Medizinstudierende untersuchen mit einem Ultraschallgerät eine Puppe.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Rund 16.000 junge Menschen studieren in Bayern derzeit Medizin.

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Ärztemangel: Lösen mehr Medizin-Studienplätze das Problem?

Deutlich mehr Abiturienten wollen in Bayern Medizin studieren, als es Studienplätze gibt. Zugleich fehlen vielerorts Haus- und Fachärzte. Nun wird die Zahl der Medizinstudienplätze ausgebaut. Doch hilft das wirklich gegen den Ärztemangel?

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Amelie Vollnhals will Medizin studieren. Die Abiturientin aus Dachau hat einen sehr guten Schulabschluss abgelegt und vor wenigen Wochen den Medizinertest absolviert. Nun hofft die 18-Jährige auf einen der rund 10.000 Studienplätze, die jedes Jahr zum Winter bundesweit für Erstsemester in Humanmedizin zur Verfügung stehen.

Doch Amelie ist nicht allein, der Arztberuf ist begehrt. Gute Verdienstmöglichkeiten und das hohe Ansehen des Berufs locken viele junge Menschen. Derzeit konkurrieren im Vergabeverfahren daher vier Bewerber um einen Medizin-Studienplatz.

Bayerische Landesärztekammer fordert mehr Studienplätze

In Bayern arbeiten derzeit fast 69.000 Medizinerinnen und Mediziner - knapp zwei Prozent mehr als vor einem Jahr. Ein Trend, der auch bundesweit zu beobachten ist. Ende 2021 verzeichnete die Bundesärztekammer insgesamt 416.120 berufstätige Ärzte in ganz Deutschland. Verglichen mit dem Jahr 1990 hat sich die Zahl berufstätiger Ärzte um rund 60 Prozent erhöht. Auch international belegt Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit durchschnittlich 44,3 Ärzten je 10.000 Einwohner international einen Spitzenplatz. Trotzdem fordert der Präsident der Bayerischen Landesärztekammer, Gerald Quitterer, bundesweit 6.000 zusätzliche Studienplätze in Medizin. Der Grund: Durch technischen Fortschritt und eine alternde Gesellschaft werde es immer aufwändiger, Patienten adäquat zu behandeln.

Ärztemangel auf dem Land

Tatsächlich fehlen schon jetzt in viele Regionen Mediziner. Laut bayerischem Gesundheitsministerium sind derzeit in Bayern über 400 Arztstellen unbesetzt, bei den Fachärzten sind weitere 130 Stellen vakant. Hinzu kommt, dass insbesondere viele jüngere Medizinerinnen und Mediziner auf eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf achten. Wie viele Ärzte in Bayern in Teilzeit arbeiten, ist nicht bekannt – aber die Zahl sei beträchtlich, schätzt die Bayerische Landesärztekammer, zumal zwei Drittel der Angestellten Frauen seien.

Rentnerwelle bei den Medizinern

Zugleich macht der demografische Wandel auch nicht vor den Medizinern halt: Viele in der Ärzteschaft gehen demnächst in den Ruhestand. Rund 20 Prozent der Medizinerinnen und Mediziner scheiden nach Angaben des Deutschen Ärztetages in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Berufsleben aus; unter den Kinder- und Jugendärzten gingen zwischen 2020 und 2025 sogar ein Viertel in den Ruhestand.

Medizin – ein kostenintensiver Studiengang

Wenn der Ruf nach zusätzlichen Medizin-Studienplätzen angesichts des Ärztemangels naheliegt, so hat er auch seine Schattenseiten - vor allem finanzielle. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts belaufen sich die Kosten (Grundmittel) jedes einzelnen Medizin-Studienplatzes auf gut 30.000 Euro jährlich. Zum Vergleich: Bei den Juristen und Sozialwissenschaftlern liegen die Kosten bei knapp 4.500 Euro pro Studierendem im Jahr.

Tatsächlich wird die Medizinerausbildung künftig wohl noch mehr Geld kosten, denn ab 2025 soll eine neue Approbationsordnung in Kraft treten. Diese wird die Medizinerausbildung reformieren - und kostspieliger machen. "Im Ergebnis wird es unterm Strich sogar teurer, denn um auf der Höhe der Zeit zu bleiben, sind heute auch andere Dinge gefragt. Im Moment stellt sich hier die Frage, wie das finanziert werden soll", sagt der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume. Die Reform dürfe aber nicht zu weniger Studienplätzen führen. Wie diese zusätzlichen Ausgaben zwischen Bund und Ländern verteilt werden, ist noch unklar. Derzeit sind für die Finanzierung der Medizin-Studienplätze allein die Länder zuständig.

Medizin studieren in Niederbayern und Oberfranken

In Bayern ist ein Ausbau der Studienplatzkapazitäten in Humanmedizin bereits beschlossen – und zwar vor allem dort, wo Ärztemangel herrscht. So entstehen am Medizincampus Oberfranken (Erlangen/Bayreuth) und am Medizincampus Niederbayern (Studium in Regensburg und an niederbayerischen Kliniken) in den nächsten Jahren jeweils rund 600 zusätzliche Studienplätze. Bereits seit 2019 werden zudem an der Universität Augsburg zusätzliche Studienanfängerplätze angeboten. "Wir schaffen in den nächsten Jahren 2.700 zusätzliche Medizin-Studienplätze," fasst Gesundheitsminister Klaus Holetschek zusammen. Wichtig sei, dass auch andere Bundesländer ihren Beitrag leisteten: "Da sehe ich tatsächlich noch Luft nach oben."

  • Zum Artikel "Kabinettsbeschluss: Der Medizincampus Niederbayern kommt"

Mehr Landärzte durch die Quote

Allerdings: Wer heute anfängt zu studieren, arbeitet erst in zwölf bis 15 Jahren in der Praxis. Um die aktuelle Versorgungslücken vor allem auf dem Land zu schließen, arbeitet das bayerische Gesundheitsministerium mit "verschiedenen Bausteinen", allen voran der Landarztquote. Damit dürfen junge Leute trotz schlechter Abitur-Note Medizin studieren, wenn sie sich verpflichten, später als Landärztin oder Landarzt zu arbeiten. 2020 hatte der Freistaat die Landarztquote eingeführt, um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum dauerhaft zu sichern.115 künftige Landärzte studieren derzeit an bayerischen Universitäten.

Amelie aus Dachau setzt eher nicht auf die Landarztquote. Sie hofft, über das reguläre Vergabeverfahren an ihren Medizin-Studienplatz zu kommen - um dann in gut zehn Jahren Patienten helfen zu können.

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