Die Corona-Infektionszahlen könnten aktuell deutlich höher sein als ausgewiesen. Das vermutet nicht nur der Verband der Ämtsärzte, der deshalb schärfere Maßnahmen fordert - vor allem eine Maskenpflicht. In Bus und Bahn müsse sie unbedingt erhalten bleiben – auch in den bevorstehenden Sommermonaten.
Maske so selbstverständlich nutzen wie das Handy
Der Vorsitzende des Berufsverbands der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst, Johannes Nießen, sagte im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio, die Maske müsse man auch im Sommer ebenso bei sich tragen und benutzen wie ein Handy. Das sei aufgrund der weiterhin hohen Infektionszahlen wichtig, so der Mediziner. Er hält die Abschaffung der Maskenpflicht in Geschäften darum für einen Fehler.
Infektionszahlen wohl doppelt so hoch wie gemeldet
Nießen ist Mitglied im Expertenrat der Bundesregierung und leitet das Gesundheitsamt in Köln. Er beobachtet derzeit eine Durchseuchung der Bevölkerung und vermutet, dass die tatsächlichen Infektionszahlen doppelt so hoch sind wie von den Gesundheitsämtern gemeldet.
Der Mediziner hat vor allem Sorge, dass es ohne die nötige Prävention bald mehr Menschen gibt, die an Long-Covid erkranken.
Vorteil von Durchseuchung: Höherer Immunschutz
Eine Durchseuchung führe andererseits auch zu einem erhöhten Immunschutz in der Bevölkerung. In der Folge rechnet der Mediziner damit, dass Deutschland leichter durch Herbst und Winter kommen werde als in den vergangenen Jahren.
Nießen fordert trotzdem, die eingeschlafene Impfkampagne wiederzubeleben: Durch neue Werbemaßnahmen, Aktionen bei den Hausärzten und die gezielte Ansprache ungeimpfter Personen. Es brauche einen Paukenschlag, um die Impflücken insbesondere bei älteren Menschen zu schließen.
RKI: Coronazahlen sinken zwar, aber Dunkelziffer ist hoch
Auch das Robert Koch-Institut (RKI) spricht nach wie vor von einem hohen Infektionsdruck in der Bevölkerung - trotz rückläufiger Trends bei mehreren Corona-Indikatoren. Vergangene Kalenderwoche seien mehr als 750.000 Covid-19-Fälle gemeldet worden, so der RKI-Wochenbericht vom Donnerstagabend. Demnach ist die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz im Wochenvergleich um knapp ein Viertel gesunken. Auch Kennzahlen zu Krankenhausaufnahmen und zu Ausbrüchen in Einrichtungen nähmen ab, hieß es.
Allerdings nimmt auch die Zahl der PCR-Tests deutlich ab - nur noch etwa halb so viele wie in den Märzwochen sind es. Da laut dem Bericht rund 55 Prozent der Tests in der vergangenen Woche positiv ausfielen, was der Quote vom März in etwa entspricht, würde das die These von Amtsarzt Johannes Nießen unterstützen, dass die tatsächlichen Corona-Zahlen doppelt so hoch liegen.
Auch Lauterbach geht von doppelt so hohen Corona-Infektions-Zahlen aus
Experten gehen seit einiger Zeit von vielen nicht erfassten Fällen aus - wegen überlasteter Gesundheitsämter und weil auf positive Schnelltests nicht immer ein Labortest folgt. Am Donnerstag bekräftigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, tatsächlich gebe es derzeit wohl etwa zweimal so viele Fälle, wie offiziell ausgewiesen.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!