Bisher hat es Markus Braun vorgezogen, sich im Wirecard-Prozess bedeckt zu halten. Seit Prozessbeginn am 8. Dezember 2022 lässt er seinen Verteidiger Alfred Dierlamm für sich sprechen. Und der hat die Position seines Mandanten in der Hauptverhandlung mit zunehmender Schärfe deutlich gemacht. Das war zuletzt in der vergangenen Woche in dem unterirdischen Gerichtssaal zu beobachten, der sich auf dem Gelände der JVA München Stadelheim befindet.
Nachdem der Mitangeklagte Oliver Bellenhaus, Wirecards ehemaliger Statthalter in Dubai, Braun in den vergangenen Wochen mehrfach schwer belastet hat, attackierte Dierlamm Bellenhaus in einem mehrstündigen Vortrag heftig. Bellenhaus, so Dierlamm, sei ein "professioneller Lügner".
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Streitpunkt Drittpartnergeschäft: Umsätze erfunden oder veruntreut?
So habe Bellenhaus im Zuge der Wirecard-Pleite Ende Juni 2020 wichtige, ihn belastende Beweismittel – USB-Sticks und Datenbanken – gelöscht, er sei zudem unglaubwürdig und habe sich bei seinen Vernehmungen in Widersprüche verstrickt. Ähnlich scharf ging Sabine Stetter, die Verteidigerin des dritten Angeklagten, Ex-Wirecard-Chefbuchhalter Stephan von Erffa, Bellenhaus an. Dem gehe es nicht um echte Aufklärung. Vielmehr, so Stetter, stehe der strafrechtliche Profit im Mittelpunkt seines Handelns. Bellenhaus gilt als der als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, der sich im Rahmen seiner dortigen Aussagen allerdings auch selbst belastet hat.
Dreh- und Angelpunkt des Prozesses ist weiterhin das so genannten Drittpartner-Geschäft von Wirecard in Asien. Nach der Darstellung von Oliver Bellenhaus sei dieses angeblich höchst profitable Online-Zahlungsgeschäft von Wirecard frei erfunden gewesen. Markus Braun und sein Verteidiger haben das vehement und mehrfach bestritten. Nach ihrer Auffassung habe eine Bande um den untergetauchten Ex-Wirecard-Vorstand Jan Marsalek und Bellenhaus hunderte Millionen Euro aus dem Wirecard-Konzern in ausländische Gesellschaften geleitet.
Braun will zwei bis drei Stunden reden
Markus Braun will nach eigenen Angaben heute zunächst zwei bis drei Stunden seine Sicht der Dinge darstellen. Er sei auch bereit, währenddessen oder danach Fragen zu beantworten, so Braun. Davon will Richter Markus Födisch ausführlich Gebrauch machen. Dass Braun nur zwei bis drei Stunden reden wolle, halte er vor diesem Hintergrund für eine "sehr optimistische" Einschätzung, so Födisch.
Braun und Bellenhaus sitzen seit mehr als zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Der dritte Angeklagte Stephan von Erffa ist auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft München wirft dem Trio unter anderem vor, die Wirecard-Geschäftszahlen über Jahre falsch dargestellt zu haben. Mit einem Urteil ist nicht vor Ende dieses, Anfang kommenden Jahres zu rechnen.
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