Umwelthormone haben nach Ansicht der meisten Wissenschaftler eine gesundheitsschädigende Wirkung. Ein Zuviel ist schädlich.
Bildrechte: colourbox.com; Montage: BR

Umwelthormone haben nach Ansicht der meisten Wissenschaftler eine gesundheitsschädigende Wirkung. Ein Zuviel ist schädlich.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Bisphenol A - Wie schädlich ist das Umwelthormon?

Sie sind in Konservendosen, Plastikflaschen oder Holzschutzmitteln: Chemikalien, die wie Hormone wirken. Das Gericht der Europäischen Union hat das Umwelthormon Bisphenol A als schädlich bestätigt und die Klage des Kunststoffverbands abgewiesen.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Der bekannteste Stoff unter den Umwelthormonen ist wohl Bisphenol A (BPA). Er steckt in harten durchsichtigen Kunststoffen von Plastikflaschen oder auch in der Innenbeschichtung von Konservendosen. Verschiedene Tierstudien haben gezeigt, dass der Stoff dieselbe Wirkung haben kann wie das Hormon Östrogen. Ein typischer Vertreter der Gruppe der sogenannten Umwelthormone, erklärt Manuel Fernandez von der Umweltorganisation BUND:

"Das sind Chemikalien, die Hormone nachahmen. Und dann hat man zu viel davon im Körper, das bringt Funktionen wie zum Beispiel den Stoffwechselhaushalt durcheinander. Deswegen stehen die Stoffe in Zusammenhang mit Übergewicht und Fettleibigkeit." Manuel Fernandez, BUND

Phtalate, Biozide, Parabene - Umwelthormone mittlerweile alltäglich

Allerdings ist Bisphenol A längst nicht der einzige Stoff, dem hormonähnliche Wirkungen nachgesagt werden. Auch Phtalate gehören dazu, die sogenannten Weichmacher in Plastik. Oder Parabene, das sind Konservierungsmittel in Kosmetika und Lebensmitteln. Ebenso enthalten viele Pflanzenschutzmittel in der Landwirtschaft hormonähnliche Chemikalien.

Hormonaktive Chemikalien sind im Shampoo und in der Gesichtscreme, aber auch in Plastikflaschen, dem Coffee-to-go-Becher, in Kunststoffverpackungen für Obst, Wurst und Käse oder in Wandfarben und in Kleidungsstücken enthalten. Sie bilden keine einheitliche Stoffgruppe und kommen in unterschiedlichen Bereichen zum Einsatz: Als Weichmacher in Kunststoffen, als Biozide und Parabene in der Kosmetik oder als UV-Filter in Sonnencreme zum Beispiel. Biozide sind Stoffe, die antibakteriell wirken und deshalb häufig als Konservierungsmittel eingesetzt werden, beispielsweise als antibakterieller Wirkstoff Triclosan in Seifen, Zahnpasten und Deos.

Regulierung jahrelang verzögert

Umweltorganisationen schätzen, dass 300 verdächtige Stoffe in Umlauf sind. 2009 hat die EU beschlossen, dass diese Stoffe reguliert werden müssen, d.h. dass es Grenzwerte oder Verbote für besonders gefährliche Substanzen braucht. Dennoch wird um eine einheitliche Zulassungsregelung für die sogenannten endokrinen Disruptoren erbittert gestritten. Dabei haben Wissenschaftler bereits Ende der 1980er-, Anfang der 1990er-Jahre ernstzunehmende Hinweise darauf gefunden, dass Chemikalien in Pestiziden oder in alltäglichen Konsumprodukten das Hormonsystem beeinflussen.

