Forellenzucht, Fischteich mit Forellenschwarm, Deutschland
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Es muss kein ganzer Fluss sein. Auch mit dem Wasser in Fischzuchtbecken lassen sich Turbinen betreiben.

    Alternative Energie: Wasserkraft aus Fischzucht und Kläranlage

    Energie aus Wasserkraft lässt sich nicht nur an Flüssen gewinnen. Auch in Fischzuchtbecken oder Kläranlagen kann mit Turbinen Strom erzeugt werden - wenn Fallhöhe und Fließgeschwindigkeit stimmen.

    Unsere Flüsse sind übernutzt. Knapp 4.300 Wasserkraftwerke gibt es in Bayerns Flüssen – da bleiben kaum noch unverbaute natürliche Flussabschnitte, viele Fischarten sind bedroht. In der Nationalen Wasserstrategie des Bundesumweltministeriums von 2021 wird die Energiegewinnung aus Wasserkraft als schädlich für Umwelt und Artenvielfalt, an einem Drittel der Flusskilometer sogar als signifikante Belastung eingestuft. Doch gleichzeitig wächst der Bedarf an Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Wissenschaftler aus Hof hatten eine Idee, wie man Wasserkraft-Energie erzeugen kann, ohne der Umwelt zu schaden.

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    Fischzucht will sich Wasserenergie zu Nutze machen

    In achtzehn großen Becken – jedes 120 Meter lang und zehn Meter breit – wachsen Forellen in der Fischzuchtanlage Rameil in Nordhessen auf. Die Becken werden ständig vom klaren kühlen Wasser des nahen Flusses Eder durchströmt. Die Fische haben viel Platz und sind gesund, das Geschäft läuft gut.

    Doch Juniorchef Henrik Rameil denkt an die Zukunft. "Unser Betrieb hat einen relativ hohen Energieverbrauch: Die Reinigungsgeräte, der Räucherofen wird elektrisch beheizt, auch Heizungen haben wir teilweise elektrisch und es ist absehbar, dass die Fahrzeuge, im Moment noch Diesel, dass das auch elektrisch wird." Der Energiebedarf werde immer höher werden die nächsten Jahre, so Rameil. "Da liegt es ja eigentlich nahe, sich die Energie vom Wasser zunutze zu machen."

    Vorteil: Anlagen greifen nicht direkt ins Ökosystem ein

    Strom aus Wasserkraft nicht in einem Fluss, sondern in einer Fischzuchtanlage zu erzeugen – das ist die Idee, die auch zwei Wissenschaftler von der Hochschule Hof hatten. Sie wollen herausfinden, ob das bei Fischzüchter Henrik Rameil möglich ist. Auf der Suche nach passenden Anlagen sind Harvey Harbach und Frederik Kaiser in ganz Deutschland unterwegs. Sie arbeiten im Rahmen von NEEWA, einem Forschungs-Netzwerk zur Erzeugung von Wasserkraft in bestehenden Wasseranlagen.

    "Bei solchen Anlagen hat man immer den Vorteil, dass man sich nicht direkt im Ökosystem bewegt", sagt Harbach. "Wenn man das Ganze in einem Fluss installieren würden, hätten wir drum herum ein Ökosystem, das wir negativ beeinflussen. Und hier setzen wir die Wasserkraft dort an, wo der Mensch schon verändert hat und wo wir keinen Einfluss aufs Ökosystem weiter vornehmen."

    Fließgeschwindigkeit und Fallhöhe sind wichtige Faktoren

    An dem Standort müssen sie begutachten, wo Potenzial vorhanden ist um Wasserkraftturbinen zu installieren. Das heißt, es müssen eine Vorort-Begehung und auch Messungen durchgeführt werden um zu sehen, wo es Sinn ergibt die Turbinen einzubauen.

    Henrik Rameil führt die beiden Wissenschaftler zu der Stelle, an der das Wasser aus der Fischzuchtanlage in den Fluss zurückfließt. Es rauscht mit hoher Geschwindigkeit durch einen etwa ein Meter breiten Kanal. Doch erst, wenn sie genaue Messdaten haben, können die beiden Forscher sagen, ob die Stelle geeignet wäre für den Einbau einer Turbine. Frederik Kaiser steigt in eine Wathose, denn für die Messung muss er ins Wasser hinein. Mit einem kleinen Flügelrad misst Kaiser die Fließgeschwindigkeit des Wassers. 9,6 Meter pro Sekunde Wassergeschwindigkeit stellt Rameil fest.

    Ein guter Wert, aber nur einer von mehreren, die darüber entscheiden, ob sich der Einbau einer Turbine wirklich lohnt. Als nächstes misst Harbach die Fallhöhe: "3,6 Meter Fallhöhe haben wir an Höhendifferenz. Das ist auf jeden Fall schon mal ganz gut."

    "Je höher der Wert ist, desto mehr Potential hat eine eingesetzte Wasserkraft," erklärt Harbach. "Das bedeutet, am liebsten wäre es einem eigentlich 100 Meter heraus zu bekommen, aber alles was über einen Meter, zwei Meter geht ist auf jeden Fall ein akzeptabler Wert, wo man auch drüber nachdenken kann, Wasserkraft einzusetzen."

    Etwa 2.000 Fischzuchtanlagen in Deutschland

    Ob sich der Einbau lohnt, ist auch abhängig von der verfügbaren Wassermenge, die erst noch berechnet werden muss. Die Investitionskosten sind relativ hoch, aber das spielt für Rameil eine untergeordnete Rolle: "Meine Familie ist in der fünften Generation Fischzüchter, in der dritten Generation hier. Ich möchte es selbst auch weitergeben, selbst wenn es für mich nicht interessant ist, ist es in der nächsten Generation interessant, also wir denken langfristig hier an dem Standort."

    In Deutschland gibt es etwa 2.000 Fischzuchtanlagen. Fast in jeder ließe sich Energie aus Wasserkraft gewinnen, glauben die Forscher. Wenn auch nur in geringen Mengen. Deshalb untersuchen sie auch Kläranlagen. Etwa die in Diemelsee in Hessen. Hier rauscht das Wasser über 13 Meter bis nach unten in den See. Ideal für Wasserkraft.

    Kläranlagen und Fischzuchten könnten 0,1 Prozent der Bruttostromerzeugung ausmachen

    Würden alle geeigneten Kläranlagen und Fischzuchten in Deutschland für Wasserkraft genutzt, könnten etwa 0,5 Terawattstunden Strom erzeugt werden, haben die Forscher ausgerechnet. Doch das sind nur 0,1 Prozent der gesamten Bruttostromerzeugung. Lohnt sich das überhaupt?

    Frederik Kaiser ist davon überzeugt: "Wir haben hier nun mal in Deutschland einen großen Stromverbrauch und der lässt sich sehr wahrscheinlich nicht nur mit Aquakultur oder Kläranlagen decken. Aber ich sag mal so: Jede Möglichkeit, die wir haben, sauber Strom zu erzeugen, hilft natürlich ungemein. Genauso wie es hier eben extrem sauber ist, wenn man das so sagen kann, weil man eben einfach verhindert auf ein Ökosystem großen Einfluss zu nehmen."

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