Steckdose und Stecker
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22 Billionen Kilowattstunden Strom verbraucht der Mensch jedes Jahr. Und es werden jedes Jahr mehr.

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Der große Hunger nach Strom

Googeln, Streamen, Smart Home - die digitale Welt braucht Strom. Zu viel Strom auf Dauer. Außerdem werden Ressourcen verschwendet. Wissenschaftler suchen deshalb nach Wegen, die Digitalisierung grüner zu machen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

E-Paper, Bitcoin, Smart Home, Personalausweis übers Bürgerportal. Die Welt von morgen ist digital und vernetzt – und das bedeutet: Sie ist elektrisch. Ohne Strom geht künftig gar nichts mehr. Langfristig gesehen schätzen Szenarien den Stromverbrauch der gesamten Informations- und Kommunikationstechnik auf 20 Prozent des gesamten Strombedarfs weltweit, sagt Tilman Santarius, Wirtschafts- und Sozialforscher an der Technischen Universität Berlin. Ein Umdenken ist deshalb notwendig. Nicht nur wegen des immensen Stromverbrauchs der digitalen Technik, der auf Dauer nicht gestillt werden kann. Es geht dabei auch um Einsparungen von Ressourcen und den Schutz des Klimas.

Streaming und Bitcoin sind die großen digitalen Stromfresser

Einmal kurz googeln, den Wetterbericht anschauen oder ein paar Fotos auf den Sozialen Medien posten - das kann doch nicht viel Strom kosten, denken viele. Der Akku vom Handy, Smartphone oder Laptop hält ein, zwei Tage und ist schnell wieder aufgeladen. Doch die digitale Welt funktioniert eben nicht nur über die Endgeräte wie Smartphones oder Laptops.

Mit jeder digitalen Aktion setzen wir ganze Rechenzentren in Gang, in denen Daten gespeichert und abgerufen werden. Diese sogenannten Data Center brauchen viel Strom. Derzeit machen sie Untersuchungen zufolge schon vier Prozent des weltweiten Strombedarfs aus, sagt Dieter Kranzlmüller, Direktor des Leibniz-Rechenzentrums (LRZ) in Garching und Leiter der Forschungseinheit für Kommunikationssysteme und Systemprogrammierung an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Einer der größten digitalen Stromfresser ist das Streamen. Einen Film per Streaming gucken verbraucht so viel Strom wie sieben brennende LED-Lampen in der gleichen Zeit, sagt Tilman Santarius, Wirtschafts- und Sozialforscher an der Technischen Universität Berlin. Beim Bezahlen mit der Internet-Währung Bitcoin ist der Energieverbrauch noch höher: Eine Transaktion per Bitcoin, schätzen Experten, ist mindestens 100.000 Mal so energieintensiv wie das Zahlen mit der Kreditkarte. Und der Hunger nach Strom steigt und steigt. Bis 2030 werden schätzungsweise 9.000 Terawattstunden - das sind 9.000 Milliarden Kilowattstunden - in Digitalisierung fließen. Das ist so viel Strom, wie heute die Europäische Union und China zusammen verbrauchen.

Brauchen wir eine "Digitalscham"?

Müssen wir neben der "Flugscham" bald auch die "Digitalscham" in unseren Wortschatz aufnehmen, weil wir mit unserer Digitalisierungs-Wut so viel Energie verschleudern? Ja, wir haben ein Problem, sagen unter anderem die Experten des "Shift Project". Die Pariser Denkfabrik, die sich "The Carbon Transition Think Tank" nennt und sich den Übergang zum kohlenstofffreien Wirtschaften zur obersten Maxime gemacht hat, errechnete 2018 den Energieverbrauch der globalen Informations- und Kommunikationstechnik und deren Folgen.

"Wenn man die Herstellung und Nutzung von Computern, von Netzen und von Datenzentren zusammenrechnet, dann kommt man in der Summe auf vier Prozent aller Treibhausgase – das ist mehr als die gesamte zivile Luftfahrt." Maxime Efoui-Hess, "The Shift Project", Paris

Innovationen führen noch nicht zu geringerem Energieverbrauch

Energieeinsparungen bei der Digitalisierung sind also aus vielerlei Gründen nötig. Doch was ist hier überhaupt möglich? Noch geben technische Innovationen die Einsparpotenziale nicht her. Im Gegenteil: Der steigende Bedarf frisst die Energiegewinne der neuen Technik nicht nur wieder auf, er führt sogar zu einem höheren Energieverbrauch.

Energieeinsparung durch Kühlung

Folglich müssen andere Ideen zu einem geringeren Energieverbrauch in der digitalen Welt führen. Eine davon ist, die Rechenzentren in kalten Gegenden zu errichten. Weil es dort ohnehin schon kalt ist, braucht man weniger Strom, um die Rechenelemente zu kühlen. Das dachte sich auch Facebook. Das US-Unternehmen baute deshalb eine seiner Datenfabriken in Nordschweden, nahe dem Polarkreis. Und der Softwareriese Microsoft versenkte gleich ein ganzes Rechenzentrum vor den schottischen Orkney Inseln ins kalte Meerwasser.

