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Wirtschaftsforscher rechnen mit mehr Wachstum

Der Aufschwung in Deutschland gewinnt an Fahrt, so das Ergebnis des "Herbstgutachtens" der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. Sie mahnen allerdings zu Reformen für die Zukunft. Von Wolfgang Kerler

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Einen kleinen Seitenhieb auf die scheidende Bundesregierung erlauben sich Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute. Sie schreiben: "Die Wirtschaftspolitik war in der zurückliegenden Legislaturperiode wenig wachstumsorientiert."

Noch immer zehre Deutschland von den rot-grünen Reformen am Arbeitsmarkt, meinen die Ökonomen. Der "Großen Koalition" könne man die "Flexi-Rente" zugutehalten, die den Übergang in den Ruhestand vereinfacht hat.

"Aber darüber hinaus sind in erster Linie Maßnahmen getroffen worden, die die Wachstumskräfte nicht stärken, sondern der Umverteilung dienen." Stefan Kooths, Institut für Weltwirtschaft

Wozu der Volkswirt den Mindestlohn und die Mietpreisbremse zählt.

Deutschland in "wunderbarer Verfassung"

Trotzdem gewinnt der Aufschwung weiter an Fahrt. Deutsche Produkte bleiben im Ausland gefragt, außerdem steigen die Investitionen im Inland und die Verbraucher bleiben in Kauflaune. Für das laufende Jahr rechnen die Ökonomen daher nicht mehr mit 1,5 Prozent Wachstum wie in ihrem letzten Gutachten für die Bundesregierung, sondern mit 1,9 Prozent. Für 2018 heben sie ihre Prognose um 0,2 Prozentpunkte auf zwei Prozent an.

"Deutschland befindet sich derzeit in einer wunderbaren Verfassung. Die ökonomischen Rahmenbedingungen sind so gut wie schon lange nicht mehr. Das trifft sowohl für Unternehmen als auch für die Haushalte zu." Timo Wollmershäuser, ifo-Institut

Eine künftige Bundesregierung kann daher weiter mit sinkender Arbeitslosigkeit und sprudelnden Steuereinnahmen rechnen.

Arbeitslosenquote dürfte weiter sinken

Die Institute gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote von 5,7 Prozent in diesem auf 5,5 im kommenden und auf 5,2 Prozent im Jahr 2019 sinken dürfte - und das obwohl die Flüchtlinge nach Asylverfahren und Qualifizierungsmaßnahmen vermehrt auf dem Arbeitsmarkt ankommen werden.

Wer auch immer Finanzminister wird: Er oder sie wird sich nach Ansicht der Ökonomen auf wachsende Überschüsse freuen dürfen. Im Jahr 2019 könnte der Staat 44 Milliarden Euro mehr einnehmen als ausgeben, nach 28 Milliarden Euro in diesem Jahr.

Ökonomen raten zu Entlastungen

Dennoch mahnen die Forschungsinstitute zu Reformen: Die Politik solle den "Verlauf des Einkommensteuertarifs in den Blick nehmen". Auch bei den Sozialabgaben sehen sie "Spielräume", vor allem bei der Arbeitslosenversicherung. Allerdings sollten Entlastungen maßvoll sein. Denn die Alterung der Gesellschaft werde sich bald auswirken.

"Mit Beginn des nächsten Jahrzehnts werden die durchschnittlichen Wachstumsraten in Deutschland deutlich niedriger liegen als das Niveau, das wir kennen. Damit nehmen die Verteilungskonflikte zu." Stefan Kooths, Institut für Weltwirtschaft

Um die Folgen des demografischen Wandels zu dämpfen raten die Institute einer künftigen Regierung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern und die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu regeln. Außerdem sollte der Staat nicht nur in "Beton" investieren, sondern auch stärker in Bildung.

Zinsen bleiben vorerst im Keller

Für Sparer, die auf höhere Zinsen hoffen, haben die Wirtschaftsforscher eine ernüchternde Nachricht: Sie rechnen erst ab 2019 mit leichten Zinsanhebungen durch die Europäische Zentralbank.