Kopf von hinten mit Wolke von kondensiertem Atem
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Auch beim Atmen und Sprechen werden Coronaviren freigesetzt, die eine Covid-19-Erkrankung auslösen können.

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Coronavirus anscheinend auch über die Luft ansteckend

Tröpfchen, die beim Niesen und Husten durch die Luft fliegen, verbreiten das Coronavirus Sars-CoV-2. Doch auch winzige Tröpfchen, die als Aerosol in der Luft schweben, spielen anscheinend eine erhebliche Rolle bei der Übertragung des Erregers.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Der Covid-19-Erreger wird von Mensch zu Mensch übertragen. Deshalb hat die Reduzierung der zwischenmenschlichen Kontakte während des "Lockdowns" die Ausbreitung auch so effektiv gebremst. Unklar ist aber noch, auf welche Weise genau das Virus weitergegeben wird. Die meisten Infektionen geschehen wohl durch Tröpfchen, die beim Niesen und Husten entstehen. Ein Mundschutz soll diese aufhalten oder wenigstens bremsen.

Schwebende Teilchen

Aber auch beim Sprechen geben Menschen Speicheltröpfchen ab. Allerdings sind diese viel kleiner. Jedes einzelne dieser Mikrotröpfchen enthält deshalb zwar weniger Viren als ein großer Tropfen. Dafür sind die Mikrotröpfchen aber so leicht, dass sie nicht zu Boden sinken, sondern längere Zeit als Aerosol in der Luft schweben können.

Tröpfchen mit Laser-Beleuchtung

US-Forscher vom National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK) wollten wissen, wie lange die Tröpfchen in der Luft bleiben können. Für ihre Studie, die am 13. Mai 2020 in der Zeitschrift PNAS erschien, ließen sie eine Testperson in einem geschlossenen Raum 25 Sekunden lang laut den Satz "Stay healthy!" (Bleib gesund!) wiederholen. Ein in den Raum projizierter Laser beleuchtete die Tröpfchen, um sie sicht- und damit zählbar zu machen. Das Ergebnis lautete: Im Durchschnitt blieben die Tröpfchen zwölf Minuten lang in der Luft.

Tausend Tröpfchen pro Minute

Auf Basis der Konzentration des Coronavirus im Speichel errechneten die Wissenschaftler, dass in jeder Minute lauten Sprechens mehr als tausend virusbelastete Tröpfchen produziert werden können. Diese verweilen dann in einem geschlossenen Raum mindestens acht Minuten lang in der Luft.

Kein Beweis für Ansteckungsgefahr in der Realität

Das Ergebnis der Wissenschaftler vom NIDDK belegt aber nicht, wie hoch die Ansteckungsgefahr über Aerosole tatsächlich ist. In der Atemluft von Covid-19-Patienten und in der Raumluft von Patientenzimmern wurde RNA, also das Erbmaterial von Sars-CoV-2-Viren nachgewiesen. Über vermehrungsfähige Viren in Aerosolen gibt es laut des SARS-CoV-2 Steckbriefs des Robert Koch-Instituts RKI (Stand 22. Mai 2020) noch keine Studien. Das RKI äußert sich daher sehr vorsichtig zur Bedeutung von Aerosolen bei der Übertragung.

"Auch wenn eine abschließende Bewertung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig ist, weisen die bisherigen Untersuchungen insgesamt darauf hin, dass SARS-CoV-2-Viren über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang in besonderen Situationen übertragen werden können." SARS-CoV-2 Steckbrief des RKI

Christian Drosten, Leiter der Virologie der Charité in Berlin, ist da mutiger und wagt eine Beurteilung der aktuellen Forschungslage. In der 40. Folge des NDR-Podcast "Das Coronavirus-Update" vom 12. Mai 2020 äußert er sich zu den Ergebnissen von Studien aus China, den USA und Großbritannien, die die Bedeutung von Aerosolen für die Übertragung belegt beziehungsweise berechnet haben:

"Wenn ich das alles zusammenfasse, dann ist mein Bauchgefühl: Fast die Hälfte der Übertragung ist Aerosol, fast die andere Hälfte der Übertragung ist Tröpfchen und vielleicht zehn Prozent der Übertragung ist Schmierinfektion oder Kontaktinfektion." Christian Drosten, Virologe, Charité Berlin

Daraus müsse man Empfehlungen für den Alltag ableiten. Drosten hält es beispielsweise für gefährlich, dicht an dicht in einem Raum zu sitzen. Unter freiem Himmel könne man sich hingegen anders verhalten:

"Restaurants, die Terrassenbereiche und Außenbereiche haben, die sollten ermutigt werden, gerade diese Bereiche zu nutzen. Ich würde hier auch so weit gehen, zu sagen, im Außenbereich ist ein Zwei-Meter-Abstand wahrscheinlich gar nicht notwendig, denn das Virus, das über Aerosol-Übertragung verbreitet wird, weht eh weg, wenn man draußen ist." Christian Drosten, Virologe, Charité Berlin

Luft-Messung im Gebäude-Simulator

Die Frage, wie hoch das Risiko der Ansteckung über die Atemluft ist, beschäftigt gerade viele Forscher. Am Lawrence Berkeley National Laboratory in den USA wird gerade untersucht, wie sich dieses innerhalb von Gebäuden reduzieren lässt. Dazu nutzen sie den nach eigenen Angaben fortschrittlichsten Gebäude-Simulator um herauszufinden, wie sich beispielsweise zusätzliche Belüftung oder zusätzliche Filter auf den Transport von Tröpfchen und Aerosolen auswirken.

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Ein simuliertes Gebäude dient dazu, das Verhalten der Luft im Inneren zu messen, um die Ansteckungsgefahr minimieren zu können.

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