Whitcomb Judson war genervt. Von den Schnürsenkeln an seinen Schuhen, die er morgens so umständlich zubinden musste und die trotzdem immer wieder aufgingen. Eigentlich tüftelte der Ingenieur aus Chicago Ende des 19. Jahrhunderts an einer Druckluft-Straßenbahn. 14 Patente hatte er sich dafür schon gesichert. Weil sie trotzdem nicht so richtig in Fahrt kommen wollte, nahm er sein leidiges Alltagsproblem in Angriff: Der Tüftler erdachte einen Mechanismus aus Haken, Ösen und einem Gleiter, der beides beim Entlangziehen miteinander verbinden sollte.
Judson erhält Reißverschluss-Patent am 29. August 1893
Für seinen "Klammerverschluss oder -öffner" erhielt er am 29. August 1893, vor 125 Jahren, ein Patent. Noch im selben Jahr stellte Judson seine Erfindung, den "Klauenschließer" für Schuhe, Handschuhe, Postsäcke und Korsetts, auf der Weltausstellung in Chicago vor. Doch die 21 Millionen Besucher interessierten sich mehr für das erste elektrische Riesenrad der Welt oder die erste Bauchtänzerin in den USA. Vielleicht auch deswegen, weil Judsons Erfindung nicht sehr zuverlässig funktionierte: Die Haken und Ösen hatten zu viel Spiel, der Verschluss öffnete sich anfangs oft unkontrolliert - oder verklemmte sich.
Gideon Sundback entwickelt den Reißverschluss weiter
Gemeinsam mit seinem Partner Lewis Walker gründete Judson die "Walker Universal Fastener Company", die erste Reißverschlussfabrik der Welt. Doch ihr Reißverschluss war zu kompliziert, der Erfolg blieb aus. Die beiden vereinfachten das Design und gründeten die "Automatik Hook and Eye Company", um die zweite Generation des Reißverschlusses zu vermarkten. Als dies erneut misslang, stieg Judson aus der Firma aus, Walker übernahm die Leitung. Der engagierte einen in die USA ausgewanderten schwedischen Ingenieur, der in Bingen am Rhein Maschinenbau studiert hatte: Gideon Sundback (vor seiner Übersiedelung in die USA Sundbäck). Als leitender Designer tüftelte er in den Folgejahren an einer kleineren, leichteren und zuverlässigeren Variante des Reißverschlusses.
Reißverschluss-Siegeszug vom Militär zur Maßkleidung
Whitcomb Judson, der Ur-Vater des Reißverschlusses, starb am 7. Dezember 1909, ohne dass seine Erfindung Weltruhm erlangt hätte. Doch die Variante, für die Sundback im selben Jahr in Deutschland ein Patent erhielt, benutzen wir noch heute. Sie besteht aus zwei biegsamen Stoffstreifen, an denen sich je eine Reihe Zähnchen aus Metall- oder Kunststoff befinden. Ein Schieber kann die Zähne ineinander verhaken und wieder lösen. Der Reißverschluss machte Knöpfen, Knebeln, Haken, Ösen und Bändern Konkurrenz - erst als Teil von Uniformen, Stiefeln und Tabakbeuteln fürs Militär, ab den 1930er-Jahren dann in der Alltagskleidung und schließlich auch in der Haute Couture.
Die Welt mehrfach mit Reißverschluss umwickeln
Whitcomb Judson war in dem Glauben gestorben, dass seine Erfindung wohl nie einen praktischen Nutzen haben würde. Mittlerweile werden jedoch allein in Deutschland geschätzt rund 70 Millionen Meter Reißverschlüsse pro Jahr produziert. Damit könnte man fast zweimal die Erde umwickeln. Die beiden Hauptproduzenten stammen jedoch aus Asien: YKK aus Japan und SBS aus China.
Erste Hilfe bei Reißverschluss-Problemen
Aus dem "Klauenschließer" ist der moderne Zipper geworden. Der wurde zwar immer weiter optimiert, manchmal ärgert er uns aber doch: Er klemmt, seine Zähnchen sind verbogen oder abgebrochen. Hier ein paar Tipps: Schließen Sie den Reißverschluss vor dem Waschen, dann werden die feinen Zähnchen und Ihre Wäsche geschont. Reißverschlüsse werden schwergängig, wenn sie schmutzig oder staubig geworden sind: Den Reißverschluss an Ihren Lieblingsschuhen können Sie ganz einfach mit etwas Seife und einer Zahnbürste reinigen. Klemmende Reißverschlüsse können Sie auch mit Silikonspray, Wachs, Vaseline oder dem fetthaltigen Graphit einer Bleistiftmine behandeln. Eine sanfte Abreibung bringt wieder Schwung ins schwerfällig gewordene Wunderwerk.