Die zweite Stufe des Gas-Notfallplans kann dazu führen, dass die Preisbindung für die Gasversorger endet. Verbrauchern würden damit trotz laufendem Vertrag höhere Preise drohen. Doch die Bundesnetzagentur hält sich noch zurück, den Versorgern außervertragliche Preiserhöhungen bei Gas zu erlauben.
Bundesnetzagentur: Noch keine außervertragliche Preisanpassung bei Verbrauchern
"Wir wollen den Markt weiter beobachten", begründete Habeck den Verzicht auf die Aktivierung der Preisanpassungsklausel. Es gebe ja bereits Preissteigerungen für Verbraucher. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, erklärte via Twitter, seine Behörde stelle noch nicht eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen" fest, die laut Energiesicherungsgesetz Voraussetzung für die Preisklausel wäre. "Somit tritt keine Preisanpassung in Kraft", erklärte Müller.
Preiserhöhungen bei Verbrauchern aber kurzfristig möglich
In dem Gesetz heißt es, wenn die Netzagentur eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmenge nach Deutschland" feststellt, müsste sie das im Bundesanzeiger veröffentlichen. Danach dürfen die Versorger ihre hohen Einkaufspreise vermehrt an die Kunden weitergeben. Diese Entscheidung wäre also nun kurzfristig möglich.
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Experten halten Vervielfachung der Gaspreise kurzfristig für möglich
Eine solche Preisanpassung könnte Unternehmen und Verbraucher hart treffen, meint Jens Südekum, Professor für Volkswirtschaft in Düsseldorf: "Die Preisanpassungsklausel des Energiesicherungsgesetzes wird zwar noch nicht aktiviert, aber das wird nicht mehr lange dauern. Dann dürfen die Versorger auch langfristige Verträge anpassen und höhere Kosten durchreichen. Es drohen dann massive Anstiege der Endkundenpreise. Analysten rechnen mit einer Vervierfachung bis Versechsfachung. Das wären heftigste Preisschübe, auf die wir uns einstellen müssen. Die Inflation würde nochmals spürbar nach oben gehen."
Unternehmen bekommen bei zweiter Stufe weiterhin Gas
Für die Unternehmen ändert sich mit der zweiten Stufe des Gas-Notfallplans noch nichts. Erst mit der Notfallstufe als letztem Schritt der Eskalationsleiter würde die Bundesnetzagentur in einer Gasmangellage zuteilen, wer noch Gas bekommt. Private Haushalte sind besonders geschützt und sollen möglichst lange versorgt werden. Die Industrie müsste sich dann auf Kürzungen einstellen.
Sparappelle von Habeck und Experten auch an private Verbraucher
Habeck forderte Verbraucher und Unternehmen erneut zum Sparen auf und dazu, zum Beispiel ihre Gasthermen zu Hause warten zu lassen, um einen unnötigen Verbrauch zu vermeiden. Dem schließt auch Experte Jens Südekum sich an. Das Gebot der Stunde laute jetzt: "Energiesparen, wo immer es geht!" Das gelte auch für Privathaushalte. Jede Kilowattstunde, die dort gespart wird, stehe später der Industrie zur Verfügung und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Wirtschaftskrise. Die droht im Winter, falls die Reserven in den Erdgasspeichern zur Neige gehen und der Staat den Verbrauch einschränken müsste. Rationierungen und eine verminderte Zuteilung von Gas wären die Folgen für Unternehmer, die dann nicht mehr richtig produzieren könnten.
Wirtschaft und Greenpeace sehen Gas-Alarmstufe positiv
Die chemische Industrie und ihr Verband VCI halten es für richtig, dass die Bundesregierung die Alarmstufe ausgerufen hat. Die Versorgungslage sei zunehmend ernst, die Regierung handle daher verantwortlich und gehe schrittweise voran. Es müsse jetzt ein transparentes Verfahren entwickelt werden, um die Lasten, die nun zu erwarten seien, so gerecht und erträglich wie möglich auf alle Verbraucher zu verteilen. Die Chemiebranche ist besonders abhängig von Gaslieferungen.
Auch der Greenpeace-Energieexperte Gerald Neubauer sprach von einem richtigen Signal der Regierung: Damit ein russischer Gaslieferstopp im kommenden Winter nicht zu einer Versorgungskrise führt, sei konsequentes Energiesparen jetzt das Gebot der Stunde.
Höhere Alarmstufe: Kohle-Kraftwerke dürfen wieder ans Netz
Die Alarmstufe bringt noch keine staatlichen Eingriffe in den Gasmarkt. Der Markt sei noch in der Lage, die Mengen zu besorgen, die benötigt würden zur Versorgungssicherheit und für eine moderate Befüllung der Speicher, sagte Habeck. Die Ausrufung der Alarmstufe ist aber auch eine Voraussetzung für die Umsetzung der Pläne der Bundesregierung, dass vermehrt Kohle-Kraftwerke wieder ans Netz geholt werden, um Erdgas bei der Stromproduktion einzusparen. Das entsprechende Gesetz soll am 8. Juli den Bundesrat passieren. Habeck sagte, die Kraftwerksbetreiber bereiteten sich bereits darauf vor, dann in zweieinhalb Wochen Kohle-Kraftwerke aus der Reserve zu holen.
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