Ein Brief der Deutschen Rentenversicherung in einem Ordner
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Ein Brief der Deutschen Rentenversicherung in einem Ordner

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Sozialgerichts-Präsident fordert Rentenversicherung für alle

Die Rentenkassen geben vielen Berufstätigen eine gewisse Absicherung fürs Alter, aber bei Weitem nicht allen. Nach Ansicht des Präsidenten des Bundessozialgerichts ist das unlogisch. Beim Bayerischen Sozialrechtstag forderte er radikale Änderungen.

Der oberste Sozialrichter Deutschlands, Rainer Schlegel, lässt an den Regeln zur Rentenversicherungspflicht in Deutschland kaum ein gutes Haar. Beim ersten Bayerischen Sozialrechtstag in München zählte der Präsident des Bundesozialgerichts (BSG) eine lange Liste von Ausnahmen von der Rentenversicherungspflicht auf, für die es seiner Ansicht nach keine logische Erklärung gibt: Warum die Vorstände von Aktiengesellschaften, die ja einen Arbeitsvertrag haben, von der Rentenversicherungspflicht befreit sind, leuchtet ihm nicht ein. Er versteht auch nicht, warum diese Befreiung dann nicht auch für die Chefs anderer Kapitalgesellschaften gilt.

Bundessozialgerichtspräsident sieht unerklärliche Ausnahmen

Es sei auch nicht logisch zu erklären, warum Minijobber die Möglichkeit haben, sich aus der Rentenversicherung auszuklinken, während andere Arbeitnehmer diese Möglichkeit nicht haben, sagt Schlegel. Und besonders bizarr findet der Präsident des Bundessozialgerichts die Regeln zur Rentenversicherungspflicht bei selbständigen Pflegekräften: Wer etwa in der Krankenpflege, Säuglingspflege oder in der Kinderpflege arbeitet, muss in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen. Wer selbständig in der Altenpflege arbeitet, muss hingegen keine Beiträge zahlen. Eine Begründung lasse sich dafür nicht finden. Der Gesetzgeber habe das eben so festgelegt, sagt Schlegel.

Forderung nach Erwerbstätigenversicherung

Der BSG-Präsident fordert deshalb beim Bayerischen Sozialrechtstag eine grundlegende Reform des Rentenversicherungsrechts. Einerseits, um für Klarheit und Logik zu sorgen. Andererseits, um Menschen vor Altersarmut zu bewahren. Von der seien Minijobber ebenso bedroht wie viele Selbständige, sagt Schlegel. Früher sei es vielleicht eine korrekte Einschätzung gewesen, dass Selbständige "per se reich waren und vorgesorgt haben", erklärt der BSG-Präsident und ergänzt: "Aber das ist nicht mehr so, diese Vorstellung des 19. Jahrhunderts passt nicht mehr." Denn mehr als vier Prozent der Selbständigen seien im Alter auf Grundsicherung angewiesen. Bei denen, die während des Berufslebens als Arbeiter oder Angestellte ihr Geld verdienten, seien es nur zweieinhalb Prozent.

Widerspruch aus der Wirtschaft

Bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hält man von den Forderungen des Präsidenten des Bundessozialgerichts nach einer Erwerbstätigenversicherung wenig bis gar nichts. Der vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt findet, es gebe gute Gründe dafür, dass etwa Selbständige keine Pflichtmitglieder in der Rentenversicherung sind: "Selbstständig bedeutet: Eigenverantwortung für sein Leben vollkommen zu übernehmen", so Brossardt.

Zustimmung von Gewerkschaften

Bei den im DGB zusammengeschlossenen Gewerkschaften hingegen findet die Forderung des Präsidenten des Bundessozialgerichts nach einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, große Zustimmung. Die Vize-Chefin des DGB in Bayern, Verena Di Pasquale, findet, es sei überfällig, Selbständige und auch Beamte in die Rentenversicherung einzubeziehen.

Nur wenig im Koalitionsvertrag

Die Regierung von SPD, Grünen und FDP hat zwar in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, dass Selbstständige bessere Möglichkeiten bekommen sollen, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Aber von Schritten in Richtung Erwerbstätigen-Versicherung, wie der Präsident des Bundessozialgerichts oder auch der DGB sie beim Bayerischen Sozialrechtstag gefordert haben, ist im Koalitionsvertrag nicht die Rede.

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