Blutbeutel mit frisch gespendetem Blut werden gesammelt und kühl gelagert bevor sie weiterverarbeitet werden.
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In Deutschland werden nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) täglich rund 14.000 Blutspenden benötigt.

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Blutgruppe umwandeln – aus A mach Null

Blutkonserven sind lebensrettend. Sie werden nach schweren Unfällen und bei größeren Operationen dringend gebraucht. Kanadische Forscher haben jetzt ein Verfahren entwickelt, mit dem mehr geeignetes Spenderblut zur Verfügung stehen könnte.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Fünf bis sechs Liter Blut durchströmen den Körper jedes erwachsenen Menschen und versorgen ihn mit Nährstoffen und Sauerstoff. In Deutschland ist jeder Dritte mindestens einmal im Leben auf das gespendete Blut seiner Mitmenschen angewiesen. Spenden kann jeder Mensch mit jeder Blutgruppe zwischen 18 und 68 Jahren mit einem Mindestgewicht von 50 kg - ausgeschlossen sind Schwangere, Stillende, Menschen mit bestimmten Erkrankungen sowie Menschen mit sexuellem Risikoverhalten.

Es kann vorkommen, dass es verstärkt Bedarf für bestimmte Blutgruppen gibt. Die Bestimmung der Blutgruppe vor einer Blutspende ist notwendig, weil die Blutgruppen von Spender und Empfänger verträglich sein müssen. Passt das Blut nicht zusammen, werden die fremden Blutzellen vom Immunsystem zerstört, sobald das Immunsystem Zuckermoleküle, sogenannte Antigene, an ihrer Zelloberfläche als "fremd" erkennt. Dies kann lebensbedrohlich sein.

"Grundsätzlich kann man sagen, dass die Blutspendedienste in Deutschland den Bedarf an Fremdblut zu hundert Prozent decken. Es ist meines Wissens noch kein einziger Patient wegen fehlender Fremdblut-Vorräte zu Schaden gekommen." Erhard Seifried, Lehrstuhlinhaber für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie am Klinikum der Universität Frankfurt

Blutgruppe Null gilt als universelles Spenderblut

Antigene der Blutgruppen A und B sind unterschiedlich und kommen bei der Blutgruppe AB zusammen vor. In der Blutgruppe Null fehlen sie. Abhängig davon, ob sie die Blutgruppe A, B, AB oder Null besitzen, können Menschen nur ganz bestimmte Blutspenden empfangen. Eine Ausnahme bildet das Blut der Gruppe Null: Weil Blutzellen dieser Gruppe keine das Immunsystem aktivierenden Antigene enthalten, werden sie von allen anderen Blutgruppen akzeptiert. Dieses Blut gilt daher als universelles Spenderblut und wird gerade für die Notfallversorgung dringend benötigt. Menschen mit der Blutgruppe AB dagegen können Spenden von allen Blutgruppen empfangen, weil beide Antigene im eigenen System vorkommen.

Enzyme spalten Blutzellen

Obgleich 41 Prozent der Menschen die Blutgruppe Null besitzen, besteht aufgrund seiner breiten Einsetzbarkeit ein ständiger Mangel an dieser Blutgruppe. Aus diesem Grund suchen Forscher schon länger nach einer Möglichkeit, mehr von diesem begehrten Blut zu produzieren.

Ihre Idee: Spaltet man die Antigene von Blutzellen des Typs A mithilfe von Enzymen ab, entsteht im Prinzip die Blutgruppe Null. Ein Enzympaar, mit dem dies tatsächlich gelingen könnte, haben Peter Rahfeld von der University of British Columbia in Vancouver und seine Kollegen entdeckt. Sie veröffentlichten ihre Studie am 10. Juni 2019 in der Fachzeitschrift Nature Microbiology.

Enzympaar aus dem Darmmikrobiom

Auf der Suche nach passenden Enzymen untersuchten die Wissenschaftler die menschliche Darmflora. Denn die Schleimschicht der Darmwand enthält zahlreiche Proteine mit bestimmten Zuckermolekülen, die in chemisch ähnlicher Form auch bei den Antigenen auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen vorkommen. Von diesen Zuckermolekülen ernähren sich viele Bakterien im Darm. Sie müssten also Enzyme besitzen, die diesen Zucker abspalten können.

Die Forscher wurden tatsächlich fündig: Das in unserem Verdauungstrakt heimische Bakterium Flavonifractor plautii erzeugt zwei Enzyme, die sich für die Umwandlung der häufigsten Blutgruppe A (43 Prozent) in Blutgruppe Null eignen. So wie es bislang aussieht, ist nur eine sehr geringe Konzentration des Enzympaars nötig. Und die Enzyme lassen sich laut den Forschern nach der Umwandlung wohl wieder restlos aus dem Blut entfernen. Weitere Untersuchungen müssen dies aber erst noch bestätigen und auch zeigen, ob das Verfahren für den Blutempfänger absolut sicher ist.

Erfolgversprechendes Verfahren – mit Einschränkungen

Sollte dies der Fall sein, gilt die Behandlung prinzipiell als erfolgversprechend und es ließen sich eventuelle Engpässe bei der Blutspende beheben. Mit zwei Einschränkungen: Es gibt nicht in allen klinischen Einrichtungen die Möglichkeit, jede Blutkonserve zu behandeln. Dafür braucht es spezielle Reinräume, die nicht überall vorhanden sind. Und der finanzielle Aufwand insbesondere für die Zulassung des Verfahrens wäre nicht gering.

Weltblutspendetag 2019

In Deutschland werden nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) täglich rund 14.000 Blutspenden benötigt. Zum Weltblutspendetag am Freitag, 14. Juni, rufen Blutspendedienste und Gesundheitsverbände daher wieder zum Spenden auf.

Wer darf Blutspenden, wer nicht?
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Wer darf Blutspenden, wer nicht?

Mythen und Wahrheiten zur Blutspende: radioWelt am Abend, 14.06.2019, 17:05 Uhr, Bayern 2