Seit knapp einem Jahr kennt der Gaspreis nur eine Richtung, und zwar nach oben. Damit steigt auch der Strompreis an der Börse, weil ein Teil des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt wird. Ende August war Strom im Großhandel mit 706 Euro pro Megawattstunde am teuersten. Aktuell (Stand: 15.11.2022) ist der Preis auf 120 Euro gesunken.
Trotzdem haben viele Energieversorger auch in Bayern angekündigt, ihre Preise zu erhöhen. Nach Zahlen des Vergleichsportals Check24 müssen unter anderem Bestandskunden mit bestimmten Verträgen von folgenden Versorgern mehr für ihren Strom bezahlen: Energieversorgung Lohr-Karlstadt und Umgebung GmbH & Co. KG, Licht-, Kraft- und Wasserwerke Kitzingen GmbH und Gemeindliche Werke Hengersberg. Auch der Nürnberger Energieversorger N-Ergie wird seine Preise erhöhen.
Strompreiserhöhungen für bayerische Bestandskunden
Strompreiserhöhungen für bayerische Bestandskunden
Januarerhöhung: 2,5 Millionen Haushalte betroffen
Bundesweit sind allein ab Januar wieder rund 2,5 Millionen Haushalte von Strompreiserhöhungen betroffen, errechnet das Vergleichsportal Check24 - wobei die Preisanstiege von manchen Anbietern nur gering ausfallen, von anderen besonders hoch.
Laut dem Verbraucheratlas des Vergleichsportals Verivox ist Strom im bundesweiten Vergleich in Thüringen momentan am teuersten. Verbraucht ein Haushalt 4.000 Kilowattstunden, muss er dort rund 2.060 Euro für Strom im Jahr bezahlen. In Bayern ist der Strom mit 1.864 Euro für 4.000 Kilowattstunden im Jahr etwas günstiger.
SWM erhöhen um 123 Prozent
Die Kunden der Stadtwerke München (SWM) wissen bereits, dass sie ab Januar 2023 knapp 123 Prozent mehr für ihren Strom bezahlen müssen. Das bedeutet für einen Münchner Durchschnittshaushalt mit zwei Personen und einem Verbrauch von 2.500 Kilowattstunden jährlich in der Grundversorgung ab kommendem Jahr 139,64 Euro pro Monat, rechnen die SWM vor. Bisher lag der monatliche Strompreis bei 62,71 Euro.
Der Preisanstieg kommt, obwohl die SWM selber Ökostrom herstellen. Im Jahr 2022 rechnen die Stadtwerke damit, dass ihre eigenen Geothermie-, Windkraft- und Solaranlagen rund 6,3 Milliarden Kilowattstunden produzieren werden. Allerdings wird dieser eigens produzierte Strom nach Unternehmensangaben am Großhandelsmarkt verkauft und geht nicht direkt an die SWM-Kundinnen und -Kunden.
Die Stadtwerke müssen den Bedarf ihrer Kundinnen und Kunden selber an der Strombörse teurer einkaufen und können "trotz ihrer langfristig angelegten Beschaffung die Preissteigerungen im Energie-Großhandel nur geringfügig abmildern", meldet das Münchner Unternehmen. An der Strombörse werde nicht zwischen konventionell produziertem Strom, wie aus Gas, Kohle, Kernenergie, und grünem Strom aus erneuerbaren Energien unterschieden, heißt es von den SWM auf BR24-Anfrage.
Der interaktive Energiekosten-Rechner
Verbraucherzentrale: Strompreiserhöhung unter Voraussetzungen rechtens
Dass Anbieter die Kostensteigerungen bei der Beschaffung von Strom an ihre Kunden weitergeben, ist unter bestimmten Voraussetzungen rechtens, sagt die Verbraucherzentrale Bayern. In Sonderverträgen muss hierzu eine Preisanpassungsklausel vertraglich vereinbart und die Preiserhöhung wirksam erteilt werden.
Sollte die Preiserhöhung rechtzeitig angekündigt werden und damit rechtens sein, haben Verbraucherinnen und Verbraucher in der Regel ein Sonderkündigungsrecht. Der Vertrag kann zu dem Zeitpunkt beendet werden, an dem die Preiserhöhung in Kraft tritt, erklärt Norbert Endres. Verbraucher könnten prüfen, ob zum Beispiel der Tarif in der Grundversorgung günstiger ist als der aktuell abgeschlossene. Auch ein Anbieterwechsel könnte Geld sparen. Darüber können sich Verbraucherinnen und Verbraucher in Online-Vergleichsportalen informieren.
Was tun, wenn man die Stromkosten nicht zahlen kann?
Wer seine Stromkosten nicht begleichen kann, sollte sich schnellstens mit seinem Versorger in Verbindung setzen und eine Ratenzahlung oder eine andere Möglichkeit vereinbaren, rät Norbert Endres von der Verbraucherzentrale Bayern.
Die Stadtwerke und das Sozialreferat München wollen einen Wärmefond über die Höhe von 20 Millionen Euro gründen. Damit sollen einkommensschwache Bürger und Bürgerinnen unterstützt werden.
Verbraucherzentrale: Abschlagszahlungen nicht selbstständig erhöhen
Mit der Ankündigung, dass sich der Preis erhöht, geben Stadtwerke und Versorger meist bekannt, dass sich auch die Abschlagszahlungen erhöhen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten aber auf keinen Fall den Abschlag selbst erhöhen, rät Endres. Denn wegen der gestiegenen Beschaffungskosten sei das Insolvenzrisiko für einige Anbieter durchaus gestiegen.
Das treffe in der Regel zwar eher auf mittlere und kleinere Anbieter zu. Trotzdem sei es ratsam, lieber Geld privat zurückzulegen, als es bereits freiwillig per Abschlagszahlung an den Versorger zu überweisen.
Strom: Preis an der Börse sinkt, für Verbraucher wird es teurer
Dass die Preise aktuell steigen, liegt daran, dass Strom an der Börse gehandelt wird, und zwar auf zwei Arten. Einerseits kaufen und verkaufen Unternehmen und Versorger kurzfristig ihren Strom auf den sogenannten Spotmärkten. Kurzfristig heißt zum Beispiel von heute für morgen oder sogar am selben Tag. Langfristig kaufen sie Strom auf den sogenannten Terminmärkten. Dort werden Stromverträge abgeschlossen, die teilweise mehrere Jahre Vorlauf haben.
Der Stromeinkauf ist für Versorger komplex. Für den Terminmarkt müssen sie ihren Bedarf und die Preisentwicklung in einem oder mehreren Jahren schätzen. Die Planung wird dadurch erschwert, dass Stadtwerke und Stromanbieter zum Zeitpunkt des Stromeinkaufs auf dem Terminmarkt nicht wissen, wie viele Kunden sie in einem oder mehreren Jahren haben werden.
Deswegen arbeiten viele Versorger beim Einkauf mit einer Mischkalkulation. Sie kaufen Strom sowohl langfristig, als auch mittel- oder eher kurzfristig ein. Deswegen kommt der steigende oder sinkende Börsenpreis erst verspätet bei Kundinnen und Kunden an.
Strompreisbremse im Januar soll helfen
Entlastung soll ab 1. Januar die Strompreisbremse bringen. Haushalte und kleinere Unternehmen sollen für 80 Prozent ihres bisherigen Verbrauchs höchstens einen Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Für Industrieunternehmen wird der Strompreis auf 13 Cent für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs gedeckelt.
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