Zinsabzocke
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Vom gestiegenem Leitzins ist im Geldbeutel der Verbraucher nichts zu spüren

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Zinsabzocke: Wie Banken Sparer um ihren Gewinn bringen

Die Nullzinsphase ist vorbei, die Zinsen steigen – doch die Sparer merken davon nicht viel. Selbst auf Tagesgeldkonten schreiben viele Banken weiterhin keine oder nur sehr geringe Zinsen gut. Warum gehen viele Sparer immer noch leer aus?

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Seit Monaten erhöht die Europäische Zentralbank die Zinsen, um die Inflation zu bekämpfen. Der Leitzins im Euro-Raum liegt derzeit bei drei Prozent. Aber bisher geben die Geldinstitute die Zinsen nicht oder kaum an die Sparer weiter. Dabei müssten doch längst auch bessere Zeiten für Sparer anbrechen.

Petra Ortner-Vordermayer ist auf dem Weg zu ihrer Hausbank in Traunstein. "Ich habe halt lieber die Bank vor Ort und wenn ich ein Problem habe, dann gehe ich auf die Bank, kann mit dem Angestellten da reden – und bei Online-Banking, das ist mir einfach zu wenig greifbar", sagt die 54-Jährige. Mit Aktien kenne sie sich nicht aus, doch "bevor alles den Bach runter" gehe, überlege sie, ihr Geld auf einem Tagesgeld-Konto anzulegen.

Finanzexperte: "Teilweise noch keine Zinsen für Tagesgeld"

Ein Tagesgeld-Konto bei der Hausbank vor Ort: Trotz Zinswende bringt das kaum Rendite. Die Sparda-Bank zahlt derzeit 0,25 Prozent Zinsen pro Jahr. Die BR-Redaktion mehr/wert wollte nachfragen – aber die Interviewanfrage wurde abgelehnt. "Das finde ich jetzt aber schon ein bisschen seltsam, weil das hätte mich auch interessiert, warum wir nicht mehr Zinsen kriegen. Finde ich schade", sagt Sparerin Petra Ortner-Vordermayer.

Das Online-Magazin Biallo aus Schondorf am Ammersee veröffentlicht regelmäßig einen aktuellen Zinsvergleich und die Finanzexperten sind dabei auf ein interessantes Phänomen gestoßen. "Bei unseren Recherchen ist uns aufgefallen, dass vor allem die regionalen Institute vor Ort – die Genossenschaftsbanken und Sparkassen – noch deutlich hinterherhinken, was die Höhe der Sparzinsen angeht", sagt Redaktionsleiter Sebastian Schick. Es gebe immer noch Institute, die sehr geringe oder gar keine Zinsen auf Ersparnisse auf Tagesgeldkonten bezahlen.

Finanzexperte: "Mangelnde Konkurrenz auf dem Land"

Biallo hat die Zinsangebote von 133 bayerischen Genossenschaftsbanken untersucht. Nur 27 davon zahlen überhaupt Zinsen auf Tagesgeld. Im Schnitt 0,30 Prozent. Bei den Sparkassen in Bayern ein ähnliches Bild: Nur 17 von 60 Instituten verzinsen Tagesgeld. Der Schnitt hier: 0,29 Prozent.

Die Finanzprofis haben eine Vermutung, warum ausgerechnet die in den Regionen führenden Geldinstitute ihre Kunden so billig abspeisen. "Wir glauben, dass es vor allem mit der mangelnden Konkurrenz in der ländlichen Region zu tun hat. Da gibt es eben nur die Sparkasse, Genossenschaftsbank vor Ort – und die älteren Kundschaften sind natürlich darauf angewiesen auf diese Institute." Das wüssten die Banken und Sparkassen und seien demzufolge in keiner Wettbewerbssituation. Daher müssten sie die Zinsen nicht anheben, weil sie wüssten, "dass die Kunden eben nicht davon gehen", so Sebastian Schick.

Warum gehen viele Sparer immer noch leer aus?

"Zum einen ist es die Entscheidung tatsächlich jedes Institutes vor Ort und dann scheint die Wettbewerbslage dort vor Ort nicht so drückend zu sein. Das spielt natürlich immer mit dazu: Wie ist der Wettbewerb vor Ort unterwegs", erklärt Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbands Bayern.

Petra Ortner-Vordermayer ist nun doch bereit, ihr Tagesgeld-Konto bei der Hausbank zu kündigen. Denn die Internet-Konkurrenz bietet ihr höhere Zinsen. Der Online-Broker "Trade Republik" zum Beispiel verzinst ihr Tagesgeld mit zwei Prozent. "Bei meiner Hausbank kriege ich 0,25 Prozent und bei einer Online-Bank zwei Prozent – das ist acht Mal so viel", resümiert Petra Ortner-Vordermayer. Abgesichert ist ihr Geld auch dort: bis 100.000 Euro durch den deutschen Einlagensicherungsfonds.

Die Sparerin findet allerdings auch bei vielen Online-Anbietern Haken. Die meisten zahlen auf den ersten Blick zwar äußerst attraktive Zinsen auf ein Tagesgeldkonto, aber im Kleingedruckten verstecken sich dann Zusatzvereinbarungen. Auch bei sogenannten Direktbanken lohnt sich also vor der Kontoeröffnung eine gründliche Prüfung der Konditionen – vor allem hinsichtlich der Laufzeit.

"Mir ist aufgefallen, dass die Laufzeit von diesen Zinsen oft ziemlich verkürzt ist, oft nur für ein paar Monate und das rentiert sich dann gar nicht, dass man dann wechselt" sagt Petra Ortner-Vordermayer. Zudem gelten die kurzfristigen Zinsangebote meistens nur für neue Kunden.

Expertin: Häufig Lockangebote als Werbemaßnahme

Katharina Lüth, Managing Director beim Finanztechnologie-Unternehmen Raisin in Berlin, erläutert, dass Banken häufig derartige Lockangebote als Werbemaßnahme nutzen, um neue Kunden für sich zu gewinnen. "Der Kunde fällt dann nach sehr kurzer Zeit auf einen viel niedrigeren Zins und bekommt nur noch 0,3 bis 0,6 Prozent Zinsen und wird eben parallel relativ oft von der Bank darauf angesprochen, ob er nicht weitere Produkte bei dieser Bank abschließen möchte", ergänzt Katharina Lüth.

Wechselwillig sollten Sparer trotzdem bleiben. Das Raisin-Team hat errechnet, dass ihnen derzeit auf Giro- und Tagesgeldkonten gigantische Summen entgehen. Allein in diesem Jahr bereits mehr als neun Milliarden Euro. Geld, mit dem Kleinanleger wie Petra Ortner-Vordermayer die Preissteigerungen im Alltag zumindest ein Stück weit abfedern könnten. Ganz ausgleichen lässt sich die hohe Inflation selbst mit einem guten Zinssatz ohnehin nicht.

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