Wie sieht die "Arbeit der Zukunft" aus? Diese Frage ist zentral auf dem mehrtägigen DGB-Bundeskongress, dem "Parlament der Arbeit", bei dem die rund 400 Delegierten über den Kurs des Gewerkschaftsbundes in den kommenden vier Jahren bestimmen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte in seiner Rede zu Beginn des Kongresses, die Digitalisierung bringe viel Gutes mit sich, verunsichere aber auch die Menschen. Und das in einer Zeit großer Umbrüche, in der es zunehmend Verunsicherung gebe, einen Rückzug ins Nationale, Populismus.
Steinmeier zufolge müsse man aufpassen, dass aus Zukunftsangst keine Demokratieskepsis werde. Steinmeier zieht den Schluss, dass die gesamte Gesellschaft Verantwortung übernehmen muss.
"Technologie mag unser Leben verändern, aber den Rahmen setzen wir! Ich bin davon überzeugt: Wir brauchen eine Ethik der Digitalisierung" Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
Verantwortung von Gewerkschaften und Arbeitgebern
Der Bundespräsident sieht hier sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber in der Pflicht. Die Gewerkschaften deshalb, weil sie traditionell der Schutz für die sind, "die allein ohne Schutz sind". Es gehe darum, die hart erkämpften Arbeitnehmerrechte (faire Löhne, Begrenzung der Arbeitszeit, Mitbestimmung, Streikrecht) zu verteidigen und der modernen, digitalen Arbeitswelt anzupassen. An die Arbeitgeber appellierte Steinmeier, Verantwortung für ihre Mitarbeiter zu übernehmen. Der Arbeitsalltag werde flexibler und moderner, müsse dabei aber fair und gesund bleiben.
"Eltern können etwa früher nach Hause gehen, um mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Dafür klappen sie dann nach der Gutenachtgeschichte den Laptop wieder auf. Immer häufiger wird auf Anwesenheit verzichtet, aber umso mehr Erreichbarkeit gefordert." Frank-Walter Steinmeier
Das verursache auch Stress, und das hätten die Gewerkschaften auch erkannt.
"Digitalisierung ist mehr als das neue Smartphone-Modell"
Automatisierung und Digitalisierung bedeuten Steinmeier zufolge nicht, dass die Arbeit ausgehen wird. Die Frage sei eher: Wie sieht sie künftig aus? Der Bundespräsident sieht die Gefahr, dass die Spaltung in der Gesellschaft größer wird, dass hochqualifizierte und flexible Arbeitnehmer immer mehr verdienen und die weniger qualifizierten und mobilen Bürger weniger. Mit der Folge, dass der soziale Zusammenhalt brüchig wird und die Sorgen der Menschen in politischen Protest münden. Um hier entgegen zu wirken, brauche es angemessene Anerkennung und angemessene Bezahlung für alle. Aber auch die Bereitschaft der Arbeitnehmer, sich stetig weiterzubilden.
Steinmeier gegen bedingungsloses Grundeinkommen
Der Bundespräsident mahnt, die Zukunft der Verteilung von Arbeit, von Qualifizierung und sozialer Sicherung ernsthaft zu diskutieren. Die Idee des "bedingungslosen Grundeinkommens" sieht er hier als wenig hilfreich an. Dieses Modell, sagt Steinmeier, sei ihm "viel zu defensiv" und käme "einer Kapitulation gleich".
"Ich sehe jedenfalls keine Verlockung darin, Sozialpartnerschaft und tradierte Formen der Gehaltsfindung für gescheitert zu erklären, und dem Staat diese Aufgaben mit der Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens aufzubürden." Frank-Walter Steinmeier
Der Bundespräsident plädiert dafür, die Selbstbestimmung durch Arbeit zu erneuern und zu bestärken.
"Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit"
Der DGB-Kongress tagt bis zum kommenden Donnerstag, neben dem digitalen Wandel geht es unter anderem darum, wie man die Einhaltung des Mindestlohnes kontrollieren kann, es geht um Steuergerechtigkeit und um die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern. Das Motto in diesem Jahr lautet "Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit". Die DGB-Spitze wird neu gewählt. Und: Im Lauf der Tage sprechen viele Spitzenpolitiker zu den Delegierten, am Dienstag etwa wird Bundeskanzlerin Angela Merkel erwartet.
DGB-Chef Hoffmann: Populisten nutzen Ungerechtigkeiten aus
In seiner Rede sagte der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann, die Menschen hätten ein feines Gespür für Ungerechtigkeiten. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinke nicht, es gebe viele Arbeitnehmer in prekären Verhältnissen. Auf der anderen Seite gebe es Unternehmen, die "keine oder nur lächerlich wenig Steuern zahlen".
Hoffmann sprach von berechtigten Sorgen vieler Arbeitnehmer, von der Angst vor sozialem Absturz und einem würdelosen Alter. Diese Sorgen seien nicht neu, betonte Hoffmann, sie seien schon lange vor den Flüchtlingen da gewesen, die 2015 nach Deutschland gekommen seien. Der DGB-Chef ist davon überzeugt, dass "gute Arbeit", Tarifverträge und Mitbestimmung Menschen weniger anfällig für Populismus machen. So erschwere man "den Rechten und Ewiggestrigen ihr schmutziges Geschäft".