Hornkorallen produzieren antibiotisch wirksame Naturstoffe. Einem Team der TUM ist es gelungen, einen Stoff nachhaltig im Labor herzustellen.
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Hornkorallen produzieren antibiotisch wirksame Naturstoffe. Einem Team der TUM ist es gelungen, einen Stoff nachhaltig im Labor herzustellen.

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Bahamas-Korallen produzieren Wirkstoff gegen Tuberkulose

Forscher der Technischen Universität München haben einen Wirkstoff gegen antibiotikaresistente Tuberkulose-Bakterien in geschützten Korallen ausfindig gemacht. Sie können ihn schnell, nachhaltig und kostengünstig im Labor biotechnologisch herstellen.

Tuberkulose ist eine meldepflichtige Infektionskrankheit, die in den meisten Fällen die Lunge befällt. Sie wird durch Bakterien hervorgerufen, die sich über Aerosole - winzig kleine Tröpfchen in der Luft - von Mensch zu Mensch übertragen. Laut dem Robert-Koch-Institut gibt es in Deutschland jährlich knapp 5.500 Fälle. Seit vielen Jahren wird zwar eine wirksame Therapie gegen die Krankheit eingesetzt, die Tuberkulose-Bakterien werden allerdings zunehmend resistent gegen Antibiotika. Diese resistenten Bakterien können mit dem Korallen-Wirkstoff abgetötet werden.

Hornkorallen vor den Bahamas

Thomas Bück vom Werner Siemens-Lehrstuhl für Synthetische Biotechnologie war vor 17 Jahren auf den Bahamas tauchen, als er die Hornkoralle Antillogorgia elisabethae zum ersten Mal sah. Er war so fasziniert von dem Lebewesen, das verschiedene biologisch aktive Substanzen enthält, dass er es seitdem untersucht und erforscht. Ihm und seinem Team ist es jetzt gelungen, einen der Wirkstoffe im Labor nachzubauen. Die Ergebnisse wurden am 17. August 2020 im Fachblatt “Green Chemistry” veröffentlicht.

Korallen weltweit in Gefahr

Das ist insofern bemerkenswert, als dass Hornkorallen unter Schutz stehen, ihr Bestand aber trotzdem in Gefahr ist. Weltweit sind 58 Prozent aller Riffareale durch Überfischung, Verschmutzung und andere menschlicher Aktivitäten bedroht.

„Korallenriffe speichern das Klimagas Kohlendioxid und schaffen eine sehr hohe Biodiversität. Wenn wir die Riffe der Welt schützen wollen, müssen wir solche biologisch aktiven Naturstoffe, die medizinisch nutzbare Aktivitäten besitzen, auf nachhaltige Weise herstellen.“ Biotechnologe Thomas Brück, Technische Universität München

Wirkstoff im Labor nachgestellt

Genau das haben die Forscher getan - ohne, dass dafür eine Koralle zu Schaden kam. Die Hornkoralle enthält geringe Mengen des Moleküls „Erogorgiaene“, das als Antibiotikum eingesetzt werden und Tuberkulose-Bakterien abtöten kann. Als Rohstoff kam die Weichkorallen-Art allerdings nicht in Frage. Mit herkömmlichen chemischen Verfahren könnte der Wirkstoff zwar im Labor hergestellt werden, das wäre aber aufwändig und würde toxische Abfälle produzieren. Ein Kilo des Wirkstoffs würde etwa 21.000 Euro kosten.

„Mit biotechnologischen Methoden jedoch lässt sich Erogorgiaene schneller, umweltfreundlicher und erheblich günstiger herstellen. Die Produktionskosten pro Kilo würden mit diesem Verfahren nur noch bei etwa 9.000 Euro liegen.” Biotechnologe Thomas Brück, TUM

Kolibakterien stellen Wirkstoff her

Zur Produktion werden gentechnisch optimierte Kolibakterien (eigentlich ein Darmbakterium) genutzt, die ein Molekül produzieren, das - mit Hilfe von Enzymen - den Wirkstoff herstellt. Die Kolibakterien ernähren sich von Glycerin, einem Reststoff bei der Biodiesel-Produktion. Durch diesen Kreislauf entsteht kein Abfall, da alle Nebenprodukte wiederverwendet werden können.

Weiterer Korallen-Wirkstoff geplant

Mit Kollegen aus Berlin, Kanada und Australien arbeitet Brück bereits an einem weiteren Korallen-Wirkstoff, bei dem das Molekül Erogorgiaene in den Naturstoff Pseudopterosin umgewandelt werden soll. Dieser Wirkstoff könne Entzündungen hemmen und dann als Therapie bei überschießenden Immunreaktionen, wie beispielsweise auch beim neuartigen Coronavirus, eingesetzt werden.

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