Trotz aller Sanktionen scheint sich die russische Wirtschaft unerwartet gut zu behaupten. So ist das Wachstum dort noch nicht so stark eingebrochen, wie westliche Experten das vermutet hatten. Wladimir Putin profitiert bei seiner Kriegsführung in der Ukraine von Ausfuhren zu Rekordpreisen, sowohl bei Öl und Gas als auch beim Weizen. Und der Wechselkurs des Rubels hat das alte Niveau von vor dem Ukraine-Krieg längst wieder erreicht.
Internationale Angriffe auf den Rubel vorerst fehlgeschlagen
Eine gemeinsame Aktion der westlichen Notenbanken ließ den Wechselkurs des Rubels nach Kriegsbeginn einbrechen. Für einen Dollar waren bis zu 140 Rubel zu zahlen. Inzwischen waren es schon weniger als 65 Rubel und damit bessere Kurse als vor dem Krieg. Putins Währung befindet sich nun schon seit Wochen in einem Aufwärtstrend an den Devisenmärkten.
Hintergrund ist, dass die Händler glauben, dass Russland auch in Zukunft erfolgreich Rohstoffe und Energie verkaufen wird. Die drohenden Lieferausfälle in den westlichen Ländern und in den USA sollen mit neuen Ausfuhren wie nach Indien und China teilweise wettgemacht werden. Mit China ist sogar eine zusätzliche Pipeline geplant für neue Energielieferungen.
Rekordpreise für Energie und Weizen spielen Putin in die Hände
Wegen der höheren Energiepreise können Erdöl exportierende Länder wie Russland zurzeit Rekordgewinne erzielen. Auch beim Erdgas sind die Lieferpreise stark gestiegen. An dritter Stelle ist inzwischen der Weizen zu nennen. Allein im März soll Russland rund 1,7 Millionen Tonnen Weizen exportiert haben. Das wäre mehr als im Vorjahr – und zu wesentlich höheren Preisen. Die Ukraine behauptet, dass ein Teil davon Kriegsbeute ist, der Bauern in den umkämpften Gebieten gestohlen wurde.
Zu dem Rekordpreis beim Weizen trägt die weitgehende Abschottung von China bei und des zweitgrößten Erzeugerlandes Indien, das ein Exportverbot verhängt hat. Russland dagegen liefert Weizen, der möglicherweise auch aus der Ukraine stammt. Auch damit steigen die russischen Staatseinnahmen, mit denen der Krieg in der Ukraine finanziert wird. Und der Rubel wird gestärkt.
Russische Notenbank erhöhte Leitzins auf bis zu 20 Prozent
Beim Wechselkurs des Rubels spielt außerdem der höhere Leitzins der russischen Notenbank eine entscheidende Rolle und ihre Maßnahmen zur Devisenbewirtschaftung. Den extrem hohen Leitzins hat die Zentralbank in Moskau inzwischen aber schon wieder gesenkt – auf 14 Prozent (in der zweiten Aprilhälfte), weil sie sich das offenbar erlauben kann.
Energiekonzerne und andere russische Unternehmen müssen nämlich einen Großteil ihrer Auslandseinnahmen, die sie in Dollar und Euro weltweit erzielen, in Moskau zwangsweise in Rubel tauschen. Dadurch entsteht eine künstliche Nachfrage nach der Landeswährung, die es so vorher nicht gegeben hat.
Zwangsumtausch und russische Exportüberschüsse helfen dem Rubel
Da die Summe der Ausfuhren von Energie und Rohstoffen den Wert der Importe bei weitem übersteigt, profitiert der Rubel von diesem Handelsüberschuss. Außerdem verlangt Putin, dass ein Teil der Energielieferungen auch in Rubel bezahlt wird. Hinzukommt, dass der Devisenhandel sowohl in Russland als auch im Westen eingeschränkt wurde. Russen dürfen ihr Geld nicht mehr unbegrenzt in Euro oder Dollar wechseln und ins Ausland schaffen.
Russen können nicht mehr viel im Ausland kaufen
Angesichts des eingeschränkten Handels sowie der Wirtschafts- und Finanzsanktionen stellt sich die Frage, was die Russen im Westen noch problemlos kaufen können? Die Möglichkeiten, Produkte zu importieren, sind für Unternehmen wie für private Konsumenten inzwischen eingeschränkt. Viele westliche Unternehmen haben das Land verlassen, die vorher noch Handel betrieben und Gewinne aus Russland transferierten. Das entfällt jetzt und es bleibt zwangsweise mehr russisches Geld im Lande. Auch Oligarchen, die mit internationalen Sanktionen belegt wurden, können ihre Vermögen nicht mehr so leicht ins Ausland schaffen. Das alles trägt dazu bei, dass Russland immer größere Exportüberschüsse anhäuft, die in der Regel den Wechselkurs einer Währung nach oben treiben.
Starker Rubel ist für Putin mit viel Prestige verbunden
Den eingeschränkten und verkleinerten Devisenhandel kann der russische Staat leichter kontrollieren als vorher und damit den Wechselkurs bewusst nach oben treiben, zum Beispiel mit bewussten Käufen in engeren Märkten, wo es wenige Umsätze gibt bei eingeschränkten Verkäufen. Wenn der Rubel dagegen frei konvertierbar wäre und jeder im Inland und Ausland so viel davon kaufen und verkaufen könnte, wie er oder sie will, dann wäre die Situation wahrscheinlich anders und der Wert des Rubels viel geringer.
Auch bei der Bewertung von russischen Aktien und Anleihen hat die Zentralbank in Moskau den Handel stark eingeschränkt, Verkäufe zum Teil verboten und die Börse lange Zeit geschlossen gehalten. Sie verhinderte damit einen Ausverkauf von russischen Vermögenswerten. Auch in dieser Hinsicht wurden Preise manipuliert und damit auch der Wert der Landeswährung.
Hoher Rubelkurs steht für finanzielle Unabhängigkeit Russlands
Für Putin ist das enorm wichtig, weil er dem Rubel in seinen Reden immer wieder eine große Bedeutung gegeben hat. Er soll Stärke und Unabhängigkeit der russischen Wirtschaft symbolisieren. Aus diesem Grund änderte Putin auch einige Gaslieferverträge und verlangte von westlichen Handelspartnern Zahlungen in Rubel statt wie bisher in Euro und Dollar.
Einige Gaskunden sind darauf eingegangen und tauschten dafür vor allem Euro in Rubel um. Mit diesem demonstrativen Verzicht auf die Devisen in internationalen Hartwährungen will Putin vor allem seinen eigenen Landsleuten, aber auch dem Westen, zeigen, dass er die alten Handelsbeziehungen nicht mehr nötig hat und dass das Land seinen Weg auch ohne den Westen gehen kann.
Zweifel an Putins Strategie bleiben aber angebracht
Das kann man zumindest mittel- bis langfristig bezweifeln. Ohne Importe von Hightech-Gütern wie Computerchips und mit deutlich weniger Kunden für russische Rohstoffe wird es über kurz oder lang sicher eng werden für die russische Wirtschaft. Darauf hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mehrfach schon hingewiesen. Von der Leyen glaubt an den Erfolg der Sanktionen, die ihre Wirkung erst allmählich entfalten könnten.
Aber kurzfristig ist es Putin zumindest vor seinen Landsleuten gelungen, die wirtschaftlichen Probleme der Zukunft zu überspielen. Die Stützung des Rubelkurses und die aktuellen Exporterfolge haben dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet.
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