Eine Frau hilft einer älteren Dame.
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Ausgerechnet in Zeiten von Corona, Krieg und Energiekrise finden sich immer weniger Menschen, die sich freiwillig engagieren.

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Zahl der Ehrenamtlichen in Bayern sinkt - was tun?

In Bayern engagieren sich überdurchschnittlich viele Menschen für andere. Sie versorgen Bedürftige, trainieren Jugendliche im Sportverein oder retten bei der Feuerwehr Leben. Doch ausgerechnet jetzt in Krisenzeiten finden sich weniger Freiwillige.

Während bundesweit von den über 14-jährigen Menschen mehr als 20 Prozent ehrenamtlich arbeiten, sind es laut Angaben des Sozialministeriums in Bayern doppelt so viele: 41 Prozent. Sie engagieren sich unentgeltlich für karitative soziale Einrichtungen, in der Kirche oder in der Flüchtlingshilfe.

Das Ehrenamt hat in Bayern eine lange Tradition und trägt wesentlich zum sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft bei, sagt Eva Gottstein. Sie ist die Beauftragte für die Belange des Ehrenamts im Freistaat. Die ehemalige Realschullehrerin und vierfache Mutter aus Eichstätt sitzt für die Freien Wähler seit 2008 im Landtag und wurde 2018 zur Ehrenamtsbeauftragten ernannt.

Zahl der Ehrenamtlichen deutlich zurückgegangen

Ausgerechnet jetzt in Zeiten von Corona, Krieg in der Ukraine und Energie-Krise finden sich allerdings immer weniger Menschen, die bereit sind, sich freiwillig zu engagieren. Das sagen zumindest die Zahlen des Statistischen Bundesamts.

In der Pandemie haben viele Ehrenamtliche ihr Amt aufgegeben. Wenn jetzt auch noch steigende Kosten für Strom oder Gas das Einkommen schmälern, nimmt so mancher lieber einen bezahlten Nebenjob an, als unentgeltlich zu arbeiten. In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Menschen, die sich in Deutschland ehrenamtlich engagieren, von 17,1 auf 15,7 Millionen gesunken. Das bedeutet einen Rückgang von 8,2 Prozent.

Tafeln unter Druck

Die Tafel in Regensburg ist eine der größten in ganz Deutschland. 180 ehrenamtliche Mitarbeiter packen dort mit an. Jonah Lindinger leitet die Tafel – leidenschaftlich und ohne Bezahlung. Sie könnte noch viel mehr Bedürftige versorgen, wenn sie mehr Helferinnen und Helfer finden würde.

"Die Tafelarbeit ist eine schwere, dreckige, auch körperlich schwere Arbeit. Ich glaube einfach, dass wir über kurz oder lang noch weniger ehrenamtliche Helferinnen und Helfer bekommen, weil die Zeiten auch für die Kolleginnen und Kollegen schwieriger sind", erläutert Lindinger ihre Befürchtungen.

Vereine suchen Ehrenamtliche

Die meisten Ehrenamtlichen sind im Breitensport in den Vereinen zu finden. Die SG Post Süd Regensburg bietet 20 Sportarten von Leichtathletik bis Tischtennis an. Die Zahl der Mitglieder ist dieses Jahr sogar gestiegen, auf über 1.600. Doch ehrenamtliche Trainer und Trainerinnen wie Gabi Reindl fehlen.

Tagsüber arbeitet sie als Sekretärin, abends und am Wochenende steht die ehemalige Marathonläuferin im Stadion. "Ich denke, dass die meisten einfach beruflich so eingespannt sind, dass viele sagen, ich will nach der Arbeit heim und meine Ruhe haben", sagt Reindl. "Bei uns kommen ja viele von der Arbeit hierher und stehen zwei Stunden am Sportplatz. Es ist schon ein Zeitaufwand, den man da hat." Aber: Es gebe ihr viel, wenn die Jugendlichen Fortschritte machten und sie glücklich nach dem Training heimgingen.

Doch im Vorstand findet SG Post Süd-Geschäftsführer Alfred Schmidt kaum noch Leute, die Verantwortung übernehmen. "Wir haben auch das Problem, dass die, die in Amt und Würden sind, mehrere Funktionen parallel wahrnehmen", erklärt Schmidt. "Das heißt, da gibt es Leute, die dann Abteilungsleiter sind, Trainer sind, im Präsidium sitzen. Und das führt halt dazu, dass die Belastung für den Einzelnen höher wird."

  • Zum Artikel: "Ehrenamtliche in der Krise: Hilfe für die Helfer"
Ehrenamtliche bei Senioren-Mittagstisch
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Ehrenamtliche dringend gesucht

Neue Plattform für Ehrenamtliche

Um gegenzusteuern, hat die bayerische Landesgemeinschaft für ehrenamtliches Engagement jetzt die Internet-Plattform "Freilich" ins Leben gerufen. Sie wird vom Freistaat Bayern und der "Aktion Mensch" unterstützt und soll Menschen, die sich für eine gute Sache einsetzen, zusammenbringen und digital vernetzen. Initiativen können auf "Freilich" ihre Angebote veröffentlichen.

Interessierte Bürgerinnen und Bürger können das Engagement finden, das zu ihnen passt. "Wenn ich junge Leute abholen will, kann ich das nicht über das örtliche Gemeindeblatt in der Regel machen, sondern dann mach ich das über Social Media", erklärt Gaby von Rhein, die im Landkreis Regensburg die Freiwilligenprojekte hauptamtlich koordiniert.

Wo können sich Interessierte noch über Ehrenämter informieren?

  • Die LAGFA (Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen und Koordinierungszentren Bürgerschaftlichen Engagements in Bayern) ist die Koordinationsstelle für Freiwilligenagenturen in Bayern. Diese Freiwilligenagenturen beraten Interessierte und können passende Projekte vorschlagen. Auf der Homepage der LAGFA finden sich die nächstgelegenen Freiwilligenagenturen.
  • Das LBE (Landesnetzwerk Bürgerliches Engagement Bayern) umfasst eine Sammlung an Projekten, die nach Kategorien sortiert sind. Interessierte können darin gezielt nach ehrenamtlichen Aufgaben suchen.

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