Dieter Kranzlmüller, Leiter des Leibniz-Rechenzentrum in Garching, hatte eine ganz andere Idee, um den Stromverbrauch für den Superrechner in seinem Forschungszentrum zu reduzieren. Kranzlmüller setzte auf Kühlung mittels warmem Wasser: Neben den elektrischen Leitungen fließen seither dünne Wasserrohre aus Kupfer auf den Rechenelementen des Superrechners im Leibniz-Rechenzentrum in Garching. 1,6 Millionen Euro spart das Forschungszentrum nun dadurch jährlich an Stromkosten.

Wie kann ich selbst bei der Nutzung digitaler Dienste Strom sparen?

Selbst bei der Nutzung digitaler Dienste, wie zum Beispiel beim Aufrufen von Webseiten oder Ansehen von Filmen im Internet, Strom zu sparen, ist hingegen gar nicht so einfach. Der Stromverbrauch hängt schließlich von verschiedenen Faktoren ab. Der Standort und die Internetgeschwindigkeit spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Anzahl der Server und Router, die dafür passiert werden müssen. Das hat man nicht alles im Griff. Der Stromverbrauch kann aber schon hierdurch erheblich variieren. Natürlich kann das eigene Endgerät auch zu einem mehr oder weniger hohen Stromverbrauch bei der Internetnutzung beitragen. Aber es ist eben nicht der einzige Stromfresser.

Software für bedarfsorientierte Rechengeschwindigkeit spart Strom

Trotzdem bestehen weitere Möglichkeiten, in der digitalen Welt Strom einzusparen. Eine Software, die die Rechengeschwindigkeit des Computers drosselt, kann dies laut Kranzlmüller vom Leibniz-Rechenzentrum in Garching schaffen. Denn das Reduzieren der Leistungsgeschwindigkeit spart Strom.

"[...] Wenn er langsamer rechnet, dann braucht er umso weniger Strom [...]. Und wir bestimmen praktisch die beste Geschwindigkeit, die der Prozessor für die Abarbeitung einer bestimmten Aufgabe braucht:" Dieter Kranzlmüller, Direktor des Leibniz-Rechenzentrums in Garching

Digitale Welt: Energieintensive Anwendungen wie Bitcoin vermeiden

Hans-Dieter Henning, Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg, spricht sich dagegen dafür aus, digitale Anwendungen, die regelrechte Stromfresser sind, einfach zu vermeiden

"Es spricht von vornherein gegen Lösungen, die per se schon mal einen sehr hohen Stromverbrauch bedingen, also sehr viel Datentransfer benötigen. Das ist ja auch eine Kritik an den Blockchain Technologien, wie sie beispielsweise für Bitcoin eingesetzt werden. die zumindest in ihrer ersten Generation eigentlich für den Handel [...] nicht in Frage kommen, weil eben dadurch ein übermäßiger Energiebedarf neu geschaffen wird. " Hans-Dieter Henning, Chef des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg

Sanfte Digitalisierung - digital nur, wo nötig

Nicht nur Strom einsparen, die Digitalisierung ganz weglassen, wo sie nicht nötig ist, darum geht es Tilman Santarius, Wirtschafts- und Sozialforscher an der Technischen Universität Berlin. "Sanfte Digitalisierung" nennt er das. Für ihn ist die Digitalisierung stets mit folgender Frage verbunden:

"[...] wo sollten wir lieber darauf verzichten, weil es klassisch, analog, eigentlich zu ähnlichen Zielen führt und gleichzeitig weniger ressourcenintensiv ist? Also erst nachdenken, dann digitalisieren - das ist unser Slogan." Tilman Santarius, Wirtschafts- und Sozialforscher an der Technischen Universität Berlin

Denn es geht eben nicht nur darum, Strom zu sparen. Es geht auch darum, trotz Digitalisierung sparsam mit Ressourcen umzugehen. Wertvolle Rohstoffe wie Gallium, Kupfer oder Kobalt, die in Laptops, Handys und Batterien verbaut werden, sind nicht nur endlich, ihr Abbau ist auch energieintensiv. Auch deshalb ist ein Umdenken dringend nötig.

"[...] Heute digitalisieren wir, weil wir es können. Wir digitalisieren alle Anwendungen, die uns so einfallen. 2018 hat man eine vernetzte Pfanne auf den Markt gebracht, einen vernetzten Salzstreuer, ein vernetztes Präservativ. Aber es gibt eben Randbedingungen, die wir beachten müssen. Deswegen müssen wir sparsam sein, überlegen, was nützlich ist. Das ist die Lösung." Maxime Efoui-Hess, "The Shift Project", Paris