Frau hält eine Hand auf ihren Bauch
Bildrechte: picture-alliance/dpa

Fehlende Darmbakterien können depressive Stimmungen verursachen

Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Sind Darmbakterien schuld an Depressionen?

Darmbakterien können die Stimmung eines Menschen beeinflussen. Das zeigt die Mikrobiomforschung, die die Welt der Darmflora und ihre Zusammenhänge untersucht. Depressiven Menschen fehlen womöglich bestimmte Bakterien in ihrem Darm.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Forscher möchten verstehen, wie Depressionen entstehen. Bei ihrer Spurensuche sind sie nun auf den mikrobiellen Stoffwechsel im Darm gestoßen. Sie entdeckten einen möglichen Zusammenhang zwischen Darmbakterien und der psychischen Gesundheit eines Menschen. Mit dem Ergebnis, dass bei Menschen mit Depression zwei Bakterienstämme fehlen.

Erste große Studie zur Mikrobiomforschung

Ein Team um Mireia Valles-Colomer und Prof. Dr. Jeroen Raes von der Katholischen Universität Leuven in Belgien untersuchte in einer groß angelegten Studie mit über 2.000 Stuhlproben, wie Mikrobiommerkmale mit der psychischen Gesundheit zusammenhängen. Ihre Studie wurde im Fachjournal "Nature Micobiology" im Februar 2019 veröffentlicht. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Bakterienarten der Gattungen Coprococcus und Dialister bei Personen mit Depression vermindert im Stuhl nachgewiesen wurden. Selbst nach Einnahme von Antidepressiva hatte sich dieses Ergebnis nicht verändert. Die erste große europäische Studie bestätigt bisherige Vermutungen der Mikrobiomforschung.

Darmbakterien als Ursache einer Depression?

Trotzdem stellt sich die Frage, ob Menschen mit trüben Stimmungen sich anders ernähren und deshalb diese Bakterien nicht vorhanden sind? Oder ob der Mangel an bestimmten Bakterien tatsächlich zu einer Depression führt? Die Wissenschaftler können mit ihren Ergebnissen nicht die Zusammensetzung der Bakterien aufzeigen, die das Erkrankungsrisiko beeinflussen. Sie stellten nur fest, dass bei Menschen mit Depression diese beiden Darmbakterien fehlen. Unklar ist auch, wie ihre Ergebnisse für mögliche Therapien angewendet werden können.

Darmbakterien und das Immunsystem

Darmbakterien bilden Substanzen, die sich auf die Funktion der Nervenzellen auswirken. Das ist weitgehend in Tierversuchen erforscht. Studien mit Menschen fehlen hier allerdings noch. Die belgischen Forscher sehen einen deutlichen Zusammenhang zwischen Darm und Gehirn. So vermutet auch Thomas Baghai, Psychiater an der Universität Regensburg, dass die Immunabwehr des Nervensystems durch bestimmte Stoffe die die Bakterien ausschütten, beeinflusst wird und dadurch die Stimmung beeinträchtigt. In seinen Tierversuchen konnte er ebenfalls nachweisen, dass depressive Tiere eine andere Darmflora als gesunde haben.

Stuhltransplantation als Therapie

An der Universität Basel gehen Forscher noch weiter und versuchen mit Stuhltransplantationen die Mikrobiomzusammensetzung zu beeinflussen. Der Stuhl von gesunden Menschen wird Depressiven übertragen. Es sind erste Studien, die vielversprechend für Erkrankte sein können, doch ob sie wirklich helfen, das steht noch am Anfang ihrer Forschung. Ebenso die Frage, wie ein gesunder Stuhl tatsächlich sein muss und wer ihn spenden kann, ohne andere Erkrankungen zu übertragen.

Darmbakterien steuern körperliche Vorgänge

Die Welt der Darmbakterien rückt immer mehr in den Mittelpunkt der Forschung. Doch die Zusammensetzung ihrer Mikrowelt ist sehr individuell und die Ergebnisse von Tierversuchen können auf den Menschen nicht so einfach übertragen werden. Klar ist jedoch, dass Bakterien die Steuerung wichtiger Vorgänge beeinflussen. Was Darmbakterien tatsächlich alles ausrichten und welche Auswirkungen damit einhergehen, da steht die Mikrobiomforschung noch am Anfang.