Ohne Zweifel hat Elon Musk Tesla großgemacht und wurde selbst mit seinem Aktienanteil zumindest vorübergehend zum reichsten Mann der Welt. Aber das scheint inzwischen lange her zu sein. Zurzeit gehört der E-Auto-Pionier nicht mehr zu den Top 10 der wertvollsten Unternehmen Welt, sondern belegt im Börsenindex S&P 500 der wichtigsten US-Aktien nur noch Platz 16.
Musk selbst könnte mit dem umstrittenen Twitter-Deal einen Großteil seines Vermögens verloren haben, wenn es nicht zu einer kräftigen Kurserholung kommt.
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Wertverlust der Tesla-Aktie von mehr als 70 Prozent innerhalb eines Jahres
So ist der Börsenwert (Marktkapitalisierung) aller Tesla-Aktien von Ende 2021 (im November noch 1,2 Billionen Dollar) bis zum 27. Dezember 2022 (mit dem Kurstief bei 98 Dollar) auf 345 Milliarden Dollar dramatisch abgestürzt. Von diesen Tesla-Aktien soll Musk nach den Verkäufen für Twitter zum Jahresende noch 14 bis 15 Prozent besessen haben.
Die gerichtlich erzwungene Übernahme des Kurznachrichtendienstes Twitter, von der Musk eigentlich zurücktreten wollte, brachte den Milliardär anschließend in finanzielle Schwierigkeiten. Er musste bei Banken Kredite aufnehmen und selbst für mehrere Milliarden Dollar Tesla-Aktien verkaufen, was er beides offenbar nicht gewollt hatte. Der Aktienkurs wurde dadurch zusätzlich stark belastet.
Analysten erwarten von Tesla immer weniger Gewinne
Gemessen an den jeweiligen Aktienkursen der letzten 40 Tage (mittelfristige technische Analyse) zeigt die Entwicklung seit dem 23. September stabil nach unten. Für einen nachhaltigen Aufwärtstrend müsste der Kurs erst einmal deutlich zulegen. Dem Anlageportal Finanzen.net zufolge liegt ein solcher technischer Trendwendepunkt für Tesla erst bei Kursen von knapp 190 Dollar.
Eine weiterer Negativpunkt sind die Gewinnschätzungen von Analysten, die heute niedriger sind als vor sieben Wochen. Dieser Trend der rückläufigen Prognosen setzte am 18. Oktober ein, bei einem Kurs von 220 Dollar, der sich seitdem in etwa halbierte. Die Erwartungen der Analysten beziehen sich vor allem auf das nächste und das übernächste Jahr, die mit den Kursen von heute gehandelt werden.
Wetten gegen Tesla seit Twitter-Übernahme eine sichere Sache
Leerverkäufer (in den USA "Shortseller" genannt) nutzten ihre Chance, um wegen der Twitter-Übernahme auf fallende Kurse zu wetten. Die Shortseller sollen dabei allein mit Tesla-Aktien rund 15 Milliarden Dollar in diesem Jahr verdient haben, was der Rekord für eine einzelne Aktie war. Bei den anderen Technologie-Aktien waren es auch zum Teil Milliardenbeträge, aber nicht so viel wie bei Tesla. Dort war der Fall für viele Shortseller ganz eindeutig festgelegt durch das Verhalten von Musk.
Zuvor war Tesla bereits zusammen mit anderen Technologietiteln unter Druck geraten, die meist an der Hightech-Börse Nasdaq gehandelt werden. Selbst die Branchenführer Alphabet (Google), Amazon, Apple oder Meta (Facebook) litten unter den Folgen der Corona-Pandemie, der drohenden Rezession und höheren Zinsen.
2022 laut Börse das vorläufig letzte gute Jahr für die Tech-Branche
Viele Prognosen für 2023 und 2024 waren deshalb bei Gewinn und Wachstum nicht mehr zu halten. Angesichts wirtschaftlicher Schwierigkeiten wie der hohen Inflation werden Privatkunden wie Unternehmen vorsichtiger, ihre Nachfrage könnte stark zurückgehen. Viele Wachstumsmodelle, wie etwa das Metaversum von Facebook oder die Spracherkennung von Alexa bei Amazon, wurden infrage gestellt.
Im laufenden Jahr wurden die Ziele dagegen häufig sogar übertroffen. Viele US-Unternehmen verdienten auch im Technologiebereich mehr als im Vorjahr 2021, zu ihnen zählten Alphabet, Apple, Microsoft und auch Tesla. Trotzdem erlitten gerade diese Aktien die höchsten Verluste seit der Finanzkrise. Der unbeirrbare Glaube an die Zukunft war verloren gegangen.
Musk nicht mehr bei Twitter, seine Tesla-Aktien will er behalten
Sogar der selbstbewusste Elon Musk musste Zugeständnisse mache und versprach, bald kein Twitter-Chef mehr zu sein und sein persönliches Abenteuer dort zu beenden. Der Job dort als CEO hat ihn nach Meinung vieler Analysten zu sehr abgelenkt von seiner eigentlichen viel wichtigeren Aufgabe als Tesla-Chef.
