Packung Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca mit Ampulle
Bildrechte: picture alliance / NurPhoto | Mauro Ujetto

Zunächst sollten den Impfstoff von Astrazeneca nur unter 65-Jährige bekommen, jetzt nur über 60-Jährige. Das sorgt für Verwirrung und Skepsis.

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Astrazeneca-Impfstoff: Darum bekommen ihn jetzt die Älteren

Der Impfstoff von Astrazeneca steht unter Verdacht, in seltenen Fällen eine spezielle Form von Thrombosen im Gehirn auszulösen. Das Risiko dafür ist aber ungleich verteilt. Es gibt medizinische Gründe, warum sich Ältere keine Sorgen machen sollten.

Seit Mitte März gibt es Hinweise darauf, dass der Impfstoff von Astrazeneca seltene, aber schwere Nebenwirkungen haben könnte. Es handelt sich dabei um eine spezielle Form von Hirnvenenthrombosen (Sinusvenenthrombosen), bei denen es zugleich zu einem Mangel an Blutplättchen (Thrombozytopenie) kommt. In Deutschland wurden daraufhin die Impfungen mit dem Astrazeneca-Vakzin vorübergehend ausgesetzt, so wie in anderen Ländern auch.

Nach wenigen Tagen und einer erneuten Prüfung der Europäischen Arzneimittelagentur EMA durfte aber wieder geimpft werden. Das zuständige Paul-Ehrlich-Institut bekam jedoch weitere Verdachtsfälle gemeldet. In seinem Sicherheitsbericht vom 24. März 2021 stellt es "eine auffällige Häufung" in zeitlicher Nähe zu Impfungen mit Astrazeneca fest. Dem Institut wurden (bis zum 29. März 2021) 31 Verdachtsfälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca gemeldet. In 19 Fällen wurde zusätzlich eine Thrombozytopenie festgestellt. In neun Fällen war der Ausgang tödlich. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfahl daraufhin am 30. März, den Impfstoff nur an Menschen im Alter über 60 Jahre zu verimpfen.

Blutgerinnsel im Gehirn

Die sogenannten Sinusvenen sind Gefäße in der Hirnhaut, die das abfließende Blut aus dem Gehirn sammeln. Im Gegensatz zu Venen an anderen Stellen im menschlichen Körper sind sie nicht von Muskeln umhüllt und haben keine Klappen, aber auch in ihnen kann ein Blutgerinnsel, ein Thrombus, entstehen und das Gefäß verstopfen.

Sinusvenenthrombosen sind viel seltener als beispielsweise Beinvenenthrombosen, aber auch gefährlicher: Wenn das Blut nicht mehr aus dem Gehirn abfließen kann, steigt der Druck. Das kann Symptome wie Schwindelgefühl, Sehstörungen, Atemnot oder starken, anhaltenden Kopfschmerz auslösen. Schlimmstenfalls kommt es zu einem Schlaganfall, der tödlich sein kann.

Spekulation über mögliche Ursache

Forscher von der Universitätsmedizin Greifswald haben das Blut von Patientinnen untersucht, die nach einer Impfung mit dem Astrazeneca-Vakzin eine Sinusvenenthrombose bekamen. Sie vermuten, dass in seltenen Einzelfällen über die Immunantwort des Körpers die Blutplättchen aktiviert werden könnten. Auch andere Forscher vermuten, dass die Bildung der Gerinnsel über eine starke Immunantwort und dabei entstehende Antikörper, die an die Blutplättchen andocken und diese aktivieren, laufen könnte.

Ungewiss ist, was diese unerwünschte Reaktion der Antikörper hervorruft. Es könnte das Vektorvirus sein, das den eigentlichen Impfstoff in den Körper transportiert. Oder das Spikeprotein, das die Immunität vor Corona auslösen soll. Möglicherweise verursacht aber auch eine zu starke Immunantwort die Thrombosen. Diese Theorien setzen allerdings voraus, dass zwischen Astrazeneca-Impfstoff und den sehr seltenen Sinusvenenthrombosen tatsächlich ein ursächlicher Zusammenhang besteht, der noch nicht belegt ist.

Therapie bei Sinusvenenthrombose

Die nach Astrazeneca-Impfungen beobachteten Sinusvenenthrombosen und der Mangel an Blutplättchen ähneln stark Nebenwirkungen, die beim Blutverdünner Heparin aufgetreten sind. Für diese sogenannte Heparin-induzierten Thrombozytopenie (HIT) gibt es bereits eine Therapie, nämlich Immunglobulin (körpereigenes Eiweiß) in hoher Dosierung. Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie empfiehlt auch bei Sinusvenenthrombosen nach einer Astrazeneca-Impfung eine Behandlung wie bei HIT.

Höheres Risiko für Junge, bessere Wirkung bei Alten

Sinusvenenthrombosen sind sehr selten: Die Schätzungen schwanken zwischen zwei und 15 Fällen unter einer Million Menschen. Frauen sind dabei häufiger betroffen und jüngere Menschen häufiger als ältere. Das höchste Risiko haben Frauen im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Ein Grund ist, dass weibliche Geschlechtshormone die Blutgerinnung erhöhen.

Besonders Schwangere und Frauen, die die "Pille" nehmen oder Hormonersatz-Medikamente, haben ein erhöhtes Risiko für Thrombosen. Umgekehrt lässt sich daraus folgern, dass beispielsweise für einen 80-jährigen Mann "Astrazeneca ein Segen" ist, wie Bernd Salzberger, Professor für Infektiologie in Regensburg, sagt. Zumal der Impfstoff von Astrazeneca bei Senioren sogar noch etwas besser wirkt als die anderen Impfstoffe.

"Darüber spricht Bayern": Der BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!