht für 1.600 Elektroautos, 600 Wasserstoffautos oder eben für 250 E-Fuel-Autos. Ist der Wirkungsgrad wirklich so schlecht?

Koch: Sie müssen auch bei einem Elektrofahrzeug alles berücksichtigen: Sie haben die Überlandverluste des Stromnetzes. Sie haben die Niedrigspannungsstromnetz-Verluste. Sie haben die Einspeicherverluste ins Fahrzeug über die Wallbox, über die Leistungselektronik in die Batterie hinein, wo massiv gekühlt werden muss und Energie letztendlich in Wärme abgeführt wird.

Und dann haben Sie im Betrieb natürlich auch Verluste in der Batterie, in der Leistungselektronik, im Elektromotor, in der Übertragung. Sie haben Stillstandsverluste und Sie haben natürlich auch Heizungsverluste. Sie müssen die Fahrzeuge auch heizen.

Wenn Sie all das sauber berücksichtigen, dann haben Sie sicherlich keinen Vorteil mehr in der Elektromobilität im Mittel. Es gibt Einzelanwendungsfelder, da ist die Elektromobilität hervorragend. Das ist kein Plädoyer gegen eine Technologie, sondern ein Plädoyer dafür, dort, wo die Stärken einer Technologie besonders gut sind, die auch zum Einsatz kommen zu lassen.

Ueckerdt: Der Wirkungsgrad von Strom zu kinetischer Energie auf der Straße ist schlecht und der bleibt schlecht. Es gibt ein bisschen Verbesserungspotenziale, aber es gibt auch physikalische Grenzen.

Man versucht hier schon was Verrücktes: Man versucht, bei einem Kohlenwasserstoff zu bleiben und bei der Verbrennung zu bleiben. Und das hat Nachteile. Allein der Verbrennungsprozess im Auto, da verliert man etwa 70 Prozent der Energie, also nur vom Tank zur Straße. Das ist inhärent im Verbrennungsprozess. Bei der Batterie zum Elektromotor verliert man zehn bis 20 Prozent, also einfach deutlich weniger.

Bei der Herstellung des Fuels verliert man auch in etwa 50 Prozent der Energie, weil es tatsächlich so ein umständlicher Prozess ist. Und trotzdem ist er attraktiv, weil das Produkt, was man am Ende hat, eben den fossilen Kraftstoffen so ähnlich ist und man die fossile Infrastruktur weiternutzen kann.

Aber noch mal zu den Effizienzen: Man kann argumentieren, der Strom ist anderswo vielleicht günstiger beziehungsweise der Wind weht öfter und länger. Die Volllaststunden einer Windkraftanlage in Chile zum Beispiel sind höher. Das stimmt. Gleichzeitig muss man wirklich gucken auf die Kosten am Ende. Die Investitionen dort im Süden Chiles, in Patagonien, für so ein Windrad, da bezahlt man sehr hohe Risikoaufschläge gerade. Das wird sich ändern. Aber grundsätzlich macht es Sinn, am Strom anzusetzen und dann vielleicht noch die Stromerzeugungskosten zu vergleichen. Da kommt noch ein kleiner Faktor rein, aber er wird niemals diese Effizienzverluste überkompensieren können.

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Falko Ueckerdt, Energieforscher am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung

Globales Angebot an E-Fuels vs. Nachfrage in Deutschland

Possoch: Die Frage ist auch: Werden E-Fuels in Zukunft überhaupt in der Breite, wie wir sie bräuchten zur Verfügung stehen? Da gibt es die Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, dass die bis 2035 weltweit angekündigten E-Fuel-Projekte, das sind um die 60, etwa zehn Prozent der deutschen Nachfrage nur in den unverzichtbaren Anwendungen decken, also Flugverkehr, Schiffverkehr, stoffliche Nutzung in der Chemie, keine Lkws und keine Pkws.

Ueckerdt: Wir wollten einfach mal so ein bisschen mehr Transparenz und Information hineinbringen in die Frage: Wo stehen wir mit E-Fuels und was ist auch angekündigt? Und das Ergebnis hat uns auch selbst überrascht: Alles, was angekündigt ist, ist noch super wenig – und da sind einige Projekte angekündigt über die nächsten Jahre, also man erkennt da schon ein Hochlauf. Es heißt nicht, dass es so bleiben muss.

Gleichzeitig haben wir aber dann noch ein Szenario gemacht und haben mal so getan, als ob die E-Fuel-Ankündigungen so schnell wachsen wie Solar-Photovoltaik. Solar-Photovoltaik war die bisher schnellstwachsende Technologie im Energiebereich. Und selbst dann ändert sich das Bild nicht deutlich. Selbst dann ist in 2035 die verfügbare globale Menge an E-Fuels nicht ausreichend, um allein die unverzichtbaren Mengen in Deutschland zu decken.

