Bronzezeitliche Marktszene an der Levante.
Bildrechte: Illustration: Nikola Nevenov

Exotische Lebensmittel wie Kurkuma, Soja oder Bananen gab es im Mittelmeerraum schon in der Bronzezeit, wie eine Studie jetzt belegt.

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Bananen und Kurkuma: Zahnstein verrät Nahrung in der Bronzezeit

Exotische Lebensmittel wie Kurkuma, Soja und Bananen erreichten den Mittelmeerraum schon vor mehr als 3000 Jahren und damit viel früher als bisher gedacht. Das hat unter anderem ein Forscher der LMU mithilfe einer Zahnstein-Analyse herausgefunden.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Wenn Forscher wissen wollen, was Menschen in der Vergangenheit gegessen haben, untersuchen sie meist Tierknochen und Pflanzenreste aus alten Siedlungen. Oder sie ziehen Rückschlüsse aus Nahrungsresten, die sie in Gefäßen von dort ausmachen konnten. So war es jedenfalls bisher.

Jetzt ist einem internationalen Team um Philipp Stockhammer, Professor für prähistorische Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), etwas ganz Neues gelungen: Aus Gräbern in Megiddo und Tel Erani, zwei Orte im heutigen Israel, haben die Forscher Zahnstein-Proben von Individuen entnommen und untersucht. Anhand der Analyse konnte Stockhammer mit seinen internationalen Kollegen belegen, dass Menschen bereits in der späten Bronze- und frühen Eisenzeit auf dem Gebiet des heutigen Israel Kurkuma, Bananen oder auch Soja verzehrten.

Früher globaler Handel mit Lebensmitteln überraschend

"Ich finde es spektakulär, zu welch frühem Zeitpunkt in der Geschichte Nahrung über weite Distanzen ausgetauscht wurde", sagt dazu LMU-Archäologe Stockhammer. Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass exotische Früchte und Gewürze den Mittelmeerraum erst einige Jahrhunderte, zum Teil sogar Jahrtausende später erreichten.

Erforschung der Essgewohnheiten in der Bronzezeit

Insgesamt 16 Individuen aus den beiden Fundorten in der südlichen Levante - wie die Region der an die Ostküste des Mittelmeeres angrenzenden Länder genannt wird - haben Stockhammer und sein Team untersucht. Die Region wurde dabei nicht zufällig ausgewählt: Im 2. Jahrtausend v. Chr. hatte das Gebiet eine wichtige Brückenfunktion zwischen dem Mittelmeerraum, Asien und Ägypten.

Ziel der Forschungen war: über die Analyse winziger Essensreste, die sich im menschlichen Zahnstein über Jahrtausende erhalten, Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten der bronzezeitlichen Menschen zu ziehen. Und das ist dem Forscher-Team auch gelungen.

"Wer keine Zahnhygiene betreibt, verrät uns Archäologen noch nach Tausenden von Jahren, von was er sich ernährt hat“ Philipp Stockhammer, Professor für prähistorische Archäologie an der LMU, über den Erfolg seiner Forschung

Warum Zahnstein viel über Essgewohnheiten verrät

Warum Zahnstein so viel über unsere Essgewohnheiten verrät, liegt an den vielen Bakterien in unserem Mundraum. Sie versteinern immer wieder und bilden Zahnstein. Winzige Eiweißfragmente, Fettmoleküle und Pflanzenreste würden dabei im Zahnstein eingeschlossen und könnten dank neuester Analysemethoden jetzt für die Forschung erschlossen werden, heißt es in einer Mitteilung der LMU. Paläoproteinanalysen nennen die Forscher diesen neuen wissenschaftlichen Zugang.

Reste von Kurkuma, Soja und Bananen im Zahnstein

Was die Wissenschaftler bei ihren sogenannten Paläoproteinanalysen gefunden haben, hat sie verblüfft. "Wir hatten natürlich mit so was wie Datteln oder Weizen oder meinetwegen auch mit Oliven oder verschiedenen Milchprodukten gerechnet" sagt Stockhammer im BR-Interview. Zum Teil habe man solche Reste auch gefunden, so der LMU-Archäologe.

Besonders erstaunlich waren für Stockhammer allerdings zwei Einzelbefunde: In einem Individuum aus Megiddo konnten die Wissenschaftler Kurkuma und Soja im Zahnstein nachweisen, bei einem anderen Menschen aus Tel Erani Bananeneiweiße. Alle drei Lebensmittel dürften über Südasien in den Mittelmeerraum gekommen sein.

Die mögliche Reise exotischer Lebensmittel

Auch wenn nicht klar ist, wie die exotischen Lebensmittel so früh in den Mittelmeerraum gekommen sind, spricht vieles dafür, dass sie schon damals als Ware gehandelt wurden und so den Weg Richtung Europa gefunden haben. Für diese Theorie gebe es laut einer Mitteilung der LMU auch außerhalb der Zahnsteinanalysen Belege.

Philipp Stockhammer nennt im BR-Interview aber noch weitere Möglichkeiten, wie die aus Südostasien stammenden Lebensmittel importiert worden sein könnten. So könnte eine Möglichkeit nach seiner Auffassung sein, dass Bananenpflanzen erst importiert und dann angepflanzt wurden. Es könnte aber auch ganz anders gewesen sein. "Eine Person [...könnte] auf ihrer langen Seereise zwischen der Küste Israels und der Küste Südindiens auch immer wieder Bananen oder Nahrungsmittel, die mit Kurkuma gewürzt waren, konsumiert haben", sagt der Wissenschaftler. Auch den Import getrockneter Früchte, wie Bananenchips, hält der Wissenschaftler für möglich.

Das Potenzial der Studie für künftige Forschungen

"Unsere Untersuchungen zeigen das große Potenzial dieser Methoden, um Hinweise auf Nahrungsmittel aufzuspüren, die ansonsten nur wenige archäologische Spuren hinterlassen. Zahnstein ist da eine unglaublich spannende Quelle", sagt Christina Warinner, Bioarchäologin an der Universität Harvard und dem Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und Co-Autorin des Artikels, der jetzt im Fachmagazin PNAS erschienen ist.

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