Außerdem versprach Musk, in den nächsten beiden Jahren 2023 und 2024 keine weiteren Tesla-Aktien mehr zu verkaufen. Aber eine positive Reaktion darauf blieb an der Börse bislang aus. Was das für das Kursziel 2025 bedeutet, ist offen.
Chart der Tesla-Aktie zeigt eindeutig noch weiter nach unten
Die aktuelle Entwicklung sieht so aus, dass der Chart (die graphische Darstellung) der Tesla-Aktie seit September, als die Twitter-Übernahme unausweichlich wurde, im freien Fall ist. Der Kurs rutsche ab, von umgerechnet 300 Euro auf knapp über 100 Euro. Wer sich gern mit Börsenkursen beschäftigt und dafür Chartanalysen anstellt, dürfte darin einen intakten Abwärtstrend für die weitere Entwicklung sehen, der nur schwer nach oben zu durchbrechen ist.
Produktionskürzungen in China für Anleger besonders wichtig
Analysten machen für die schwache Kursentwicklung auch eine mögliche Nachfrage-Schwäche nach Tesla-Fahrzeugen verantwortlich. Wie für die deutschen Autobauer ist auch für Musk in China der entscheidende Markt.
Als wichtigstes Tesla-Werk weltweit gilt seine Fabrik in Shanghai. Und ausgerechnet dort stellte Musk bereits Mitte Dezember die Produktion für dieses Jahr weitgehend ein. Das gleiche soll jetzt im neuen Jahr geschehen. Die Bänder könnten im Januar fast zwei Wochen stillstehen, rund um das chinesische Neujahrsfest.
Werden Tesla-Fahrzeuge einfach weniger gern gekauft?
Dafür sprechen umfangreiche Verkaufs-Aktionen, die es in der zweiten Jahreshälfte gab: Es wurden zum Teil die Preise gesenkt, die Produktion in China zurückgefahren und in den USA großzügige Rabatte gewährt, um den Umsatz vor dem Jahresende anzukurbeln. Auf diese Weise würde Musk noch einmal die versprochenen Ziele einhalten können.
Einen regelrechten Ausverkauf mit mehr als elf Prozent Verlust an einem Tag gab es am Dienstag, den 27. Dezember. Dafür waren die Berichte über eine möglicherweise sinkende Nachfrage in China verantwortlich, mit denen die Prognosen für 2023 und 2024 gefährdet wären. Jetzt kaufen, sagten sich einige Anleger und reagierten auf das Zweijahrestief der Tesla-Aktie. Doch die Erholung blieb zunächst zu schwach, um die hohen Verluste des Vortages auszugleichen.
Tesla immer noch viel mehr wert als alle deutschen Autobauer
Die Bewertung ist im Vergleich mit herkömmlichen Autoaktien immer noch sehr hoch und beträgt nach dem jüngsten Tief immer noch 389 Milliarden US-Dollar (bei einem Kurs von umgerechnet 112,80 Dollar). Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das an der Börse als eine Richtschnur gilt für den Preis einer Aktie, wird mit knapp 20 angegeben. Im Vergleich dazu ist es beim weltgrößten Autokonzern VW nur ein KGV von knapp sieben. Einige Anleger sahen allein in der hohen Bewertung einen Grund für eine notwendige Kurskorrektur bei Tesla.
Starkes Wachstum bei Tesla die entscheidende Größe
Das mittelfristige Wachstum des Unternehmens soll bei mehr als 23 Prozent liegen. Das ist wesentlich mehr als bei herkömmlichen Autoherstellern. Auf der anderen Seite ist kein anderer E-Auto-Pionier bislang nur annähernd so erfolgreich wie Tesla.
Eine Dividende wird dafür allerdings nicht bezahlt. Für den Kurs kommt es vor allem darauf an, dass Elon Musk den Wachstumskurs hält und jedes Jahr deutlich mehr Fahrzeuge verkauft.
Anders als bei Tesla mit seinen knapp 100.000 Mitarbeitern weltweit (Stand Ende 2021) regiert Musk bei Twitter mit der Abrissbirne und kündigte als neuer Eigentümer und Chef die Entlassung der halben Belegschaft an. Er startete bei Twitter als erster CEO im Silicon Valley mit Massenentlassungen.
Musk Trendsetter für ersten großen Stellenabbau im Silicon Valley
Inzwischen sind dort bei Google, Meta und vielen anderen Zehntausende Arbeitsplätze bedroht. Für die Belegschaften der Boom-Branche ist das eine bisher einmalige Erfahrung. Betroffene schildern die Situation als sehr unsicher. Außerdem sei es noch nie so schwierig gewesen, bei den Technologiefirmen einen neuen Job zu finden oder den Arbeitgeber zu wechseln.
Möglicherweise sind die hohen Kursbewegungen an der Börse also doch gerechtfertigt, weil es 2022 zu grundlegenden Veränderungen gekommen ist: bei Tesla, bei Twitter und bei vielen anderen Technologieunternehmen.
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