Mann steht im Gegenlicht am Fenster seiner Wohnung
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Das Erleben von Krisen setzt vielen Menschen psychisch stark zu.

    Corona, Krieg und Klimawandel: Wege aus der Krisenmüdigkeit

    Erst Corona-Pandemie, dann Krieg in der Ukraine und Inflation. Dazu kommt die ständige Bedrohung durch den Klimawandel. Gefühlt geht es gerade von einer Krise in die nächste. Was macht das mit den Menschen? Und wie kann man sich am besten wappnen?

    Das Wort "Krise" stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt "schwierige Lage". Eine Krise kann einen Einzelnen oder nur wenige treffen, aber auch ganze Länder oder die gesamte Welt. Jede Krise reißt Menschen aus ihrem gewohnten Leben heraus. Zwei Jahre lang bestimmten die Maßnahmen gegen das Coronavirus den Alltag. Kaum schien die Pandemie langsam zu weichen, kam der russischer Überfall auf die Ukraine. Psychologisch betrachtet verläuft diese gesellschaftlich-politische "Dauerkrise" wie persönliche Krisen auch. Diese lassen sich nach einem gängigen Modell in vier Phasen unterteilen.

    Phase eins: Schock

    Am Anfang steht das "Nicht-Wahrhaben-Wollen". Bei einem Todesfall oder einer Trennung ist das typisch. Unser Gehirn will uns vor vermeintlich bedrohlichen Gefühlen wie Trauer oder Wut schützen, indem es uns von der Realität abschottet. Auch bei Krisen wie Corona, Krieg oder Klimawandel passiert das, wenn auch in abgewandelter Form. Manche Menschen ignorieren in dieser Situation alle Nachrichten in den Medien. Andere tendieren hingegen dazu, ständig alle möglichen Nachrichten zu konsumieren.

    Um aus dem "Hyper-Alarmmodus" rauszukommen, rät die Neurowissenschaftlerin Maren Urner zu einem gesunden Mittelweg, nämlich "dass wir einfach zu bestimmten Zeiten oder an bestimmten Tagen uns Formaten widmen, und ganz bewusst einfach auch die Zeit nehmen. Und dadurch nicht die ganze Zeit das Gehirn in diesen 'Machen-' oder 'Nicht-Machen-Entscheidungsmodus' versetzen."

    Phase zwei: Reaktion

    Nach ein paar Tagen oder Wochen sickert die Realität ins Bewusstsein. Das führt zu Gefühlen wie Angst oder Hilflosigkeit. Durch den Stress kann der Körper anfälliger für Infekte werden; manche leiden unter Schlafstörungen oder greifen zum Alkohol. Maren Urner sagt, dass es wichtig ist, die Gefühle nicht als Zeichen der Schwäche zu sehen, "sondern wirklich es benennen, was grade in mir vorgeht. Vielleicht auch mit den einfachen Worten, die einem in den Kopf kommen. Und wo man erstmal denkt: Ach herrje, wirklich? Aber allein dieser Prozess, das zu benennen, macht ganz, ganz viel mit uns. Nur dann können wir auch Herr und Herrin der Situation werden." Ein gutes soziales Netz ist der entscheidende Faktor für die sogenannte Resilienz, also wie widerstandsfähig unsere Psyche ist. Im Zweifel hilft aber auch schon: aufschreiben.

    Phase drei: Bearbeitung

    Ein Ausweg aus der Krise muss her. Das bedeutet: akzeptieren, was passiert. Irgendwie einen Sinn darin finden, so schwer es auch fällt. Forschende sprechen hier von "Sensemaking". Dadurch kann es gelingen, wieder das Gefühl zu haben, die Lage zu kontrollieren - und schließlich zu Phase vier zu gelangen.

    Phase vier: Neuorientierung

    Die Krise als Chance begreifen. Bei Corona ist das vielen gelungen, etwa durch Arbeiten im Homeoffice. Beim Ukraine-Krieg könnte Neuorientierung heißen, sich in der Flüchtlingshilfe zu engagieren. Neurowissenschaftlerin Maren Urner glaubt, wir sollten mehr in die Zukunft gerichtet denken. Also daran, was wir erreichen wollen: "Das ist das, was uns tatsächlich auch ausmacht: unsere herausragende Vorstellungskraft." So könnte es gelingen, uns auch in Zeiten der Dauerkrise nicht überfordert zu fühlen. Sondern aktiv darauf zu reagieren.

    Europäische Perspektiven zum Russland-Ukraine-Krieg

    BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion. Aktuell im Fokus: der Russland-Ukraine-Konflikt.

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