Eine ganz normale Szene in einem Kindergarten im oberfränkischen Bad Rodach. Lina, Xena und Fiete sitzen um einen niedrigen Tisch, in ihrer Mitte steht ein kleines Piratenschiff mit bunten Figuren darauf. Flink reichen sie sich eine kleine rote Holzkugel herum – denn nur, wer die in der Hand hat, darf eine Figur bewegen. Die Zeit läuft: Wenn die Kinder vor Ablauf der Sanduhr alle Figuren an die richtige Stelle bringen, haben sie die Runde gewonnen und dürfen eine Schatztruhe öffnen.
Testspielen im Kindergarten
Das Besondere hier: Das Spiel gibt es eigentlich noch gar nicht, es kommt erst im Juni heraus. Und der Mann, der mit am Tisch sitzt, ist auch kein Erzieher. Markus Singer ist Spieleredakteur beim Bad Rodacher Spielehersteller Haba. Zusammen mit den Kinder testet er Spiele-Prototypen auf Herz und Nieren. Heute hat er das Piraten-Schatz-Spiel "Käpt’n Pepe, Schatz Ahoi" dabei.
Kinder-Feedback verändert Spiele-Prototypen
Nach fast zwei Jahren Entwicklungszeit ist es quasi fertig – und das ist auch ein Verdienst der vielen Kindertester, die sich an der Entwicklung beteiligt haben. Anfangs war das Spiel etwa mal für Fünfjährige gedacht. Doch beim Testen stellte sich heraus, dass Kinder in dieser Altersgruppe die Hintergründe von "Käpt'n Pepe" noch nicht erfassen können, so Singer.
Ein anderes Beispiel: "Während des Spiels durfte man eigentlich nicht reden, und mit den Kindern haben wir aber gemerkt: Die Kinder, die wollen aber reden, die wollen Spaß haben", erzählt er. Und deswegen haben die Spieleredakteure die Regeln so geändert, dass die Spieler aktiv miteinander kommunizieren sollen. "Es entsteht so ein bisschen Chaos auf dem Schiff, und alle haben ihre eigenen Ideen und versuchen gemeinsam zum Ziel zu kommen".
Markus Singer (links) und Lea Berger begutachten einen Prototypen eines Papp-Schiffs für das Spiel "Käpt'n Pepe, Schatz Ahoi".
Etwa 40 Spiele-Releases pro Jahr
Jedes Jahr kommen bis zu 1.800 Spielideen auf den Schreibtisch von Markus Singer und seinen Kollegen. Eingeschickt werden die Prototypen von freien Spieleautoren. Das können zunächst mal einfach nur PDFs mit den Spielregeln sein oder bereits ausgearbeitete Prototypen mit Spielfiguren. Nur etwa 40 schaffen es in den Handel. Und bis es soweit ist, grübeln die Spieleredakteure über viele Fragen: Ist das Spiel zu schwer oder zu leicht? Ist das Spielmaterial robust genug? Und vor allem: Macht es den Kindern überhaupt Spaß?
Um die Antworten darauf zu finden, arbeiten die Redakteure eng mit den Autoren zusammen, aber eben auch mit vielen Kindern. "Also, wir haben hier schon ganz viel Glück, dass wir den firmeninternen Kindergarten haben. Und wir nutzen aber auch eben zusätzlich den städtischen Kindergarten oder auch den Hort", sagt Singer.
Spiele entwickeln sich weiter
Vom Prototypen bis zum fertigen Produkt - dieser Prozess hat hier fast zwei Jahre gedauert. In dieser Zeit macht das Spiel einige Veränderungen durch. Anfangs hieß "Käpt'n Pepe, Schatz Ahoi" noch "Raindance". Das Grundprinzip, Figuren auf bestimmte Stellen des Spielfeldes zu bugsieren, war da schon vorhanden – doch sowohl Spielablauf, Gestaltung und Thematik des Spiels waren ganz anders. In Zusammenarbeit mit den Autoren, Grafikern, anderen Spieleredakteuren und natürlich Kindern ist erst das Spiel entstanden, das in diesem Jahr im Handel erscheint.
Im firmeninternen Kindergarten in Bad Rodach kommt das Spiel auf jeden Fall gut an. Lina, Xena und Fiete haben "Käpt'n Pepe" noch nicht so oft gespielt. In der Regel ist es immer besser, verschiedene Kindergruppen testen zu lassen, um ein möglichst breites Meinungsspektrum zu haben. Der sechsjährige Fiete scheint zufrieden zu sein: "Es gibt nichts, was ich anders machen würde bei dem Spiel". Damit sind die kleinen Spieleentwickler mit diesem Projekt fertig. Das nächste steht schon den Startlöchern.
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