Die deutschen Autobauer "haben den Knall bisher nicht gehört" und investierten immer noch mehr in China, so der SPD-Politiker Steinbrück. Andere Industriezweige merkten aber, dass eine Entflechtung und Diversifizierung der Handelsbeziehungen stattfinden müsste.
USA könnten in Taiwan-Frage Druck auf Deutschland ausüben
Steinbrück machte deutlich, dass er die die Abhängigkeit in den Im- und Exportbeziehungen von China für sträflich hält. Denn wenn die Spannungen zwischen den USA und China um Taiwan dramatisch zunehmen sollten, werden die Amerikaner eine ganz andere Gangart einschalten als bei Nord-Stream 1 und 2, zeigte sich Steinbrück überzeugt. "Die Amerikaner werden sagen, Außen- oder Sicherheitspolitik und Handelspolitik sind zwei Seiten einer Medaille, und dann werden sie den Deutschen mit Blick auf ihre Investments und ihre Abhängigkeiten von China sehr viel mehr abverlangen, was uns erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte."
Steinbrück: Diversifizierung von Handelsbeziehungen zwingend nötig
Es sei deshalb in seinen Augen nun ein guter Zeitpunkt für mehr Diversifizierung bei Bezugsquellen, zum Beispiel zu Gunsten von Investitionen in Afrika und Mitteleuropa oder eines Tages im Zuge einer Wiederaufbauphase in der Ukraine, so Steinbrück. "Ich erwarte von der deutschen Wirtschaft in ihrer enormen Exportabhängigkeit, dass die sich damit beschäftigen in einer längeren Perspektive." Denn das gesamte deutsche Wohlstandsmodell basiere auf einer exportorientierten Wirtschaft. Auch die Politik sei dabei gefordert. Derzeit arbeite man im Auswärtigen Amt an einer neuen China-Strategie. Dabei würde er sich eine weiter in die Zukunft projizierte Strategie und den Wegfall einer "deutschen Naivität im Umgang mit dem Koloss China" wünschen.
Schauspieler Eisi Gulp: "In Afrika haben die Chinesen übernommen"
Auch der Schauspieler und Kabarettist Eisi Gulp warnte vor einer Naivität im Umgang mit China. Er selbst ist seit mehr als 30 Jahren viel in Afrika unterwegs und beobachtet dort seit vielen Jahren das wirtschaftliche Engagement Chinas. "Die Chinesen sind für mich die langsichtigsten, raffiniertesten Strategen überhaupt." Gulp berichtete vom Hafen im kenianischen Mombasa, den die Chinesen derzeit ausbauen. Gleichzeitig wurde, ebenfalls von chinesischen Investoren, eine Bahnlinie bis nach Uganda gebaut. "Die können Rohstoffe ohne Ende da rausholen und haben die ganzen afrikanischen Regierungen so an sich gebunden über Schulden, dass die überhaupt keine Chance mehr haben, da rauszukommen", berichtete Gulp.
Kritik an "irrsinniger Naivität" gegenüber China
In Deutschland herrsche immer noch eine lang verbreitete "irrsinnige Naivität" im Umgang mit China, so Steinbrück. Hierbei nahm er auch Bezug auf die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit deutscher Universitäten mit China unter Xi Jinping, einem "nach außen sich sehr aggressiv und nach innen sehr repressiv entwickelnden Staat", so Steinbrück.
Diskussion um Hamburger Hafen: "Zwei Seelen" in Steinbrücks Brust
Bezogen auf das aktuell diskutierte Investment der chinesischen Firma Cosco in den Hamburger Hafen dürfte man dieses daher eigentlich nicht zulassen, so Steinbrück. Andererseits sei Cosco bereits in zahlreichen europäischen Häfen engagiert. Wenn der Deal am Hamburger Hafen scheitere, werde Cosco in andere europäische Häfen wie Rotterdam, Antwerpen oder Amsterdam gehen, vermutete Steinbrück. Auf der pragmatischen Ebene glaube er deshalb nicht, dass das Investment Coscos in den Hamburger Hafen der entscheidende Punkt sei, um die Abhängigkeit gegenüber China zu reduzieren.
"Ich gebe zu, dass da zwei Seelen in meiner Brust wohnen", betonte Steinbrück. "In einer vielleicht etwas zu hoch gegriffenen strategischen Vorstellung würde ich Nein sagen, bezogen auf den konkreten Fall dort und seine tatsächlichen Auswirkungen, bin ich mir nicht so sicher, ob es wirklich einer solchen Entscheidung bedarf, die (Chinesen) dort nicht reinzulassen."
Hoffnungen auf Staatsbesuch von Kanzler Scholz in China
Bundeskanzler Olaf Scholz reist Anfang November nach China. Sein Parteigenosse Peer Steinbrück zeigte sich überzeugt, dass Scholz den Chinesen dabei deutlich machen werde, dass Handelsbeziehungen gleichberechtigt sein müssten. "Das sind sie nach wie vor nicht", so Steinbrück.
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