Nachweise in Tierversuchen reichen Kritikern nicht

Dass Chemikalien wie Hormone wirken können, ist mittlerweile unstrittig. Aber welche Stoffe in welcher Dosierung welche Störungen verursachen, das beurteilen Wissenschaftler, Hersteller und Politiker unterschiedlich. Denn nicht immer ist eine kausale Schädigung eindeutig nachzuweisen. Die Hersteller argumentieren: Die gemessenen Veränderungen seien bisher nur in Tierversuchen nachgewiesen worden. Industriekritische Wissenschaftler halten dagegen: Erkenntnisse aus den Tierversuchen könnten sehr wohl auf den Menschen übertragen werden.

Bisphenol A als Bestandteil von Babytrinkflaschen verboten

Trinkflaschen, Thermopapier, Wasserkocher oder Kaffeemaschinen können Bisphenol A enthalten. Beim Menschen steht BPA im Verdacht, Schilddrüsenerkrankungen auszulösen, aber auch Diabetes und Unfruchtbarkeit. Manche Wissenschaftler vermuten den flächendeckenden Einsatz dieser Chemikalie als Ursache für die Zunahme der hormonabhängigen Krebserkrankungen wie Brust-, Hoden- und Prostatakrebs. Seit 2011 sind Babyflaschen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, in der EU verboten. Ansonsten ist der Stoff erlaubt. Einige Länder wie Frankreich haben die Chemikalie 2015 bereits komplett aus dem Verkehr gezogen. Die Industrie ist auf der Suche nach Ersatzstoffen. Doch Bisphenol FL (BHPF) ist womöglich auch ungesund.

BPA - besonders besorgniserregender Stoff

Am 4. Januar 2017 beschloss die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) Bisphenol A in die Liste der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe aufzunehmen, weil es zur Unfruchtbarkeit führe. PlasticsEurope, ein in Belgien ansässiger internationaler Verband zur Vertretung und Verteidigung der Interessen von mehr als hundert Mitgliedsunternehmen der Kunststoffbranche, klagte vor dem Gericht der Europäischen Union auf Nichtigerklärung des Beschlusses. Am Donnerstag, 11. Juli 2019, wurde die Klage abgewiesen. Das EU-Gericht bestätigte, dass die chemische Verbindung wegen ihrer schädlichen Wirkung auf die Fruchtbarkeit weiterhin als "besonders besorgniserregender Stoff" aufzuführen sei.

Vorsorgeprinzip soll gewahrt werden

Die Grenzen für Verbote sind sehr eng. Nur wenn nachgewiesen ist, dass eine Substanz gesundheitsschädlich ist und wenn klar ist, dass das auf ihrer hormonähnlichen Wirkung beruht, dann wird sie verboten. Ein Verdacht reicht nicht aus, und auch nicht Hinweise, dass ein Umwelthormon Tiere und Ökosysteme schädigt.

Eigentlich hat sich die EU beim Umgang mit Chemikalien darauf verständigt, das Vorsorgeprinzip anzuwenden. Demnach können Stoffe präventiv vom Markt genommen werden, um Schaden von den Verbrauchern abzuwenden, selbst wenn der wissenschaftliche Beweis dafür noch nicht lückenlos ist. Die hormonaktiven Substanzen erfüllen diese Kriterien, meinen viele Wissenschaftler, aber auch die Umweltorganisation BUND und die Weltgesundheitsorganisation WHO. Die WHO fordert ein Verbot der endokrinen Disruptoren und hat sie 2013 sogar als "globale Bedrohung" bezeichnet.

Sie verstecken sich in Lebensmittelverpackungen, Kassenbons oder Zahnpasta: Chemikalien, die wie Hormone auf Mensch und Umwelt wirken.
Bildrechte: BR
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Sie verstecken sich in Lebensmittelverpackungen, Kassenbons oder Zahnpasta: Chemikalien, die wie Hormone auf Mensch und Umwelt wirken.

Mehr Infos in der radioWelt am 11.07.2019 um 13:05 Uhr in Bayern 2 :

  • Kurz erklärt: Was ist Bisphenol A und warum ist es schädlich?
  • Gespräch mit Manuel Fernández, BUND-Naturschutz: Wo überall steckt Bisphenol A drin?