Ganz grundsätzlich liegt es natürlich daran, dass wir bei E-Fuels wirklich noch am Anfang stehen. Es gibt noch keine industrielle Anlage, die die produziert. Wir haben Demonstrationsanlagen. Chile kann pro Tag 350 Liter E-Fuels produzieren.

Koch: Es ist ausschließlich eine Frage der Willensbekundung, ob man diesen Weg beschreitet, dass man CO2-neutrale Mobilität und CO2-neutrale Energieträger generell im großen Stil fördert.

Richtig ist – und die Kritik trifft alle –, dass Industrie, Forschung und Politik viel zu spät angefangen haben, sich intensiv mit der Technologie und mit den Potenzialen zu beschäftigen. Wir sind also hier in der Tat spät dran. Aber es geht doch um das CO2-Restbudget. Es geht darum, die CO2-Ziele einzuhalten und zu erreichen.

Und dann ist es doch nur gut, wenn man hier einen weiteren Weg hat, der CO2-Neutralität ermöglicht, wenn man den auch realisiert. Und ich verstehe nicht, warum Aussagen wie: "Es gibt nicht genügend Anlagen" als Argument per se herangezogen werden. Wenn das eine gute Technologie ist, wenn sie sich trägt und wenn sie umweltfreundlich und auch nachhaltig ist, das ist natürlich eine wichtige Rahmenbedingung, dann sollte man das doch ermöglichen.

Es geht doch zugunsten der Natur und zugunsten des Planeten Erde. Und die Investitionsbereitschaft ist da, weltweit sowieso. Und die wird auch noch weiter angefacht werden. Es ist eine Frage der Willensbekundung: Möchte man das? Ja oder Nein. Und dann werden Sie sehen, dass dann auch in Europa eine große Begeisterung einsetzen würde, so wie wir die heute in China und in den USA schon spüren.

Braucht es eine duale Strategie?

Possoch: Also würde Deutschland den Anschluss verlieren, wenn wir nicht auf beides setzen: Elektromobilität und E-Fuels?

Koch: Das sind immer meine Worte gewesen: Ein guter, cleverer Mix an Technologien, nichts ausschließen und beide Technologien vorantreiben. Das Gute ist, dass wir bei den E-Fuels im Wesentlichen sogar die Investitionen zumindest in unserem Wirtschaftsraum einigermaßen niedrig halten können. Es müssen natürlich Investitionen vor Ort getätigt werden. Das müssen Investoren tätigen, die das dann auch über 20, 30 Jahre abschreiben können. Der Umbau unseres gesamten Energiesystems ist ja sehr teuer.

Aber wir können ganz gut mit den Kosten haushalten. Wir haben die Raffinerien, die die Endverarbeitung machen, die können auch weiterleben in Deutschland. Die verarbeiten halt nicht mehr Rohöl, sondern diese Vorprodukte der E-Fuels. Es ist kostenmäßig auch eine sehr, sehr wertvolle, günstige, volkswirtschaftlich optimale Ergänzung.

Ueckerdt: Mein Eindruck ist eher, dass da eben die Hoffnung ist, dass noch möglichst lange tatsächlich fossiles Rohöl verwendet werden kann. Und ich glaube auch nicht, dass Deutschland oder Europa den Anschluss verliert. Deutsche Firmen können und müssen global investieren, allein, um schon die Nachfragen im Flug- und Schiffsverkehr zu decken und dann noch zusätzlich in der Chemie. Diese Nachfragen sind riesig, das sind wirklich große Märkte und das sind unverzichtbare Märkte, die brauchen wir für die Klimaneutralität.

Und am Ende ist es dem E-Fuel egal, wo’s verwendet wird. Aber dem Klima ist es nicht egal. Denn das Wichtige ist und das sagen die Märkte auch und jetzt drehe ich das Argument: Die E-Mobilität ist die dominante Strategie, aber auch die dominante Option, die sich heute schon durchsetzt in den Pkw-Märkten. Wenn Deutschland das nicht versteht und relativ strukturkonservativ Visionen entwickelt werden, dass wir den Pkw mit E-Fuels in größerem Maße betreiben können, dann entsteht daraus das Risiko, dass Deutschland hier den Anschluss verpasst.

Wir brauchen das klare Signal für die E-Mobilität. Und dann kann man auch noch eine Hintertür offen halten für die E-Fuels, falls wir nicht auf 100 Prozent E-Mobilität kommen. Aber wie groß diese Hintertür ist, ist sehr unsicher. Ich würde aus meiner Szenarien- und Energiesystemforschung sagen: Die Tür ist relativ klein.

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