Profis und Privatanleger waren vorgewarnt – und doch ist die Zahl bitter: 1,5 Milliarden Euro Verlust im dritten Quartal. Zuletzt war Siemens vor zwölf Jahren in die roten Zahlen gerutscht, nach der Finanzkrise. Schuld ist dieses Mal vor allem der Kursverfall bei Siemens Energy.
Der Münchener Konzern hält derzeit noch 35 Prozent an seiner ehemaligen Energiesparte. Weil aber der Aktienkurs von Siemens Energy deutlich unter dem Wert liegt, der bei Siemens in den Büchern steht, müssen 2,7 Milliarden Euro abgeschrieben werden.
Siemens-Verlust "rein buchhalterisch"
Einmal mehr betonte der Vorstand, die Abschreibung auf diese Beteiligung müsse in den Büchern vorgenommen werden, wegen des Kursverfalls. Das sei "rein buchhalterisch" geboten, aber das beeinflusse die Kassenlage des Konzerns nicht.
Siemens werde sich jetzt nicht von weiteren Anteilen trennen, antwortete Finanzvorstand Ralf Thomas in einer telefonischen Fragerunde, das wäre "unglücklich und unklug." Denn Siemens Energy plant eine Kapitalerhöhung, um die spanische Siemens Gamesa komplett zu übernehmen. Danach soll das Papier vom Kurszettel der Madrider Börse verschwinden. Dies hatten Fondsmanager und Analysten immer wieder gefordert, damit die Münchener bei ihrer spanischen Tochter endlich "voll durchgreifen" könnten.
Teurer Siemens-Ausstieg aus dem Russland-Geschäft
Ebenfalls negativ durchgeschlagen hat der komplette Ausstieg aus dem Russland-Geschäft infolge des Ukraine-Kriegs. Im zweiten Quartal führte das bereits zu Belastungen in Höhe von 600 Millionen Euro. Im dritten Quartal kamen weitere 600 Millionen dazu.
Ansonsten laufen die operativen Geschäfte gut bei Siemens. Das Ergebnis aus dem industriellen Geschäft wuchs um 27 Prozent, auf 2,9 Milliarden Euro.
Lieferketten-Probleme mit unterschiedlichen Auswirkungen
Mit Blick auf die beiden Säulen Digital Industries und Smart Infrastructures konnten größere Unterbrechungen vermieden werden, obwohl die Lieferketten für elektronische Bauteile und Rohstoffe weiter angespannt blieben. Siemens-Chef Roland Busch betonte, man liefere auch in schwierigen Zeiten. Die Produkte des Konzerns, um Fabriken zu automatisieren oder um Gebäude klimaneutral zu machen, deckten sich genau mit den Interessen der Kundschaft: "Unser Portfolio adressiert die langfristigen Wachstumstrends Digitalisierung, Automatisierung und Dekarbonisierung."
Nur die Verkehrstechnik-Sparte Mobility bekam den Teilemangel zu spüren, dazu die Corona-Nachwirkungen und den Rückzug aus Russland. Dagegen profitierte diese Sparte vom Verkauf von Yunex Traffic.
Siemens hat fast 100 Milliarden Euro Bestellungen in den Büchern
Siemens sei derzeit auf einem starken Wachstumskurs, das Orderbuch ist mit 99 Milliarden Euro so dick wie nie. Und deshalb sei es wahrscheinlich, dass sich die Nachfrage in den kommenden Quartalen normalisiere, betonte der Finanzvorstand. Entscheidend sei, dass man Marktanteile hinzugewonnen habe. Außerdem konnten Preiserhöhungen auf breiter Front durchgesetzt werden, um die höheren Kosten auszugleichen.
Die Prognosen für das Gesamtjahr wurden weitgehend bestätigt, aber die hohe Abschreibung auf die Beteiligung von Siemens Energy wird den Gewinn je Aktie empfindlich drücken.
Zahlreiche High-Tech-Projekte weltweit
Einmal mehr präsentierte der Technologiekonzern auf diversen Folien seine Projekte in aller Welt: Da wird Ägypten über 2.000 Kilometer mit einem Hochgeschwindigkeitsnetz ausgerüstet, die Universität von London will mit Hilfe der Münchener in den kommenden Jahren klimaneutral werden und in Amerika entsteht ein Netz von Schnell-Ladestationen für E-Autos.
Knappes Gas kein Problem für Produktion von Siemens
Und wie zum Beweis, dass Siemens selbst mit gutem Beispiel vorangeht, betonte Konzernchef Roland Busch, seinen Strombedarf decke Siemens an seinen europäischen Standorten fast ausschließlich aus erneuerbaren Quellen. Nur zehn Prozent des gesamten Gasverbrauchs werde für die Produktion genutzt, der Rest zum Heizen. Sollte Gas noch knapper werden, dann sei die Produktion an den Siemens-Standorten in keinem Fall gefährdet - man habe vorgesorgt.
Europäische Perspektiven
BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion.
- Zum Artikel "EBU-Projekt Europäische Perspektiven"
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!