Das rechtsmedizinische Standardverfahren in Deutschland sieht so aus: Zuerst prüfen Ärzte, ob Krankheiten vorliegen, die die körperliche Entwicklung beschleunigen und somit Jugendliche älter wirken lassen. Dann folgt eine Röntgenuntersuchung von Hand und Gebiss. Zuletzt gibt ein Blick auf die Schlüsselbeine Auskunft über das Alter der Person, sagt der Rechtsmediziner Andreas Schmeling von der Uniklinik Münster. Dazu macht man ein Bild mithilfe der Computertomographie.
„Wenn ein höheres Entwicklungsstadium der Schlüsselbeinverknöcherung vorliegt, kann man zweifelsfrei die Vollendung des 18. Lebensjahres nachweisen.“ Andreas Schmeling, Rechtsmediziner an der Uniklinik Münster
Ungenaue Methoden in der Kritik
Mitglieder des Deutschen Ärztetages kritisieren allerdings, die Technik sei zu ungenau. Zum einen seien die Zähne bei verschiedenen Ethnien unterschiedlich entwickelt. Außerdem könne sich das gemessene Knochenalter um mehrere Jahre vom tatsächlichen Alter unterscheiden. Neben der Kritik an der Methodenungenauigkeit, gibt es noch die ethischen Bedenken: Röntgen ohne gerechtfertigte medizinische Notwendigkeit sei Körperverletzung.
Blick ins Gehirn
Forscher entwickeln mittlerweile ganz neue Methoden der Alterserkennung, die vielleicht in ein paar Jahren genauere Ergebnisse liefern könnten. So verwenden Wissenschaftler zum Beispiel große Datenmengen, um Algorithmen beizubringen, wie das Gehirn in einem bestimmten Alter aussieht. Dafür füttern sie den Algorithmus mit tausenden Bildern von Gehirnen in Kombination mit Altersangaben. „Eine klinische oder forensische Anwendung ist zwar derzeit noch nicht möglich,“ sagt Simon Eickhoff vom Forschungszentrum Jülich. In wenigen Jahren könnte das aber durchaus Realität werden, so Eickhoff.
Aufschlussreiche Zähne
Eine weitere Methode ist die Zahnzementanalyse. Dabei untersuchen Mediziner Zahnzementbanden, die sich von Jahr zu Jahr um die Zahnwurzeln legen. Obwohl dies die genaueste Methode zur Altersbestimmung ist, bleibt auch sie umstritten. Denn die Mediziner müssen derzeit noch einen Zahn ziehen, um ihn analysieren zu können. Das Ziel ist es, die Zahnanalyse auf absehbare Zeit auch im Mund machen zu können. Bis es soweit, müssen sich die Rechtsmediziner mit den Schwächen der derzeitigen Methoden zufrieden geben. Auf einen Grundsatz konnten sich dabei alle einigen. Andreas Schmeling bringt ihn auf den Punkt: „Niemals zu alt schätzen – im Zweifel für die Minderjährigkeit.“