In Eingangsbereich eines großen Würzburger Supermarktes reihen sich Aufsteller mit Schokoladen-Osterhasen nebeneinander, gleich daneben befindet sich die Obst- und Gemüseauslage. Karsten Kilian schiebt seinen Einkaufswagen durch die Gänge und schaut sich die Preisschilder an. Der 50-Jährige ist Professor für Markenmanagement an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt. Er forscht unter anderem zu Preisentwicklung und Marken.
Verändertes Kaufverhalten: Mehr Eigenmarken
Eine Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) hat Ende 2022 gezeigt: 61 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland kaufen günstigere Lebensmittel. Auch Kilian sieht einen deutlichen Wandel des Einkaufsverhaltens bei Lebensmitteln: "Das vergangene Jahr war durch steigende Preise geprägt. Langsam geht der Handel mit den Preisen zurück, die Käufer haben jedoch deutlich ihr Kaufverhalten geändert. Wir sehen eine klare Bewegung weg von der Herstellermarke zur Handelsmarke."
Handelsmarken sind die Eigenmarken der jeweiligen Supermärkte, die sich etwa durch niedrigere Preise abheben sollen. Herstellermarken finden sich hingegen in mehreren Supermärkten.
Hohe Inflation in Bayern
Seit 2021 sind die Preise bundesweit kontinuierlich gestiegen, die höchste Inflation gab es im vergangenen Oktober mit 10,4 Prozent. In Bayern lag die Inflation im Januar laut Angaben des Statistischen Landesamts Fürth bei 8,8 Prozent und damit knapp über dem Bundesdurchschnitt von 8,7 Prozent. Für Nahrungsmittel wurde 2022 zudem knapp ein Fünftel (19,8 Prozent) mehr gezahlt als 2021.
Kilian geht durch den Supermarkt und vergleicht die Preise mit jenen von vor einem Jahr, also kurz nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine. Damals waren viele Preise noch nicht erhöht worden – dies geschah dem Experten zufolge besonders ab dem frühen Sommer. Eine Sorte Äpfel kostet heute genau doppelt so viel wie vor zwölf Monaten: 2,99 Euro für ein Kilogramm. 750 Gramm Biokartoffeln sind mit einem Euro preislich gleichgeblieben, allerdings als Aktionspreis. Überrascht ist der Wirtschaftswissenschaftler beim Öl. Ein Marken-Rapsöl ist genauso teuer wie vor einem Jahr: 4,39 Euro.
Karsten Kilian von der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt forscht zu Preisentwicklung und Marken.
Achtung, Schrumpflation: Weniger Menge bei gleichem Preis
Milchprodukte fallen momentan wieder im Preis, nachdem etwa die Butter im vergangenen Mai ihren Preishöhepunkt von 2,29 Euro für 250 Gramm bei Handelsmarken erreicht hatte. Heute kostet die Butter der Herstellermarke 2,59 Euro. "Das sind zehn Prozent weniger als noch vor einem Jahr", rechnet Kilian vor. Er begründet die Preissenkungen mit neu ausgehandelten Lieferverträgen: "Es wurde hart verhandelt. Wir haben vier große Händler in Deutschland, die fast 80 Prozent des Marktes ausmachen. Diese haben kürzlich mehrere große Abschlüsse mit der Milchindustrie getätigt, was dazu führt, dass die Preise wieder etwas zurückgehen."
Kritisch sieht der Markenexperte die sogenannte Schrumpflation. Diese bezeichnet das Phänomen, dass die Hersteller die Mengen von Produkten herabsetzen, die Preise jedoch nicht, häufig ebenso wenig die Packungsgröße. So soll die Inflation den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht so schnell auffallen. Bei Kilians Einkauf findet er viele Beispiele für die Schrumpflation, etwa Streichfett oder Chips. Beide Produkte sind bei weniger Menge teurer geworden. Kilian spricht von "doppelter Preissteigerung" und kritisiert: "Das ist für den Verbraucher optisch nicht zu erkennen." Zudem falle unnötiger zusätzlicher Verpackungsmüll an.
Kilian: Beruhigung der Preise realistisch
Dennoch blickt der Experte positiv in die Zukunft: "Ich gehe davon aus, dass sich die Preise jetzt erstmal wieder beruhigen. Wir sehen vereinzelt auch schon Preisrückgänge. Wir sehen aber auch häufig noch Aktionspreise." Dies sei mit der Unsicherheit der Händler verbunden, Preise noch nicht langfristig wieder zu senken. Zudem sei in bestimmten Segmenten außerdem damit zu rechnen, dass die Preise dauerhaft hoch bleiben.
Deshalb rät der Experte allen Verbraucherinnen und Verbrauchern: "Man sollte sich auf jeden Fall immer nicht nur den Preis ganz genau anschauen, sondern auch die Menge. Allein der Preis pro Kilogramm oder pro 100 Gramm kann vor Mogelpackungen schützen."
Inflationsrechner für den Einkauf
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